Am 26. Oktober 2025 ist Welt-Polio-Tag. Mit einem Benefizkonzert im KKL Luzern rückt Rotary das globale Engagement gegen die Kinderlähmung ins Rampenlicht. Drei Rotarier erklären, was die Besucher dort erwartet – und warum der Kampf noch längst nicht vorbei ist: die Polio-Beauftragten Oliver Rosenbauer (Distrikt 1990), Isabel Zimmermann (Distrikt 1980) und Cory Edwards (Distrikt 2000).
Ehe wir auf das Konzert zu sprechen kommen: Sag uns doch, Oliver, warum ist der Welt-Polio-Tag bis heute so wichtig?
Oliver Rosenbauer (OR): Weil er uns jedes Jahr eindringlich vor Augen führt, dass die Kinderlähmung eben noch nicht Geschichte ist. Polio gibt es noch – und sie trifft immer noch Kinder, vor allem dort, wo die Gesundheitssysteme schwach sind und die Impfungen nicht alle erreichen. Für mich ist der Welt-Polio-Tag aber auch ein Moment des Stolzes: Rotary spielt seit Jahrzehnten eine Schlüsselrolle im Kampf gegen dieses Virus. Ohne uns wäre die weltweite Gemeinschaft heute nicht dort, wo sie steht. Aber wir sind noch nicht am Ziel. Solange auch nur ein Kind irgendwo auf der Welt gefährdet ist, machen wir weiter. Genau dafür steht dieser Tag – als Zeichen unseres Durchhaltewillens und als Erinnerung an das, was wir schon erreicht haben.
Polio – das klingt für viele weit weg. Ist das Virus wirklich noch eine Bedrohung für uns hier in Europa, Cory?
Cory Edwards (CE): Ja, und zwar ganz konkret. Auch wenn wir hier in der Schweiz oder in Europa seit Jahrzehnten keinen Krankheitsfall mehr hatten – das Virus ist nie verschwunden. In mehreren europäischen Städten wurde es zuletzt wieder im Abwasser nachgewiesen, zum Beispiel in Barcelona oder München. Das zeigt, wie schnell das Virus zurück sein kann. In Ländern wie Pakistan oder Afghanistan stecken sich auch heute noch Kinder mit Polio an, oft mit schlimmen Folgen. Und wir dürfen nicht vergessen: Polio ist hoch ansteckend. Schon ein einzelner Fall kann eine ganze Kettenreaktion auslösen. Heisst für uns: Solange es irgendwo auf der Welt Polio gibt, ist niemand wirklich sicher.
Hat die Kinderlähmung auch in der Schweiz ihre Spuren hinterlassen?
OR: O ja, und das wird heute oft vergessen! Polio war auch bei uns über Jahrzehnte hinweg eine reale Bedrohung. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es immer wieder heftige Ausbrüche – in einzelnen Kantonen, aber auch landesweit. Besonders schlimm wurde es in den 1930er- und 1940er-Jahren: Jahr für Jahr erkrankten teils über tausend Menschen, viele davon Kinder. Die Epidemie von 1954 gilt als die verheerendste – über 1600 Betroffene. Nicht wenige von ihnen blieben ihr Leben lang gelähmt, ganze Familien und Gemeinden waren betroffen. Viele erinnern sich noch an die «Eiserne Lunge» in den Spitälern. Die Einführung der Impfung 1957 war ein echter Wendepunkt. Von da an fielen die Fallzahlen rapide – bis die Krankheit bei uns irgendwann verschwunden war. Aber eben: besiegt ist sie erst, wenn sie weltweit ausgerottet ist.
Isabel, was heisst das für uns heute?
Isabel Zimmermann (IZ): Für mich heisst das ganz klar: Wir dürfen uns nicht in falscher Sicherheit wiegen! Polio war mitten unter uns – in unseren Städten, unseren Dörfern, in unseren Familien. Und nur der flächendeckenden Impfung ist es zu verdanken, dass wir heute in der Schweiz praktisch keine Fälle mehr haben. Aber diese Sicherheit ist trügerisch. Sobald die Impfquote sinkt, öffnet das dem Virus Tür und Tor. Polio ist gnadenlos – es kommt zurück, wenn wir nicht wachsam sind und Vorkehrungen treffen. Deshalb braucht es unser Engagement, unsere Aufklärung und vor allem eines: dass wir beim Impfen nicht nachlassen.
PolioPlus ist das grösste humanitäre Projekt von Rotary. Nehmt uns mit zurück: Wie fing alles an?
IZ: Es begann 1979 auf den Philippinen – mit einem mutigen Pilotprojekt. Rotary half damals, sechs Millionen Kinder gegen Polio zu impfen. Der italienische Rotarier Sergio Mulitsch di Palmenberg spielte dabei eine Schlüsselrolle: Er organisierte die Lieferung von 500000 Impfdosen – ein riesiger Kraftakt für diese Zeit. Das war der Moment, in dem Rotary bewies: Wir können mehr als spenden – wir können Geschichte schreiben. Aus dieser Vision entstand 1985 PolioPlus, das erste Programm überhaupt, das sich die weltweite Ausrottung einer Krankheit zum Ziel gesetzt hat.
OR: Heute ist PolioPlus Teil der Global Polio Eradication Initiative – gemeinsam mit Partnern wie der WHO, UNICEF und der Gates-Foundation. Mehr als 2,5 Milliarden Kinder wurden seither geimpft. Viele von ihnen verdanken Rotary ihre Gesundheit – oder sogar ihr Leben. Und das Besondere ist: Unser Einsatz hat weltweit Anerkennung gefunden. Die Gates Foundation unterstützt uns seit Jahren mit riesigen Summen. Für mich zeigt das: Rotary ist längst eine globale Kraft, wenn es darum geht, Verantwortung zu übernehmen.
Cory, was macht diesen Kampf aus deiner Sicht so besonders?
CE: Für mich ist es diese unglaubliche Dimension – PolioPlus ist ein echtes Generationenprojekt. Seit fast vier Jahrzehnten arbeiten Rotarierinnen und Rotarier weltweit daran, dieses Virus auszurotten. Doch die Arbeit begann schon Jahrzehnte zuvor – mit Menschen aus dem Gesundheitswesen und der Wissenschaft, die unermüdlich nach einer Lösung für die Krankheit suchten, während sie das Leid tausender Patienten weltweit miterlebten. Ihre Arbeit muss zu Ende geführt werden. Es braucht Ausdauer, Herzblut und eine globale Zusammenarbeit, wie es sie selten gibt. Dass wir dabei bis heute nicht aufgegeben haben, macht mich stolz. Und die Zahlen zeigen: Ja, es funktioniert. Seit Beginn der Initiative konnten wir die Zahl der Polio-Fälle weltweit um 99,9 Prozent senken. Aber eben – das letzte Prozent ist das härteste.
Was ist die grösste Herausforderung aktuell?
CE: Ganz klar: Dass Polio aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwindet. Viele wissen heute gar nicht mehr, was Kinderlähmung eigentlich ist, weil die Krankheit bei uns zum Glück verschwunden ist. Die Krankheit taucht nicht mehr in den Nachrichten auf, viele glauben, das Thema sei erledigt. Doch wer hinschaut, sieht: In Pakistan, Afghanistan und auch in Teilen Afrikas gibt es immer noch neue Fälle. Voriges Jahr trat Polio auch wieder in Gaza auf. Und jeder einzelne Fall zeigt, wie fragil der Erfolg ist. Wenn irgendwo weniger geimpft wird, steigt das Risiko – auch bei uns. Polio ist gnadenlos. Es genügt ein einziges Virus, das irgendwo zirkuliert, und wir stehen wieder ganz am Anfang.
Was kann Rotary konkret tun, um das Thema wieder sichtbarer zu machen?
IZ: Rotary muss zeigen, dass der Kampf gegen Polio noch nicht vorbei ist. Deshalb veranstalten wir am Welt-Polio-Tag dieses grosse Benefizkonzert im KKL Luzern. Wir wollen Polio wieder ins Bewusstsein rücken – und was könnte besser verbinden als Musik? Sie schafft Emotionen, berührt, bewegt – und sie gibt uns genau die Bühne, die wir brauchen, um Menschen zu erreichen und ihnen zu zeigen: Der Kampf gegen Polio ist noch nicht vorbei. Jede Eintrittskarte ist ein Beitrag, jede Spende hilft. Unser Ziel ist klar: ein voller Saal, viele offene Ohren – und möglichst viele Impfdosen für Kinder, die sie dringend brauchen.
Kommen wir zurück zum Konzert. Was erwartet die Gäste musikalisch, Oliver?
OR: Die Besucherinnen und Besucher dürfen sich auf ein musikalisches Highlight freuen – auf ein Programm, das grosse Emotionen verspricht. Unter der Leitung der französischen Dirigentin Chloé Dufresne bringen die Stuttgarter Philharmoniker gleich mehrere Meisterwerke auf die Bühne: Der Abend startet mit Mussorgskis Nacht auf dem kahlen Berge, gefolgt von Peter I. Tschaikowskys Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 b-Moll op. 23. Tsotne Zedginidze, ein junges Klavierprodigé aus Georgien, der jetzt schon als Jahrhunderttalent bezeichnet wird, begleitet das Ganze wunderbar auf seinem Klavier.
Der Höhepunkt wird Dvořáks Symphonie aus der Neuen Welt sein – ein Werk, das Sehnsucht, Hoffnung und die grosse Weite Amerikas in Musik verwandelt. Während Dvořáks Sinfonie erklingt, nimmt Fotograf und Musiker Tobias Melle das Publikum mit auf eine visuelle Reise durch Amerika: Seine grossformatigen Bilder entstehen live zur Musik und machen die «Neue Welt» auch im Bild erlebbar. Über 200 grossformatige Fotos, aufgenommen auf seinen Reisen quer durch Nordamerika, erzählen visuell die Geschichte dieser «Neuen Welt» – synchron zur Musik. Das Ganze eingebettet in die fantastische Akustik und Architektur des KKL Luzern – eines der schönsten Konzerthäuser Europas. Ein Abend, der nicht nur musikalisch unvergesslich wird, sondern auch emotional – weil hinter jeder Note der Gedanke steht: Wir kämpfen heute mit Musik für eine poliofreie Welt.
Cory, warum ist es unerlässlich, dass Clubs und Mitglieder jetzt aktiv werden?
CE: Weil genau jetzt der Moment ist, um gemeinsam ein starkes Zeichen zu setzen – gerade nach den Rückschlägen in der Unterstützung von wichtigen globalen Playern wie der WHO und USAID. Dieses Konzert ist nicht irgendein Event – es ist unsere Bühne, um zu zeigen: Wir stehen hinter PolioPlus, wir übernehmen Verantwortung und wir geben nicht auf. Bereits vor dem Konzert bieten wir einen besonderen Apéro an: Dort begrüssen wir Entscheidungsträger aus Partnerorganisationen und lokalen Regierungen, die über ihre Rolle im Kampf gegen die Kinderlähmung berichten. So schaffen wir nicht nur Begegnungen, sondern auch neue Möglichkeiten zur Unterstützung – sei es durch Spenden oder den Kauf attraktiver Solidaritätsprodukte – neben dem Beitrag zu PolioPlus aus den Eintrittskarten. Es ist die perfekte Gelegenheit, gemeinsam mit dem Club, der Familie oder Freunden einen Ausflug zu unternehmen und dabei ein starkes Zeichen der Solidarität zu setzen. Unser Ziel ist ambitioniert: Wir wollen mit dem Erlös über eine halbe Million Impfdosen finanzieren. Wenn wir jetzt zusammenstehen, dann schaffen wir das.
Wenn ihr einen Wunsch an die rotarische Familie hättet – was wäre das?
IZ: Mein grösster Wunsch ist, dass wir uns alle bewusst machen, dass Polio uns alle angeht – heute genauso wie damals. Es darf niemand glauben, das Thema sei erledigt oder betreffe nur ferne Länder. Polio war mitten unter uns, und es kann jederzeit zurückkehren, wenn wir nicht wachsam bleiben. Genau darin liegt aber auch unsere Chance: Wir haben es selbst in der Hand, diese Krankheit endgültig zu besiegen. Und ich bin überzeugt – wenn Rotary als Gemeinschaft zusammensteht, dann schaffen wir das.
CE: Ich wünsche mir, dass der 26. Oktober im KKL Luzern genau dafür steht – als rotarisches Zeichen der Stärke und der Solidarität. Dass wir an diesem Tag gemeinsam im Saal sitzen und sagen: Das hier ist unser Beitrag, unsere Verantwortung und unser Moment. Und dass wir in ein paar Jahren zurückblicken und mit Stolz sagen können: Dieses Konzert war Teil der Geschichte – auf dem Weg in eine poliofreie Welt.
Tickets und weitere Informationen: https://www.obrassoconcerts.ch/programm/sinfonie-in-bildern