Vier Kontinente, eine Mission – Ein Blick hinter die Kulissen

mánudagur, 17. febrúar 2025

vmn

Seit 1925 ist Zürich die administrative Schaltzentrale für Rotary in Europa und Afrika. Was dereinst als kleines Büro für 27 Clubs in acht Ländern begann, ist heute das Drehkreuz für mehr als 11780 Clubs in 114 Ländern – ein Netzwerk, das unterstützt, vernetzt und Innovationen vorantreibt.

Doch ein Jahrhundert rotarischer Geschichte ist mehr als eine beeindruckende Zahl. Es erzählt von Begegnungen, Visionen und gemeinsamen Herausforderungen. Wie hat sich das Europa/Afrika-Büro über die Jahrzehnte verändert? Welche Rolle spielt es heute – und was macht es so einzigartig?

Wir haben mit Marco Nicosia, dem Leiter des Büros, darüber gesprochen, wie sein Team Rotarier in ganz Europa, Afrika und dem Nahen Osten unterstützt, welche besonderen Momente er in seiner Amtszeit erlebt hat und warum dieses Büro weltweit eine ganz besondere Stellung einnimmt.

Was bedeutet es für das Büro, diesen runden Geburtstag zu erreichen?
Das 100-jährige Bestehen ist ein bedeutender Meilenstein – nicht nur für das Büro für Europa und Afrika, sondern für Rotary International als Ganzes. Seit einem Jahrhundert unterstützen wir Rotarier in einer der vielfältigsten Regionen der Welt und helfen ihnen dabei, bedeutende Projekte zu verwirklichen und in ihren Gemeinden etwas zu bewirken. Dieses Jubiläum erinnert mich daran, wie sich Rotary kontinuierlich an neue Zeiten anpasst und dennoch seinen Grundwerten treu bleibt.  

Ebenso wichtig sind die Beziehungen, die wir über Jahrzehnte aufgebaut haben, und das Vertrauen, das wir uns erarbeitet haben – sie stehen im Mittelpunkt unseres Handelns. Dieses Büro ist mehr als nur ein Unterstützungszentrum; es ist eine Brücke, die Rotarys Ideale mit den Gegebenheiten vor Ort verbindet – überall dort, wo wir tätig sind.  

Welche Meilensteine hast du während deiner Amtszeit persönlich miterlebt? 

Unser Büro war Teil vieler historischer Momente – und das zeigt sich in der Art und Weise, wie wir Rotarys Arbeit im Laufe der Jahre unterstützt haben.  

Während der Jugoslawienkriege beispielsweise erschwerten US-Embargos Finanztransaktionen. Unser Büro sprang ein, um sicherzustellen, dass humanitäre Hilfsmassnahmen dennoch fortgesetzt werden konnten. In jüngerer Zeit haben wir zur Finanzierung der Polio-Ausrottung in Afghanistan beigetragen, indem wir komplexe Situationen mit starken institutionellen Beziehungen bewältigt und die Neutralität der Schweiz genutzt haben. Diese Erfahrungen verdeutlichen das Vertrauen, das unserem Büro entgegengebracht wird, und unsere Fähigkeit, Rotarys Mission auch unter schwierigen Umständen zu unterstützen.

Eine Erinnerung, die mich immer wieder zum Lächeln bringt, ist unsere Rolle bei der Gründung des nördlichsten Rotary Clubs in Europa – dem RC Longyearbyen in Svalbard, Norwegen, im Jahr 2017. Ein weiteres Beispiel für die weltweite Reichweite von Rotary ist der Rotary Club Nuuk in Grönland, gegründet 1980, mit Inuit-Mitgliedern, die die Vielfalt und Inklusivität unserer Organisation widerspiegeln. Diese Clubs zeigen nicht nur den unermüdlichen Einsatz der Mitglieder, sondern auch die Fähigkeit von Rotary, Menschen aus allen Gesellschaftsschichten zusammenzubringen. 

Einer der bewegendsten Momente für mich persönlich war, als Afrika für poliofrei erklärt wurde. Es fühlte sich wie der Höhepunkt so vieler Jahre des Engagements und der harten Arbeit von Rotariern auf der ganzen Welt an – ein wahrhaft unvergesslicher Augenblick.  

Welche Rolle spielt das Büro bei der Unterstützung der rotarischen Initiativen in Europa, Afrika und dem Nahen Osten? 

Unsere Aufgabe ist es, die Mitglieder der rotarischen Familie in einer Vielzahl von Kulturen und Regionen zu unterstützen und zu vernetzen. Das Büro betreut 114 Länder, 129 Distrikte und mehr als 325700 Mitglieder in mehr als 11780 Clubs. Unser Aufgabenbereich reicht dabei von der Organisation von Lernveranstaltungen und Führungskräfte-Programmen bis hin zur Verwaltung von Spendenaktionen, der Unterstützung bei der Gründung neuer Clubs sowie der Begleitung politischer Prozesse und komplexer Finanztransaktionen über Landesgrenzen hinweg.  

Wir arbeiten in sieben der neun offiziellen Rotary-Sprachen und können uns in 19 weiteren verständigen – unsere Mitarbeitenden sind wirklich international aufgestellt.  

Auch in aussergewöhnlichen Situationen spielen wir eine entscheidende Rolle. Während der humanitären Hilfsmassnahmen für die Ukraine agierten wir beispielsweise als zentrale Koordinationsstelle. Wir verwalteten alle relevanten Kontaktinformationen und dienten als Anlaufstelle für Rotary-Mitglieder, um sicherzustellen, dass Hilfe effizient und vernetzt geleistet werden konnte.  

Letztlich besteht unsere Aufgabe darin, unseren Mitgliedern die Werkzeuge und Unterstützung zu geben, die sie für ihren Erfolg benötigen – sei es in Krisenzeiten, beim Aufbau neuer Netzwerke oder bei der Optimierung ihrer rotarischen Erfahrung.  

An welche Momente deiner Amtszeit erinnerst du dich besonders gerne? 

Es gibt unzählige Momente, die ich in Ehren halte – jeder einzelne unterstreicht die Reichweite und Wirkung von Rotary.  

Ein besonders herausragendes Erlebnis war die Rotary International Convention in Barcelona, bei der Michail Gorbatschow als Gastredner auftrat. Der ehemalige Staatschef der Sowjetunion und Friedensnobelpreisträger bezeichnete Rotary damals als eine der wichtigsten und glaubwürdigsten Organisationen der Welt. Er betonte die entscheidende Rolle von Bürgern und Institutionen wie Rotary bei der Bewältigung globaler Herausforderungen. Seine Worte über die Kraft der Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg haben mich und viele andere tief beeindruckt.  

Ein weiterer Höhepunkt war meine Teilnahme an der Weltgesundheitsversammlung der Vereinten Nationen, wo ich im Namen von Rotary eine Erklärung zur globalen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kinderlähmung abgab. Über dieses Engagement auf höchster Ebene zu sprechen, war eine beeindruckende Erfahrung.  

Doch am meisten schätze ich die persönliche Entwicklung einzelner Rotarier. Es war besonders lohnend, mitzuerleben, wie jemand wie Holger Knaack vom Distriktslevel zum ersten deutschen Präsidenten von Rotary International aufstieg – ein Beispiel für die gemeinsamen Wege, die wir mit unseren Mitgliedern gehen.  

Was unterscheidet deiner Meinung nach das Europa/Afrika-Büro von anderen rotarischen Niederlassungen weltweit? 

Unser Office zeichnet sich vor allem durch die enorme kulturelle und geografische Vielfalt aus. Wenn man von einem Sommertag in Zürich zu einem Winterabend in Sambia reist, wird einem die Weite und Vielschichtigkeit unserer Region bewusst.  

Wir betreuen 114 Länder – von Skandinavien bis Subsahara-Afrika, vom Nahen Osten bis ins Herz Europas. Jede dieser Regionen bringt eigene Perspektiven und Herausforderungen mit sich. Um dieser Vielfalt gerecht zu werden, braucht es Flexibilität und kulturelle Sensibilität – beides ist tief in unserer Arbeit verankert.  

Von allen Sekretariatsbüros Rotarys decken wir die grösste geografische Region ab und haben innovative Arbeitsmethoden entwickelt. Dazu gehört beispielsweise die Beschäftigung von Mitarbeitern im Homeoffice in Ländern wie Kenia, Nigeria, Deutschland, Dänemark und England. So können wir auf lokales Fachwissen zurückgreifen und die Nähe zu den Mitgliedern wahren.  

Aber was mich am meisten stolz macht, ist unser Team. Mit einer durchschnittlichen Betriebszugehörigkeit von mehr als elf Jahren steht unser Team für Kontinuität und Engagement. In Zukunft wird es darauf ankommen, dieses Fundament weiter auszubauen – neue Wege zu finden, um Rotarier bei der Bewältigung lokaler Herausforderungen zu unterstützen und die Chancen einer sich stetig verändernden Welt zu nutzen.  

Lieber Marco, wir danken dir für das Gespräch. Auf die nächsten hundert Jahre!

 

Zur Person

Marco Nicosia, Mitglied im RC Zurich Circle International, begann seine rotarische Karriere 1996 in der IT-Abteilung; über die Jahre hatte er verschiedene leitende Funktionen inne. Seit 2010 steht der passionierte Rotarier an der Spitze des Europa/Afrika-Büros in Zürich und verantwortet in dieser Position die strategische und operative Leitung.

 

Ausstellung

Im Februar 2025 öffnete eine besondere Ausstellung ihre Türen: Sie zeigt die Geschichte des Europa/Afrika-Büros und seinen Wandel über ein ganzes Jahrhundert hinweg. Eine Rotary-Zeitleiste, historische Meilensteine und interaktive Exponate machen erlebbar, wie sich unsere Organisation entwickelt hat – und wie sie die Welt bis heute verändert.

Neben dem Blick zurück geht es auch um die Zukunft: Die Ausstellung beleuchtet aktuelle Herausforderungen und Chancen und zeigt auf, welche Rolle Rotary in den kommenden Jahrzehnten spielen kann.

Rotary International Europa/Afrika-Büro, Witikonerstrasse 15, 8032 Zürich


Rot. Marco Nicosia