Die Zeiten haben sich gewandelt – unsere Mission ist geblieben
Der rotarische Gedanke, zum Wohle aller gemeinsam Ideen und Lösungen zu entwickeln, berührt und motiviert uns über die eigenen Grenzen hinaus. Die rotarische Freundschaft ist sprichwörtlich.
Das haben die drei Governors der Schweiz, Dr. Alex Schär (D 1980), Simon Bichsel (D 1990) und Thomas Hunziger (D 2000) im Festprogramm fast schon programmatisch festgehalten. Das Fest vom 22. Juni 2024 war in jeder Hinsicht der Beweis, dass Rotary über sich hinauswachsen kann.
Den Auftakt des offiziellen Festaktes machte Frau Bundespräsidentin Viola Amherd. Kurz nach der Gründung des Rotary Clubs Zürich vor 100 Jahren sei eine Delegation nach Bern ins Bundeshaus gefahren, um den damaligen Bundespräsidenten Ernest Chuard über den Club und seine Ziele ins Bild zu setzen. Sie statte nun sozusagen einen Gegenbesuch ab.
Bis heute packe Rotary als Teil der Zivilgesellschaft weltweit an, fördere Bildung und Wirtschaft, engagiere sich für soziale Projekte, für den Umweltschutz und für den Frieden – wie dies die Schweiz auf anderer Ebene auch mache. Wie Rotary sei die Schweiz darauf angewiesen, dass sich Menschen freiwillig und unentgeltlich für die Gemeinschaft engagieren. Wer sich engagiere, müsse immer damit rechnen, dass seine Anstrengungen in Zweifel gezogen werden und nicht unmittelbar von Erfolg gekrönt sind. Wer nichts tue, scheitere zwar nicht, stosse aber mittel- und langfristig auch keine Veränderungen an.
Die Herausforderungen der Gegenwart seien enorm und vielleicht noch komplexer als vor 100 Jahren. Angesichts der vielen Aufgaben wäre es mutlos, unverantwortlich und letztlich unverzeihlich, wenn wir nicht gemeinsame Lösungen suchen würden. Es brauche gerade in solchen Zeiten Menschen mit Mut, die Hand anlegen und Herausforderungen anpacken wollen.
Abschliessend dankte sie den versammelten Rotarierinnen und Rotariern herzlich für die Beiträge, die sie seit so vielen Jahren leisten. Mit der Devise «Nit luggla gwinnt» wünschte sie der Festgesellschaft alles Gute zum 100. Geburtstag!
Der Präsident von Rotary International, Gordan R. McInally, begann mit einem herzlichen «Danke schön!» Das sei ja das einzige Entgelt, das man als Rotarierin und Rotarier bekommen könne. Er danke für die verschiedenen Initiativen, welche Rotary Schweiz seit Jahren unterstützt, von humanitären Engagements wie Shelter box,über nationale und internationale Projekten in verschiedensten Bereichen bis hin zu Berufsbildung und Jugendarbeit.
Die rotarische Flamme, die in der Schweiz vor 100 Jahren entzündet wurde, spüre man hier noch immer. Weltweit sei man von den vier Gründern im Jahre 1905 auf 1.4 Millionen Mitglieder gewachsen, vom ersten Club in Chicago sei Rotary nun in gegen 200 Ländern vertreten.
Auch was Rotary mache und bewege, habe sich geändert. Vom ersten Projekt, einer öffentlichen Toilette in Chicago, 1907 an habe Rotary eine Vielzahl von humanitären Projekten initiiert und unterstützt. Das bekannteste ist dabei sicher das Polio-Programm. Beim Start des Programms 1988 seien pro Tag noch 1000 Kinder in 125 Ländern von der Kinderlähmung befallen worden. Dank dem unermüdlichen Rotary-Einsatz seit 35 Jahren habe man die Kinderlähmung sozusagen ausrotten können. Dies sei nur dank beindruckenden Spenden, vor allem aber auch dem persönlichen Einsatz von unzähligen Freiwilligen möglich gewesen. Gleiches gelte auch für andere Projekte im humanitären und medizinischen Bereich. Neu sei in diesem Zusammenhang ein Fokus auf die psychische Gesundheit.
Mit dem Motto «Enjoy today – tomorrow is still much to do» schlug McInally den Bogen vom Festtrubel zu den immer neuen, grossen Herausforderungen, die Rotary in den nächsten Jahren erwartet.
Der Rotarier Prof. Dr. Marcel Tanner regte die Festgemeinde zum Nachdenken vor dem Feiern an. Das Zitat «Man muss nicht grossartig sein, um anzufangen, aber man muss anfangen, um grossartig zu werden» (Zig Zagler) verkörpere den rotarischen Geist, dass jede und jeder etwas bewegen kann. So konnte er anhand der aktuellen Malaria-Bekämpfung zeigen, was ein nachhaltiges Projekt im Gegensatz zu einem isolierten «Projektli» bedeutet. Es gehe darum, ein Momentum zu finden, einen Anschub zu leisten zu etwas Grösserem, das weiter nachhaltig wächst. Auf diese Weise entstünden Projekte, welche in der Gesellschaft verankert sind und einen echten Mehrwert schaffen. Dazu brauche es einen gesamtheitlichen Ansatz, ein Vorgehen, das in die lokalen Gegebenheiten und Systeme passt und darauf abgestimmt ist.
Im Falle der Malaria-Bekämpfung konnte die Mortalität zwischen den Jahren 2000 und 2015 global um 25 Prozent gesenkt werden; in zehn Jahren wurden eine Million Todesfälle verhindert. Ausgangspunkt war ein «Kristallisationspunkt» im Jahre 1994, als der Distrikt 1980 eine Projektidee zur Malariabekämpfung in Tansania unterstützte. Diese Initialzündung war der Grundstein für ein späteres Engagement der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit. Was lokal begann und Wirkung zeigte, wurde schnell zu einem nationalen, später gesamtafrikanischen und schliesslich globalen Ansatz. Heute wird die Malariabekämpfung jährlich mit einer Milliarde USD unterstützt und Rotary against Malaria (RAM) ist ein wichtiger Teil davon.
Tanners Fazit wie auch Ausblick für die nächsten Jahrzehnte: «Es geht nicht darum, etwas Grossartiges zu leisten, sondern einzig darum, die ganz gewöhnlichen Dinge in Anerkennung ihres inneren Wertes zu tun.» Dazu gehört, wenn möglich nicht in isolierte Projekte, sondern mit Mut auch in neue und innovative Kristallisationspunkte zu investieren, die skalierbar und umsetzbar sind.
Ein solcher neuer Kristallisationspunkt ist das Projekt ROMI (Rotary Mental Health Initiative), die von den drei Governors in Zusammenarbeit mit dem Kinder- und Jugendmediziner Dr. med Albermann gegründete Initiative für eine psychisch gesunde Jugend. Psychische Erkrankungen nehmen bei Kindern und Jugendlichen massiv zu und zeigen alarmierende Zahlen: 35.9 Prozent der weiblichen und 15.3 Prozent der männlichen Jugendlichen leiden unter schweren psychischen Symptomen. Auch die Stressbelastung bei Jugendlichen hat zugenommen. In Zusammenarbeit mit Pilotschulen, Jugendlichen, Eltern und Fachpersonen entwickelt Rotary ein Programm zur Verbesserung der psychischen Gesundheit von Jugendlichen. Dazu gehören Wissenstransfer, Selbstwirksamkeitstraining, Resilienzförderung und der sinnvolle Umgang mit digitalen Medien. Der Grundstein ist gelegt, nun sind Fachpersonen aus den verschiedensten Bereichen zur Mitarbeit in den Projektgremien gesucht!
Vertreterinnen und Vertreter von Rotaract zeigten an der Jubiläumsveranstaltung in Bern mit viel Tempo und Witz, was sie alles bewegen mit ihren 418 Mitglieder in 19 Clubs. Auch der Jugendaustausch ist und bleibt ein wichtiger Eckpfeiler des rotarischen Lebens. Weltweit gibt es aktuell 5660 Austauschschüler, 58 davon stammen aus der Schweiz. Die traditionelle, bunte Fahnenparade der 50 Austauschschülerinnen und -schüler in der Schweiz führte diese Diversität eindrücklich vor Augen. Oft ist der Sprach- und Kulturaustausch der Start zu einem lebenslangen, internationalen Netzwerk – und manchmal auch der Start in eine rotarische Zukunft. Und er zeigt eben: «Woanders ist auch daheim.»
Das Galadinner nach dem Festakt war nicht nur in kulinarischer Hinsicht ein Genuss. Die Rotarierin Nubya verstand es, die richtigen Töne zu finden. Während sie die Festgemeinde beim Festakt zum Nachdenken brachte, vermochte sie diese beim Galadinner förmlich von den Stühlen zu reissen und zu spontanen Tanzeinlagen zu motivieren.
Der rotarische Zauberer Dr. Christian Bischof verwandelte die Arena in einen magischen Ort und zauberte so manches Lächeln auf die Gesichter. Mit Charme und Humor vermochte er das Publikum zu unterhalten und auch zu verblüffen. Das simultane Kartenspiel mit 840 Gästen dürfte wohl ein Rekord sein.
Kurz: eine Feier, wie sie es selten gibt – würdig, ausgelassen, nachdenklich, spannend, verbindend. Mit vielen unterschiedlichen Höhepunkten, welche die Diversität von Rotary vor Augen geführt haben. Nur ein kleiner Kritikpunkt wurde laut… dass das rauschende Fest so schnell vorbei war und die zu «This Masquarde» tanzende Festgemeinde um 1:00 Uhr weiterziehen musste. Doch wenn ein Fest zu früh endet, ist dies ja schliesslich das schönste Kompliment!
Ein grosses Kompliment sei an dieser Stelle allen Organisatorinnen und Helfern ausgesprochen, ohne deren generalstabsmässige Planung und minutiöse Vorbereitung ein solches Fest nicht möglich gewesen wäre. Auch den unzähligen helfenden Händen und Köpfen während des ganzen Anlasses sei herzlich gedankt. Und weil ein Fest (auch) von den Teilnehmenden lebt: herzlichen Dank allen Mitgliedern der rotarischen Familie, die nach Bern gekommen sind!
Die Heimreise wurde immerhin durch ein Geschenk versüsst: Das äusserst lesenswerte Buch zum 100-Jahr-Jubiläum, das der RC Zürich herausgegeben und freundlicherweise an alle Besucher des Jubiläumsfestes verschenkt hat, wird wohl auf einigen rotarischen Nachttischen liegen.