100 Jahre RC Zürich - Offener und ehrlicher Blick auf die Geschichte von Rotary

lunedì 13 maggio 2024

Hundert Jahre Rotary in der Schweiz, hundert Jahre RC Zürich: Der erste Schweizer Rotary Club hat zur Feier ein Jubiläumsbuch verfasst. Mit-Herausgeber und Mitglied des RC Zürich, Rot. Niklaus Peter, gibt einen Einblick in das Werk, das am Jubiläumsanslass vom 22. Juni 2024 in Bern aufliegen wird.

Hundert Jahre Rotary in der Schweiz – als erster Schweizer und ältester Zürcher Club steht man vor der Frage: Wie soll man das feiern? Natürlich mit einem rauschenden Fest am 4./5. Mai 2024 im Neubau des Zürcher Kunsthauses! Aber eben auch vorweg mit einem Symposion am 19. Januar 2024 im Google-Gebäude Zürich, an dem wir einen konzentrierten Blick in die Geschichte und Gegenwart unseres Rotary werfen konnten. Und weil alle Speaker wie vereinbart nicht nur eine Rede, sondern auch ein druckfertiges Typoskript mitbrachten, ist das Jubiläumsbuch mit dem Titel «Über die Schwierigkeit, das Gute zu tun. 100 Jahre Service, Business, Freundschaft» (Verlag Rüffer & Rub, 2024) just in time erschienen – genau einen Tag vor dem grossen Fest in Zürich wurde es ausgeliefert...  

Jubiläen bieten die Chance, im Hinblick auf die Geschichte, auf Persönlichkeiten und Kernideen sich zu vergewissern, was in der DNA des Rotary steckt. Diese DNA zeigt ein vielschichtiges, spannendes Bild, das deutlich werden lässt, wie der unglaubliche Erfolg dieses ersten Service-Clubs der Geschichte (nach dem Rotary 1905 folgten die Kiwanis, die Lions) in den USA und das fast explosionsartige Wachstum in (fast) die ganze Welt hinaus mit der Grundidee und den soziologischen, politischen und auch religionskulturellen Veränderungen zu tun hat. Dabei wird verständlich, weshalb in das soziale Vakuum einer dynamisierten Moderne nicht traditionelle christliche Kirchgemeinden und Freimaurer-Logen, sondern Service-Clubs traten, dies, weil in ihnen Elemente einer offenen, christlich inspirierten «civil religion» und Ethik (Service – Dienst an der Gemeinschaft!) sich mit der positiven Einstellung zu einer freien Wirtschaft und zum Business verbanden.

Anfänge in Chicago und in Zürich

Nach einem konzisen Vorwort unserer Präsidentin Monika Rühl wird diese Geschichte lebendig erzählt von Claudia Franziska Brühwiler, Professorin für amerikanische Politik und Kultur an der Universität St. Gallen. Sie evoziert den Kontext der damaligen Zeit um die Jahrhundertwende, beschreibt das kultur- und gesellschaftshistorische Umfeld der amerikanischen Anfänge des Rotary nach 1900 und die Hintergründe des rasanten Wachstums. Man lernt bei Brühwiler auf wenigen Seiten viel über das Chicago der damaligen Zeit, über die Veränderungen in der Small- und Middletown Culture jener Jahrzehnte, sie zeigt, wie der Optimismus des beginnenden «amerikanischen Jahrhunderts» den Elan wirtschaftsnaher Sozialgruppen beflügelte, welche die Rotarybewegung so erfolgreich werden liess. 

Der nächste Beitrag konzentriert sich auf die Geschichte des Rotary Zürich. Thomas Zaugg, ein professioneller Historiker und Spezialist für Schweizer Politikgeschichte, hat aufgrund einer einzigartigen und vollständigen Dokumentensammlung, nämlich der Bulletins unseres Zürcher Clubs von 1924 bis heute, einen lebendigen und quellennahen Essay darüber geschrieben, wer referierte, welche kulturellen und politischen Ereignisse diskutiert wurden, welche Rolle der Amerika-Bezug spielte – ein flüssig zu lesender Text über die Kommunikations- und Diskussionskultur des Clubs.

Rotary und der Nationalsozialismus

Wichtig war uns, keine Nabelschau zu betreiben, sondern die Perspektive zu weiten. Deshalb luden wir mit dem Rotarier Carl-Hans Hauptmeyer einen Geschichtsprofessor aus Hannover ein. Als Co-Autor des Buches »Rotary unter dem Nationalsozialismus« (2019) und als Koordinator der Forschungsinitiative «Rotary in Deutschland von 1920 bis 1950» ist er einer der besten Kenner der Geschichte deutscher Rotary-Clubs. Sein Referat führt sehr eindringlich vor Augen, wie schnell Rotarier bereit waren, ihre Ethik zurückzustellen, sich dem Nationalsozialismus anzupassen und alle jüdischen Mitglieder aus dem Club zu werfen. Hauptmeyer formuliert ein eindrückliches Plädoyer für ein historisches Erinnern, das ohne Verdrängung auch von dunklen Zeiten erzählt. 

Aber Rotary ist nicht nur Historie, sondern auch lebendige Gegenwart: Georg Kohler, Politischer Philosoph und Mitglied des RC Zürich, beschliesst den Band mit seinen Reflexionen über den rotarischen Four-Way Test – das in der  Vierfragen-Probe formulierte Ethos: der Fragen nach der Wahrheit, der Fairness, der Freundschaft und dem Wohl aller Beteiligten. Kohlers Text ist deshalb so wichtig, weil er vor Augen führt, was philosophisches Denken leisten kann: keine Verklärung, sondern nüchterne Analyse und Aufklärung. Er zeigt nämlich, wie grundlegend und zugleich anspruchsvoll die Ethik der rotarischen Vierfragen-Probe ist. 

Porträts führen durch die Jahrzehnte

Eingestreut in unseren Band finden sich zehn knappe Porträts von Zürcher Rotariern, welche die Spannweite des Clubs anhand herausragender Mitglieder zeigt. Für jedes Jahrzehnt steht eine Kurzbiografie mit Foto: Beginnend mit dem Gründungspräsidenten, dem Hotelier Hugo Prager, der eine innovative und hochprofessionelle Kultur des Gastgewerbes aus New York in die Schweiz brachte - und eben auch den Rotary-Club. Danach mit Hermann Sprüngli der Patron der weltberühmten Confiserie- und Chocolatiersunternehmung, worauf man den Flugpionier, Swissair-Mitbegründer und Fotografen Walter Mittelholzer abheben sehen kann. Auf ihn folgen der Fraumünster-Pfarrer und engagierte theologische Publizist Peter Vogelsanger, der bedeutende Germanist und Literaturkritiker der NZZ, Werner Weber, und mit Hans Vontobel ein Banquier und engagierter Stifter (Kreatives Alter und Lyra für begabte junge Musiker und Musikerinnen). Beim Porträt des Kabarettisten Cés Keiser meint man fast «My Sohn, nimm Platz» zu hören... Abgeschlossen wird diese eindrückliche Reihe durch Lebensskizzen von Christian Menn, des weltweit aktiven Ingenieurs und Brückenbauers, von Fritz Gerber, der mit der Zurich und Roche zwei Weltkonzerne leitete, und last not least mit Ulrich Bremi, dem Unternehmer und weitsichtigen Politiker. Diese Reihe markanter, im Zürcher Club aktiver Gestalten zeigt, was Rotary so attraktiv macht, nämlich die Chance, interessante Menschen kennenzulernen. (Und wer fragt: Wo bleiben eure Frauen?! – dem sei geantwortet «Teilnahmebedingung» war eben der Todesschein – und erfreulicherweise sind alle Mitrotarierinnen noch quicklebendig.) 

Mit diesem Buch haben wir versucht, einen offenen und ehrlichen Blick auf die Geschichte unseres Rotary zu werfen, auf seine Stärken und Schwächen. Und wenn ein französischer Linksintellektueller sein Buch über den vermeintlichen «Verrat» seiner Achtundsechzigerfreunde «Du col Mao au Rotary Club» betitelt - so wäre die hier vorgeschlagene Perspektive: Die ex-maoistischen Freunde jenes Autors, die dann in Ministerien und Unternehmungen erfolgreich wurden, haben grad noch rechtzeitig die Kurve aus dem linken Sektenwesen geschafft, weg vom Mao-Kragen…

Ein Geschenk zu 100 Jahren Rotary Schweiz

Das Jubiläumsbuch des Rotary Club Zürich wird am Jubiläumsanlass zu 100 Jahren Rotary Schweiz/Liechtenstein vom 22. Juni in Bern in Deutsch, Französisch und Italienisch verschenkt (ein Exemplar pro Person oder Paar). Wer sich zum Jubiläumsanlass im Kursaal Bern mit vielen Highlights und festlichem Dinner noch anmelden möchte, hat hier die Möglichkeit dazu.


«Über die Schwierigkeit, das Gute zu tun. 100 Jahre Service, Business, Freundschaft», ist im Verlag Rüffer & Rub erschienen