Berufsdienst reloaded

miércoles, 9 de julio de 2025

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Berufliche Bildung fördern, Verantwortung übernehmen, Chancen schaffen: Das ist Berufsdienst. Was nach Pflicht klingt, wurde beim grossen Wettbewerb im Frühling zum Glanzstück rotarischen Engagements.

Berufsdienst, das klingt nüchtern, fast bürokratisch. Doch hinter diesem Begriff verbirgt sich eine der ursprünglichsten Ideen von Rotary: die Verbindung von beruflicher Kompetenz und gesellschaftlicher Verantwortung. Wer seinen Beruf mit Sinn füllen will, findet im Berufsdienst ein rotarisches Werkzeug, das genau dafür geschaffen wurde – und das heute aktueller ist denn je.

Ein eindrucksvolles Beispiel dafür lieferte im April ein internationaler Wettbewerb, der vom «Arbeitskreis Werte-Bildung-Beruf» (kurz: AK WBB) organisiert wurde. Dieser Zusammenschluss von Rotariern aus 18 deutschsprachigen Distrikten – darunter Deutschland, Österreich und die Schweiz – setzt sich für die Förderung des Berufsdienstes ein. Ziel des Wettbewerbs: herausragende Projekte sichtbar machen, die junge Menschen für eine berufliche Ausbildung begeistern.

Rund 80 Clubs reichten ihre Initiativen ein. Die zehn überzeugendsten wurden von einer Jury ausgewählt und am 5. April 2025 in einer Finalrunde, teils online und teils vor Ort, präsentiert. Die Abstimmung erfolgte demokratisch: Rotarierinnen und Rotarier aus allen Distrikten konnten per Stimme ihren Favoriten wählen.

Der Sieger? Ein Projekt aus der Schweiz: ROBIJ.

«Rotarier für die berufliche Integration von benachteiligten Jugendlichen», kurz: ROBIJ, ist ein Gemeinschaftsprojekt mehrerer Rotary Clubs aus dem Kanton Zürich. Es richtet sich an Jugendliche mit Migrationshintergrund, insbesondere an junge Geflüchtete, die aufgrund sprachlicher Hürden oft von wichtigen beruflichen Einstiegsmöglichkeiten ausgeschlossen bleiben. Die Idee von ROBIJ ist ebenso einfach wie wirkungsvoll: Berufserkundungstage in Unternehmen, mit möglichst wenig Sprache, dafür mit umso mehr praktischem Erleben.

«Unsere Teilnehmer sind hochmotiviert, aber oft ohne Chance», erklärt Marianne Hopsch, die Initiatorin von ROBIJ. «Sie müssen die Berufswelt sehen, anfassen, spüren können, auch wenn sie die Sprache noch nicht perfekt beherrschen.» Die Rückmeldungen aus den Unternehmen sind durchweg positiv: Ausbildungsbetriebe lernen engagierte junge Menschen kennen, es entstehen direkte Kontakte und neue Brücken zwischen Betrieben und Integrationsakteuren.

Die Stärke des Projekts liegt in seiner Niederschwelligkeit. Es braucht keine perfekten Lebensläufe, keine ausformulierten Bewerbungen. Stattdessen zählt der persönliche Eindruck: der Blick in die Werkstatt, das Gespräch mit dem Lehrmeister, der direkte Kontakt. ROBIJ ermöglicht genau das und schafft auf diese Weise Chancen, wo vorher Barrieren waren.

Dass auch das zweite Schweizer Projekt überzeugen konnte, ist ein starkes Zeichen für den Berufsdienst «made in Switzerland». Unter dem Titel «Rotary und SwissSkills» hatte der Distrikt 1980 ein Projekt ins Leben gerufen, das sich der Berufsbildung in einem grösseren Rahmen widmet. Ziel ist es, Jugendlichen den Reichtum und die Attraktivität handwerklicher, technischer und künstlerischer Berufe näherzubringen – mit SwissSkills als Plattform.

SwissSkills ist eine nationale Grossveranstaltung, bei der junge Berufsleute ihr Können öffentlich zeigen – «eine Art Schaufenster der dualen Berufsbildung», wie Christine Davatz, erfahrene Rotarierin und langjährige Fürsprecherin der Berufsbildung, es nennt. Rotary Clubs können hier auf vielfältige Weise anknüpfen: durch die Unterstützung von Schulklassen bei einem Besuch, durch Vorträge mit lokalen Lehrbetrieben oder durch das Sponsoring junger Talente.

«Wenn Rotary sich hier engagiert, entstehen starke Netzwerke zwischen Schulen, Unternehmen und engagierten Rotariern», so Davatz. Dass ihr Projekt beim Wettbewerb den vierten von mehr als 80 Plätzen erreichen konnte, freut die ehemalige Governorin ausserordentlich. Und noch etwas gibt Anlass zur Freude: Ebenso wie der Verein Visite und das Jugendprojekt LIFT wird auch «Rotary und SwissSkills» in den kommenden drei Jahren besondere Unterstützung finden; dies hat die Berufsdienstkommission des Distrikts 1980 beschlossen.  

Beide Schweizer Projekte zeigen, wie vielfältig der Berufsdienst bei Rotary gelebt werden kann. Mal steht die individuelle Förderung im Zentrum – wie bei ROBIJ, mal geht es um strukturelle Sichtbarkeit und Wertschätzung – wie bei den SwissSkills. Immer aber geht es darum, Verantwortung zu übernehmen, junge Menschen zu begleiten und ihnen Perspektiven zu eröffnen – durch direkte Unterstützung, durch gute Beispiele, durch Strukturen, die tragen.

Doch zurück zum Berufsdienst. Als einer der fünf Dienstzweige von Rotary International ist er tief in der Geschichte der Organisation verankert. Schon bei der Gründung im Jahr 1905 war die Idee zentral, den eigenen Beruf nicht nur zur persönlichen Existenzsicherung, sondern auch zum Nutzen der Gesellschaft einzusetzen. Wer beruflich erfüllt sein will, weiss: Erfüllung entsteht oft erst durch Sinn. Genau da setzt Rotarys Berufsdienst an.

Im deutschsprachigen Raum, und besonders in der Schweiz, spielt dieser Dienstzweig seit jeher eine wichtige Rolle. Zur 100-Jahr-Feier von Rotary Schweiz/Liechtenstein fand ein grosser, gemeinsamer Berufsdienst-Anlass der drei Schweizer Distrikte statt. Der nächste ist bereits in Planung: Am 20. September 2025 werden die Rotary Clubs im Rahmen der SwissSkills in Bern erneut sichtbar machen, was Berufsdienst heute bedeutet – mit einer Präsenz vor Ort, mit Beispielen aus der Praxis, mit Gesprächen, Begegnungen und neuen Ideen.

Der Arbeitskreis Werte-Bildung-Beruf, der all dies mitträgt, ist dabei weit mehr als ein internes Gremium. Er ist eine Plattform für Austausch und Innovation, für Inspiration und Qualität. Die neu geschaffene Website www.berufsdienst.org dokumentiert die Vielzahl an Projekten, Ideen und Materialien, die Clubs im Bereich Berufsdienst entwickeln. Sie ist ein wahrer Fundus für alle, die den Weg nicht neu erfinden, aber weiterführen wollen.

Am Ende geht es immer um dasselbe: jungen Menschen Perspektiven geben, berufliche Wege eröffnen, Verantwortung ernst nehmen. Und Rotary bleibt damit dem treu, was von Anfang an Teil seiner DNA war: dass der Beruf nicht nur Arbeit ist, sondern auch ein Angebot an die Gesellschaft.

Beruf? Erfüllung? Im rotarischen Berufsdienst ist dies kein Gegensatz. Es ist ein Versprechen.


Einblicke statt Zeugnisse: Berufserkundungstag im Rahmen von ROBIJ (Foto: ROBIJ)