Vom 25. bis 28. September zeigte der Fusion Summit in Brüssel, wie aus Ideen Taten werden – über Grenzen hinweg, mit Fokus auf Frieden, Polio und Nachhaltigkeit.
Rund 1400 Teilnehmer setzten dabei ein klares Signal: Wirkung entsteht dort, wo Werte, Finanzierung und lokale Verantwortung zusammenfinden – und wo Rotary Partner aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft an einen Tisch holt. Zwischen Europaparlament und Königspalast, im SQUARE Brussels Meeting Centre, trafen sich Rotarierinnen und Rotarier aus Europa, dem Nahen Osten und Afrika – mit einem klaren Anspruch: Barrieren überwinden, Brücken bauen.
Noch vor dem offiziellen Start empfing der belgische König die Gipfel-Organisatoren – symbolisch für Rotarys Sichtbarkeit im öffentlichen Raum. In der Eröffnung knüpfte Gastgeber Alain van de Poel, RI-Vizepräsident und Zonendirektor, daran an und beschrieb Rotary als «Macher- und Ermöglicher-Netzwerk». RI-Präsident Francesco Arezzo formulierte den Call to Action: Frieden brauche aktive Architekten, keine Zuschauer. «Unite for good» sei kein Slogan, sondern ein Arbeitsauftrag, getragen von verlässlichen Partnerschaften, die weit über die Mitgliedschaft hinausreichen.
Im Eröffnungsblock spannten weitere RI-Repräsentanten den Bogen von Vision zu Umsetzung, während lokale Stimmen – etwa der Brüsseler Bürgermeister Philippe Close – verdeutlichten, warum die Stadt mit ihren kurzen Wegen zwischen Zivilgesellschaft und Entscheidungsebenen die richtige Bühne für eine Veranstaltung dieser Tragweite sei.
Visionen, Werte, Verantwortung
Wie vielfältige Gesellschaften zusammengehalten werden, zog sich als Leitmotiv durch den ersten Themenblock. Eine Hochschulstimme aus Afrika erinnerte daran, dass in heterogenen Staaten Ethnien, Religionen und Sprachen nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen; Integration sei kein Sprint, sondern Systemarbeit. Aus medizinischer Perspektive kam der Impuls, geheilten Krebspatienten ein «Recht auf Vergessen» zuzugestehen: Wer stigmatisiert wird, verliert Chancen, besonders junge Menschen. Aus der internationalen Zusammenarbeit folgte der nüchterne Blick auf Demografie und Ökonomie: Afrika wächst, Europa altert; die Zusammenarbeit wird sich verschieben, Verantwortung wird neu verteilt.
Frieden wurde konsequent als Querschnittsaufgabe verhandelt. Sicherheit ist mehr als die Abwesenheit von Krieg: Sie braucht Zugang zu Bildung und Arbeit, soziale Stabilität, Teilhabe. RI-Generalsekretär John Hewko ergänzte die globale Perspektive: Ressourcenknappheit, Klimawandel und Migration zeichnen neue Konfliktlinien. Antworten liegen auf der Hand – Wasserprojekte, Kreislaufinitiativen, Küstenschutz –, doch sie müssen breiter gedacht werden. Eine Sport- und Sozialinitiative aus Nordafrika lieferte das anschauliche Beispiel: Integration gelingt, wenn Menschen im Alltag zusammenkommen – im Quartier, in der Schule, auf dem Sportplatz.
Zivilgesellschaftliche Organisationen setzten zusätzliche Zeichen. Juristisch argumentiert wurde, Umwelt- und Gesundheitsfragen nicht zu trennen: Wenn Lebensgrundlagen zerstört werden, ist das eine Menschenrechtsfrage. Die Tech-Perspektive drehte den Spiess um: Technologie ist nicht Lösung per se, sie wird erst durch ethische Leitplanken zum Gemeinwohlinstrument.
Gesundheit stand prominent auf der Bühne, insbesondere Polio. Forschung und Praxis, Regulierung und Entwicklungszusammenarbeit zeichneten ein realistisches Bild: Die Zahl der gemeldeten Fälle ist gesunken, gleichzeitig wurden in mehreren Ländern impfstoff-abgeleitete Poliofälle detektiert. Der Schutz entsteht nicht im Ausnahmezustand, sondern durch konsequente Impfungen in den vorgesehenen Zeitfenstern, robuste Lieferketten und verlässliche Datensysteme. Hinzu kam ein Argument, das über Polio hinausweist: Strukturen, die für die Ausrottung aufgebaut wurden, stützen auch den Kampf gegen Malaria, Typhus oder Tuberkulose.
Projekte, Praxis, Partnerschaft
Wirkung misst sich an Ergebnissen und an der Fähigkeit, erfolgreiche Ansätze zu skalieren. Das Seminar zur Rotary Foundation rückte genau diese Übersetzungsleistung ins Zentrum: von der Idee zur Struktur, vom Pilotprojekt zur Politik. Ein Ansatz wird lokal evidenzbasiert erprobt, evaluiert und erst dann systematisch in weitere Regionen übertragen – oft mit staatlicher Mitwirkung. Beispielhaft stand das Feld der Müttergesundheit: Wo werdende Mütter rechtzeitig Kliniken erreichen, sinkt die Mortalität dramatisch. Wenn öffentliche Träger funktionierende Modelle übernehmen, entsteht aus Projektarbeit Infrastruktur.
Die Finanz-Panels rückten die Frage nach belastbarer Finanzierung ins Licht: Impact-Kapital, solide Planung, transparente Wirkungsmessung. Dabei zeigte sich, wie Mikrokredite Frauen wirtschaftliche Eigenständigkeit ermöglichen und lokale Wertschöpfungsketten stabilisieren können. Ein zweiter Hebel: digitale Formate wie Mentoring und Coaching. Expertise ist in vielen Projekten die knappste Ressource. Wer Wissen teilt, skaliert Wirkung ohne hohe Fixkosten.
Auch Umwelt- und Biodiversitätsthemen wurden in Brüssel thematisiert. Ein grosser Naturschutzverband skizzierte, wie Flussreinigung, Wiedervernässung und Habitat-Rekultivierung ineinandergreifen – und warum Qualifizierung, etwa von Frauen in der Landwirtschaft, Teil des ökologischen Wandels ist. Für Rotary Clubs eröffnet das konkrete Anknüpfungspunkte: lokale Massnahmen mit globaler Agenda verknüpfen, Partnerschaften mit Fachorganisationen eingehen, Wirkung messbar machen. Naturschutz ist damit nicht nur «grünes Add-on», sondern Friedensarbeit im besten Sinn. Wer Lebensgrundlagen schützt, entschärft Konfliktpotenzial.
Über alle Blöcke hinweg blieb Polio der rote Faden. Immer wieder tauchte das Bild der «olympischen Disziplin» auf: Die letzten Meter sind die härtesten. Diskutiert wurden Verfügbarkeit von Impfstoffen, die Sicherung von Forschung und die Frage, wie Produktionskapazitäten näher an die Bedarfsländer rücken können. Dahinter steht die strategische Überlegung, Abhängigkeiten zu reduzieren und Resilienz zu erhöhen – technisch, finanziell, personell.
Frische Impulse kamen von Fusion OFF, der Bühne für eine neue Generation von Führung, Unternehmertum und Innovation. Ein Konzert zeigte, wie Kultur Brücken schlägt; Gründer erzählten, wie man aus Rückschlägen tragfähige Geschäftsmodelle formt. Aus der Medtech-Ecke kam der Ruf, Versorgung neu zu denken: mit Prävention, Datenkompetenz, Patientenwohl im Fokus. Und aus der Tech-Runde der vielleicht unbequemste Auftrag an Rotary selbst: mehr Projektberichte veröffentlichen! Künstliche Intelligenz kann nur das abbilden, was sichtbar ist. Wer Wirkung zeigt, prägt die Wahrnehmung der Organisation.
Am Ende lässt sich der Geist der vier Tage in drei Sätzen bündeln. Erstens: Werte sind kein Vorwort, sondern ein Arbeitsauftrag. Zweitens: Wirkung entsteht, wenn Finanzierung, Expertise und lokale Ownership zusammenpassen. Und drittens: Zukunft heisst Kooperation – mit Rotary als verlässlichem Brückenbauer zwischen Wissenschaft, Behörden, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.
Das nächste Institut für die Region Europa findet 2026 in Rotterdam statt, ein Action Summit lockt zudem nach Palanga (Litauen).