Botschafterin der Schweizer Gaumenfreuden

Monday, March 17, 2025

Denise Lachat

Fabienne Porchet blickt auf 40 Jahre Tourismusentwicklung in der Region Glâne und Gruyères zurück. Die Direktorin des Maison du Gruyère ist Rotarierin im RC Romont und hat schon früh den Wert eines Serviceclubs für die Gesellschaft erkannt.

Die Touristen sind früh aufgestanden, um sich auf dem Bahnsteig des Bahnhofs Romont FR einzufinden. Sie werden mit dem Zug von der mittelalterlichen Stadt mit ihrem Museum der Glaskunst mitten in eine der Regionen, die zu den stärksten Imageträgerinnen der Schweiz gehören, fahren: In Broc wartet die Schokoladenfabrik Cailler auf Liebhaber süsser Köstlichkeiten, in Pringy-Gruyères kommen Fans von herzhafteren Speisen auf ihre Kosten. Wir treten über die Schwelle jenes Hauses, das ganz diesem symbolträchtigen, weltweit bekannten Käse gewidmet ist.

Fabienne Porchet, Rotarierin des RC Romont, leitet das Maison du Gruyère seit fast 16 Jahren mit wachsendem Erfolg, wie die jährlich steigende Besucherzahl zeigt. Im Sommer sind die Warteschlangen mittlerweile schier endlos. Fabienne seufzt: Sie wartet ungeduldig auf die Aufhebung der Einsprachen, um endlich die Modernisierung und Erweiterung dieses touristischen Ausflugsziels realisieren zu können, das im Jahr 2024 mehr als 190000 Menschen angezogen hat. Rund ein Drittel davon kommen aus der Schweiz, 40 % aus Europa und die anderen aus Übersee.

Anfang am SBB-Schalter

Man kann sich nur schwer vorstellen, dass die Stadt Romont erst 1987 ein Tourismusbüro eröffnet hat! Fabienne kennt sich gut aus in der Entwicklung des Tourismus in diesen sanften Hügeln, die sich nach und nach auf der Karte der Attraktionen positioniert haben. Bevor sie 20 Jahre lang im Tourismusbüro arbeitete, war sie am Schalter der SBB am Bahnhof Romont angestellt. Damals war sie 20 Jahre alt. „Da wurde mir klar, wie interessant die Region, in der ich aufgewachsen bin, für Touristen ist. Da es damals noch kein Tourismusbüro gab, kamen die Touristen an den SBB-Schalter, um sich zu erkundigen. Manchmal habe ich sie sogar durch meine Stadt geführt.“

Dieses ehrenamtliche Engagement setzte sich später sogar für das Tourismusbüro fort. Fabienne würde beinahe von einem sozialen Engagement sprechen, da es das Budget nicht erlaubte, so viele Veranstaltungen von professionellen Mitarbeitenden betreuen zu lassen. Zu dieser Zeit lernte sie auch den Wert des gesellschaftlichen Engagements durch ihren ersten Service-Club kennen: Die Junge Wirtschaftskammer half bei der Entwicklung von Veranstaltungen, die das Tourismusbüro nicht alleine hätte tragen können, und finanzierte Aktionen wie das Anlegen von Mountainbike-Strecken in der Region Glâne. Demselben Geist folgend trat sie 2013 Rotary bei. „Rotary bietet mir die Möglichkeit, mich für die Gemeinschaft zu engagieren.“

Aber zurück zum Maison du Gruyère, wo Touristen dank der Erklärungen der Kuh Cerise, die auf dem Audioguide in 13 Sprachen und auf Papier in 10 weiteren Sprachen verfügbar sind, die einzelnen Schritte der Käseherstellung verfolgen können.

Fabienne, das Maison du Gruyère zeigt uns grüne Wiesen, schöne, blitzsaubere Kühe, eine Fülle von Blumen, Milch, die in Käseformen strömt, und schliesslich die imposanten Käselaibe im Keller. Ist das nicht ein bisschen zu klischeehaft für das Image der Schweiz, fernab von der Realität der Mehrheit ihrer Bevölkerung?

Man darf nicht vergessen, dass viele Menschen bäuerliche Wurzeln haben und dass ihre Grosseltern oder sogar ihre Eltern von der Landwirtschaft gelebt haben. Auch heute noch fühlen sie sich zu Naturprodukten hingezogen, und es besteht ein Interesse an lokalen Produkten und kurzen Lieferketten. Natürlich ist das Bild idyllisch, aber La Maison du Gruyère ist nicht in diesem Bild gefangen.

Was meinst du damit?

Das Gebäude ist eher in zeitgenössischem Stil gehalten, und es beherbergt keine Attrappe einer Sennhütte, sondern eine echte Käserei aus dem Jahr 1969. Die Schaukäserei in Pringy war die allererste in der Schweiz. Dies entsprach dem Willen des Bundesrates nach der Expo 1964, die auf Modernität ausgelegt war. Auch wir sind bereit, den Standort zu modernisieren und eine neue Museografie einzuführen. Die Pläne existieren bereits seit 2017, und es fällt mir schwer, auf die Aufhebung der Einsprachen und das grüne Licht der Behörden warten zu müssen.

Wie kommt es, dass der Gruyère auf der ganzen Welt so berühmt ist?

Der Gruyère wurde schon sehr früh nach Europa exportiert, bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts. In dieser Zeit schloss Frankreich auf der Suche nach Söldnern ein Abkommen mit den Kantonen Waadt und Freiburg, die im Austausch gegen Männer das Recht auf Handel erhielten. Wein für die Waadt und Käse für Freiburg. Die Söldner im Dienste des französischen Königs trugen zur Entwicklung der Route du Gruyère bei. Der Käse wurde in mit Stroh ausgekleideten Fässern über den Jamanpass bis hinunter ans Seeufer in Vevey transportiert. Dort wurden die Fässer auf Boote verladen, die die Rhône hinunter in Richtung Lyon (F) fuhren. Im 18. Jahrhundert gab es Gruyère in den französischen Kolonien in Amerika, in England und im Osmanischen Reich. Die Archive erwähnen die Verwendung von Milch zur Herstellung von Käse in der Region bereits im Jahr 1115, aber es handelte sich dabei um Frischkäse. Die Herstellung eines Hartkäses, ähnlich dem heutigen Gruyère AOP, ist seit Beginn des 15. Jahrhunderts belegt. Im Jahr 1762 wurde der Begriff Gruyère in das Wörterbuch der Académie française aufgenommen.

Wird Gruyère auch anderswo als in der Schweiz hergestellt?

Ja, aber seit 2001 ist die Marke geschützt. Man muss wissen, dass viele Freiburger zu Beginn des 19. Jahrhunderts ausgewandert sind, um der Hungersnot zu entkommen, und sich in Kanada oder Lateinamerika niedergelassen haben, wie zum Beispiel Nova Friburgo in Brasilien zeigt. Das Rezept für Gruyère haben sie mitgenommen. Die Branchenorganisation Gruyère wollte die Marke wieder selbst in die Hand nehmen und hat insbesondere ein Pflichtenheft erstellt. Gruyère AOP kann nach einem traditionellen Rezept im Bezirk Gruyères im Kanton Freiburg, aber auch in den Kantonen Waadt, Neuenburg, Jura und in einigen Berner Gemeinden hergestellt werden. Um einen Gruyère AOP herzustellen, müssen 70 % der Nahrung der Kühe auf dem Betrieb produziert werden, Futtermittel aus Silage sind nicht erlaubt, und die Käserei darf nicht weiter als 20 km vom Melkort entfernt sein. Die kontrollierte Ursprungsbezeichnung (AOC) wurde 2001 für die Schweiz anerkannt, die geschützte Ursprungsbezeichnung (AOP) für ganz Europa folgte im Jahr 2011.

Und was bedeutet Gruyère-Käse für dich persönlich?

In meiner Familie kam Gruyère immer auf den Tisch. Mein Vater hat ihn übrigens jeden Morgen mit Konfitüre gegessen. Mir hat das nicht geschmeckt, aber heute mache ich es genauso! Er fehlt so gut wie nie in meinem Kühlschrank.

Im Restaurant des Maison du Gruyère sieht man asiatische Touristen fröhlich Käseschnitten und Fondue essen – können sie diese Gerichte überhaupt verdauen?

Ja, auf jeden Fall! Der Gruyère enthält keine Laktose, da diese beim Pressen wegfällt. Das gilt auch für reifen Vacherin. Das Fondue macht also niemanden mit Laktoseintoleranz krank.

Der Werdegang einer Frau

Fabienne Porchet ist eine Direktorin, die ganz selbstverständlich mit anpackt und sich mit Leib und Seele für dieses Haus einsetzt: Sie begleitet uns auf dem Rundgang durch die Ausstellung und setzt hier einen Deckel wieder auf, richtet dort ein Plakat zurecht, lässt ihren Blick über die Produkte im Marché gruérien schweifen. Dieses praxisorientierte Verhalten spiegelt auch den Lebensweg einer Frau wider, die ihre beiden Kinder in jungen Jahren bekam und sich in ihrem ursprünglichen Beruf nicht weiterentwickeln konnte: Die SBB erlaubte Frauen keine Teilzeitarbeit! Für ihre Tätigkeit im Tourismusbüro in Romont belegte sie Kurse in Kunstgeschichte, für das Maison du Gruyère, wo sie zunächst im Marketing anfing, dann die Leitung des Hauses und schlussendlich die Geschäftsführung inklusive der Finanzen übernahm, nahm sie auch einen Wirtekurs für den Fall, dass sie eines Tages das Restaurant leiten müsste.

Bereits in jungen Jahren, als ihr ehemaliger Chef bei den SBB sie die Durchfahrt eines Zuges regeln liess, obwohl diese Tätigkeit Männern vorbehalten war, zögerte sie nicht, während der intensiven Saison des Vacherin Mont d'Or auf ihrem Motorrad von Vallorbe nach Le Pont VD zu fahren, um den letzten Abendzug passieren zu lassen. Fabienne erlebte so ein Gefühl der Freiheit, während der Stationsvorsteher seine Arbeitszeit einhalten konnte. 

Ihr Interesse am Tourismus und ihre Reiselust wurden von ihrem Onkel väterlicherseits geweckt, einem Orchideenliebhaber, der viel reiste und mit seinen Filmen Exotik in Fabiennes Kindheit brachte. Fabienne reiste später selbst viel und ergänzte ihre Kenntnisse der deutschen Sprache, die sie während ihrer Internatsjahre im deutschsprachigen Teil Freiburgs gelernt hatte, durch Sprachkurse in Englisch und Spanisch. In der Gourmetwelt des Gruyère kann sie ihr gesamtes Können voll zur Geltung bringen.

Am Wochenende vom 2. bis 4. Mai 2025 feiert La Maison du Gruyère übrigens bereits ihr 25-jähriges Bestehen mit zahlreichen Veranstaltungen.

https://www.lamaisondugruyere.ch/homepage-de/

Rot. Fabienne Porchet mit einem künstlichen Gruyère-Käselaib in der Ausstellung