Ein Jahr in der Fremde prägt. Beim «Returnee-Weekend» der Rotary-Austauschschüler zeigte sich, wie sehr junge Menschen daran gewachsen sind – und wie anders ihnen die Heimat nun scheint.
Sie sind wieder da – die Outbounds. Junge Menschen, die für ein Jahr ihre Komfortzone weit hinter sich gelassen haben, um als Rotary Youth Exchange Students die Welt zu entdecken – und sich selbst. Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren, die in einem anderen Land gelebt, gelernt, gefühlt, gefroren oder geschwitzt haben. Zurück aus den USA, Kanada oder Australien, wo auf den ersten Blick vieles vertraut wirkt – und doch ganz anders ist. Oder heimgekehrt aus Japan, Taiwan, Chile oder Brasilien, aus Kulturen, die zu Beginn fremd und herausfordernd erschienen und in denen dennoch eine neue Heimat auf Zeit entstanden ist.
Am «Returnee-Weekend» im September begegneten sich diese Jugendlichen nach einem Jahr wieder. Ihre Geschichten und ihre Reife beeindrucken jedes Mal aufs Neue. Sie berichten von einem Alltag, der nichts mit Ferien zu tun hatte: davon, dass man in Japan beim Frühstück schweigt, von Schuluniformen in Taiwan, vom lebendigen Familienleben in Chile, von neuen Freundschaften in Kanada, davon, dass in Brasilien anders gelacht wird – und vom Kulturschock, den selbst ein Jahr in einem europäischen Land mit sich bringen kann.
Die Outbounds lernen, mit Unsicherheit umzugehen, sich selbst zu organisieren, Fehler zu machen und trotzdem weiterzugehen. Sie erfahren, dass Vertrauen nicht selbstverständlich ist, sondern verdient werden muss. Und sie entdecken, dass ein offenes Herz manchmal mehr bewirkt als perfekte Sprachkenntnisse. Oft erleben sie, wie verbindend Gastfreundschaft sein kann – und dass Kultur weit mehr umfasst als Sprache und Essen. Es geht um Werte, um Haltung, um kleine Gesten, die zeigen, wie unterschiedlich Menschen denken und fühlen.
Und dann folgt der zweite Kulturschock: die Rückkehr in die Schweiz. «Zurück in den Schoss der Mutter», wie es eine Outbound einmal scherzhaft formulierte. Wieder zu Hause, das plötzlich so fremd wirkt, mit alten Gewohnheiten und vertrauten Strukturen. Wieder in einem Schulhaus, das sich in einem Jahr kaum verändert hat, bei Freunden, die denselben Alltag leben, während man selbst ein völlig neues Leben erfahren hat. Eine Rückkehr in die Heimat – mit neuen Augen.
Genau an diesem Punkt stellt sich die entscheidende Frage: Wie kann Rotary dieses Potenzial nutzen? Ein Heimkehrer bringt eine Haltung mit, die Rotary seit jeher prägt – Offenheit, Toleranz und den Wunsch, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Vorurteile zu hinterfragen, Vielfalt zu leben und Brücken zu bauen.
Einige der ehemaligen Outbounds engagieren sich nach ihrer Rückkehr bei Rotex und geben ihre Erfahrungen an neue Austauschschüler weiter. Manche finden den Weg zu Rotaract und bleiben Teil der rotarischen Familie. Doch viele geraten aus dem Blickfeld – obwohl sie bereits mit 18 Jahren das verkörpern, was Rotary im Kern ausmacht.
Es wäre spannend, ihnen in zehn Jahren wieder zu begegnen – um zu erfahren, wie dieses Jahr ihr Denken, ihr Handeln, vielleicht sogar ihr ganzes Leben geprägt hat. Denn wer die Welt einmal mit offenen Augen gesehen hat, sieht sie nie mehr gleich.