Engagement für Chancengleichheit – PDG Claudia Hendry im Interview

Wednesday, December 28, 2022

Verjüngung und Modernisierung sind zwei Themen, die Rotary aktuell sehr beschäftigen, denn ausser im asiatischen Raum stagnieren die Mitgliederzahlen oder sind sogar rückläufig. Im Jahr 2019 hat Rotary International eine DEI-Erklärung (Diversity, Equity and Inclusion) erneut bekräftigt, weil wir diese Prinzipien «vorleben und in alles einbeziehen sollen, was wir bei Rotary tun». Claudia Hendry (RC Ufenau) ist Vice Chair der Rotary Convention 2023 in Melbourne und war die erste Frau im Amt des Governors im Distrikt 2000. Seit vielen Jahren setzt sie sich für Chancengleichheit ein. Wir haben uns mit ihr über dieses Thema unterhalten und haben die Gelegenheit auch genutzt, etwas über die Rotary Convention in Melbourne zu erfahren.

Claudia Hendry, Sie waren die erste Frau, die das Amt des Governors im Distrikt 2000 übernommen hat (Jahr 2013/14). Wie haben Sie das geschafft?

Das Amt des Governors habe ich selbst nie ins Auge gefasst. In meinem Club das Amt der Präsidentin nebst anderen Funktionen einmal zu übernehmen, war für mich klar. Als ich dann angefragt wurde, ob ich das Amt des Assistant Governors ausüben würde, musste ich mir bereits überlegen, wie ich das mit meinen beruflichen Verpflichtungen vereinbaren kann.

PDG Claudia Hendry setzt sich stark für die Chancengleichheit aller Menschen ein.

Schliesslich wurde ich auch für das Governoramt angefragt, was mich zuerst einmal leer schlucken liess. Einerseits fordert das Governoramt ein hohes zeitliches Engagement, ich musste meine Firma auf 10 bis 20 Prozent herunterfahren. Andererseits brauchte es auch etwas Mut, als erste Frau das Amt zu übernehmen. Mir ging es allerdings nie darum, ob jemand ein Mann oder eine Frau ist, sondern vielmehr, dass alle Menschen die gleichen Chancen haben sollen, und so ergriff ich die Chance, mich als Governor rotarisch intensiv zu engagieren. Meine Clubmitglieder und mein Mann haben mich dabei tatkräftig unterstützt.

Wie waren die Reaktionen in den Clubs auf Sie als Governor?

Einige Clubs waren etwas misstrauisch und fragten mich, ob ich nun grosse Veränderungen anstossen möchte. Meine Antwort war stets, dass sich die Clubs selbst reflektieren sollen. Es geht in erster Linie um das Engagement und dass das Clubleben für die Mitglieder stimmt. Vor allem die jungen Mitglieder hatten Freude, denn ich war damals eine der jüngsten Governors weltweit. Bei einigen meiner Clubbesuchen war die Präsenz sehr hoch, da die Mitglieder neugierig waren, wie eine Frau das Amt handhabt. Es ist wie im Berufsleben, Kompetenz und Persönlichkeit zählen und gemischte Teams sind erfolgreicher. Als Governor kann man auf eine grossartige und diverse Distrikt-Crew zählen.

Was war Ihre Message als Governor?

Tradition und Moderne – Traditionen mitnehmen und offen sein für das Moderne. Ich finde es grossartig, was wir mit Rotary bereits erreicht haben. Damit wir eine Zukunft haben, sollten wir offen bleiben für neue Themen, neue Clubmodelle. Eine Durchmischung von Tradition und Moderne, Alt und Jung, den Geschlechtern und verschiedenen beruflichen Hintergründen finde ich sehr wertvoll.

Wie hat Ihnen Ihr beruflicher Hintergrund geholfen?

Ich habe lange in der Finanzbranche gearbeitet, einer Männerdomäne. Oft war ich die einzige Frau in Meetings. Ich habe nicht immer Gleichbehandlung erfahren. Bereits damals war es mir wichtig, zu zeigen, dass auch Frauen die nötigen Kompetenzen haben und berufliche Chancen ergreifen, wenn sie sich bieten. Prägend war auch meine Jugend. Meine Eltern arbeiteten für die Swissair, was mir schon früh das Privileg verschaffte, zu reisen und verschiedene Kulturen kennenzulernen. Das führte dazu, dass ich auch in einem internationalen Umfeld einen Beitrag zur Chancengleichheit leisten möchte.

Die Rotary International Convention 2023 in Melbourne bietet die beste Gelegenheit, internationale Kontakte zu knüpfen.

Werden die Themen Diversität, Gleichbehandlung und Inklusion auch an der Rotary Convention in Melbourne zu spüren sein?

Auf jeden Fall, denn sie sind auch unserer aktuellen Weltpräsidentin, Jennifer Jones, ein grosses Anliegen. Zu viel darf ich vom Programm nicht verraten, aber ich gebe gerne ein Beispiel: Die rund 85 Breakout Sessions werden zu verschiedenen Themen angeboten, unter anderem auch zu diesen dreien. Was ich persönlich zudem sehr spannend finde, ist, dass diese Sessions von Rotarierinnen und Rotarier aus diversen Ländern und mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen moderiert werden.

Das Motto der Convention heisst «What’s next», was bedeutet das genau?

Es spielt einerseits auf künftige Projekte an, andererseits auch auf die Entwicklung der Organisation selbst. Mit der Änderung, dass Rotaract eine Form der Mitgliedschaft und kein Programm mehr von Rotary ist, haben wir aus meiner Sicht bereits einen wichtigen Schritt getan. Zudem hat Corona uns als Organisation stark gefordert und Stärken wie auch Potentiale aufgezeigt. Wir stehen mitten im Prozess.

Welches sind Ihre Top drei der Gründe für den Besuch der Convention?

Die erste Convention, die ich besuchte, fand in Lissabon statt und das war, bevor ich Governor wurde. Mich hat insbesondere die Internationalität, das Knüpfen von persönlichen Kontakten für Projektpartner und die Möglichkeiten der eigenen Weiterentwicklung besonders beeindruckt, und das sind auch gute Gründe, an der Convention in Melbourne teilzunehmen. Es werden zudem grossartige Referenten und Kunstschaffende auftreten.

Welche konkreten Tipps können Sie einer Rotarierin und einem Rotarier mitgeben, um im eigenen Club für mehr Vielfältigkeit, Gleichbehandlung und Integration zu sorgen?

Eine wichtige Frage sollten wir uns immer wieder stellen: Wie können wir den Kontakt zur jungen Generation fördern? Naheliegend sind beispielsweise Rotaract und Teilnehmende des Jugendaustauschs. Es ist wichtig, Programme wie z.B. RYLA, Jugendaustausch für junge Generationen zu fördern und den Kontakt zu den Teilnehmenden aufrecht zu erhalten. Wenn wir den Kontakt zu jungen Generationen pflegen, könnten dies auch künftige Rotary-Mitglieder werden. Früher war es übrigens ein ungeschriebenes Gesetz, dass man erst ab 40 Mitglied werden konnte. Interessanter Fakt: Paul Harris war bei der Gründung von Rotary 36 Jahre jung.

Jedem Menschen offen zu begegnen, ist mein persönliches Credo. Das bedeutet auch, Neumitglieder oder Personen mit einem anderen kulturellen Hintergrund oder einer anderen beruflichen Klassifikation offen entgegenzutreten.

Ein weiterer Tipp ist, Neumitglieder früh in Funktionen einzubinden und eine vielfältige Durchmischung von Gender, Alter und Klassifikation anzustreben. Es braucht zudem eine regelmässige Selbstreflexion: Ist das Aufnahmeprozeder noch zeitgemäss? Passt das Clubmodell zu unserem Clubleben für bestehende und künftige Clubmitglieder? Welche Ziele wollen wir als Club unter anderem auch in den Themen Vielfalt, Chancengleichheit und Miteinbezug erreichen?

Liebe Frau Hendry, besten Dank für das Interview und gutes Gelingen für die Rotary International Convention 2023 in Melbourne.