Rot. Christian Fivaz wusste schon früh, dass er Metzger werden und später sein eigener Chef sein wollte. Heute ist der Waadtländer Patron von zwei erfolgreichen Geschäften in Morges und trotzt dem Trend, dass immer weniger junge Leute diesen Beruf ergreifen wollen, indem er Lehrlingen interessante Karrierepläne und attraktive Arbeitsbedingungen bietet. Ein Gespräch.
Christian Fivaz schreitet mit energischen Schritten über das Kopfsteinpflaster der Fussgängerzone in Morges, Turnschuhe an den Füssen. Der Inhaber der Boucherie du Château hat sich vor Ladenöffnung zwei Stunden Zeit für das Interview genommen. Er öffnet die Tür und wirft einen kurzen Blick ins Innere. Wie Juwelen sind die imposanten Rinderkoteletts im Reifeschrank am Eingang des Ladens ausgestellt. Waadtländer Saucissons, Sauerkrautwürste und Boutefas reihen sich stolz an der Wand hinter der Vitrine: Die Boucherie du Château in Morges ist nicht nur für die Qualität ihrer Produkte bekannt, die sich jeden Samstag in langen Schlangen widerspiegeln, sondern auch für die Sorgfalt, mit der sie präsentiert werden. Der Chef des Hauses blickt zufrieden auf die Ware, die am frühen Morgen frisch zubereitet worden ist – entsprechend der Jahreszeit und der Wettervorhersage. Denn um die Produktion gut zu steuern, muss der Chef die Kaufabsichten seiner Kunden abschätzen können. Wenn beispielsweise Sonne und Hitze angesagt sind, steigt die Nachfrage nach Grillfleisch sprunghaft an.
Er wollte Chef sein
Damit sind wir mitten in den Herausforderungen, denen sich ein Metzgermeister, Besitzer von zwei Geschäften und Verantwortlicher für zehn Vollzeitstellen stellen muss. Die richtige Menge an frischen Produkten einplanen, Lagerbestände verwalten, neue Rezepte entwickeln, den Mut haben, in neue Maschinen zu investieren, Löhne zahlen und Bankkredite abbezahlen – so viel Verantwortung kann schwer wiegen. Doch Christian Fivaz beschloss schon früh, dass er «etwas Eigenes» wollte. Rückblickend ist er ganz schön stolz darauf, dass er eine Meisterlehre gemacht hat, obwohl er die Schule nicht besonders mochte und dachte, dass er es nicht länger als zwei Stunden hinter einem Schreibtisch aushalten würde. Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen erzählt er von seinen Erinnerungen, während wir in der hellen, von Edelstahl glänzenden Produktionsküche sitzen.
Der Beruf des Metzgers war für den Teenager eine Selbstverständlichkeit. Er erinnert sich, dass er sich bereits in der Primarschule für das Fach Handwerk und Kochen entschied. «Das hat mir gefallen». Hinzu kommt, dass der Waadtländer zwar in der Stadt Nyon aufgewachsen ist, seine Familie aber bäuerliche Wurzeln hat. «Alle meine Cousins haben handwerkliche Berufe ergriffen, entweder als Bauern oder als Mechaniker.» Ein Praktikum in der Metzgerei Deblue in Nyon bestätigte ihn in seiner Wahl. Dort hat er seine Lehre und später seine Meisterprüfung
absolviert, nachdem er ein Jahr in einer Metzgerei in Schwyz SZ und in Flawil SG verbracht und die obligatorische Rekrutenschule absolviert hatte. Vor allem während seines Jahres in Flawil wurde ihm klar, dass er sich nicht mit der Ausführung von Aufgaben zufrieden geben wollte. Er erinnert sich: «Da wurde mir klar, dass ich Chef sein wollte.»
Der Mut zu Projekten
Bevor er sich selbstständig machte, arbeitete er 16 Jahre lang für die Bell-Gruppe, die ihn nach seinem Meisterabschluss kontaktiert hatte – er war tatsächlich einer von nur drei von fünfzehn Bewerbern aus der Romandie, die die Abschlussprüfung bestanden hatten. Als Teamleiter im Restaurantbereich in Lausanne, Leiter der Produktionszentrale in Satigny und später Produktionsleiter in Lausanne-Malley war Christian Fivaz es gewohnt, Teams von 60 Mitarbeitern zu führen und in grossen Räumen zu arbeiten. Als er die Chance packte, die Boucherie du Château in Morges zu übernehmen, weil der frühere Besitzer in Pension ging, fand er sich plötzlich allein mit einer Teilzeitverkäuferin in einem winzigen Laden wieder.
Die Eröffnung fand am 1. Januar 2012 statt. Er erinnert sich daran, als wäre es gestern gewesen. «Als Chef die Tür seines eigenen Ladens zu öffnen, ist ein komisches Gefühl. Ich war sehr stolz. Ich war ganz in Weiss und Blau gekleidet, trug ein Hemd und eine Krawatte und eine weisse Schürze.» Und eine schwere Last auf den Schultern, möchte man hinzufügen. Denn der „Sohn eines Arbeiters hatte
«
keinen Cent mehr in der Tasche, dafür aber jede Menge Schulden». Er hatte den Betrieb der ehemaligen Metzgerei übernommen und noch einmal 250000 Franken in Renovierungsarbeiten investiert. Der Chef betont, dass man als Patron keine Angst haben darf, und erwähnt dankbar, dass er auf die Unterstützung seiner Frau Anne-Laure zählen konnte. Da er zudem „präzise, akribische Arbeiten“ sehr schätzt und sein Meisterdiplom durch ein Diplom in Betriebswirtschaft und Marketing ergänzt hatte, machte er sich mit einem detaillierten Businessplan an die Arbeit und begann, die Abläufe
in der ehemaligen Metzgerei neu zu organisieren und zu optimieren. Ein Beispiel: Er investierte 8000 Franken in eine Maschine, die 90 kg Fleisch zerkleinern kann, um die alte Maschine zu ersetzen, die nur 3 bis 4 kg aufnehmen konnte. Um die Rentabilität der Anschaffung zu berechnen, stoppte er die Zeit für die Herstellung von Sauerkrautwürsten und stellte fest, dass sich die Investition schnell amortisieren würde. Heute produziert die Boucherie du Château 1,5 Tonnen Würste pro Monat für ihre beiden Läden. Drei Jahre nach dem Kauf der ersten Metzgerei übernahm Christian Fivaz 2015 auch die Boucherie de Chateaubriand, nachdem der ehemalige Besitzer in den Ruhestand gegangen war. Es versteht sich von selbst, dass moderne, leistungsstarke Maschinen damals wie heute ein Muss sind.
Christian Fivaz, der Beruf des Metzgers erfordert, dass man bereit ist, zu töten, um zu essen. Ist das schwierig?
Ein Tier zu schlachten ist nie eine angenehme Aufgabe. Aber wir tun es, um zu essen. Und man muss betonen, dass die Natur um einiges härter ist als wir! Der Beruf des Metzgers hat sich seit meiner Lehrzeit jedoch stark verändert: Damals lernten und machten wir alles, vom Schlachten des Tieres bis zur Arbeit in der Metzgerei. Heute entscheiden sich Metzgerlehrlinge von Anfang an für einen Fachbereich: Produktion, Verarbeitung oder Verkauf.
Hat sich auch das Verhalten der Konsumenten verändert?
Ja. In den ersten Jahren habe ich viel kreiert, weil die Kunden neue Ideen und Abwechslung mochten. Heute legen sie mehr Wert auf lokale und biologische Produkte. Ich erlaube mir, bestimmte Kriterien in Frage zu stellen, die mir nicht stimmig erscheinen: Da ich mit den Schlachthöfen in Orbe und Avenches zusammenarbeite, bevorzuge ich Tiere, die in der Region Payerne aufgewachsen sind. Die Transportzeit zwischen ihrem Lebensort und dem Schlachthof ist somit kürzer als wenn ich Tiere aus der Region Morges kaufen würde. Für die Tiere bedeutet das mehr Komfort. Ich habe auch die Möglichkeit geprüft, das gesamte Sortiment des Ladens auf Bio umzustellen, aber das hat sich als zu technisch erwiesen.
Statistiken zeigen, dass Metzger heute Schwierigkeiten haben, Lehrlinge zu finden, unter anderem wegen der schwierigen Arbeitszeiten. Trifft das auch auf die Boucherie du Château zu?
Glücklicherweise nicht. Mit Ausnahme von zwei Jahren habe ich immer Lehrlinge ausgebildet. Die Strategie des Unternehmens zielt darauf ab, junge Menschen aus der Region anzusprechen und sie durch langfristige Karriereperspektiven und moderne Arbeitsbedingungen an das Unternehmen zu binden. Wenn ein junger Mensch eine Berufsmatura machen möchte, bezahlen wir ihm zu 100 Prozent Lohn und übernehmen auch die Kosten für die Praktika. Die Arbeit bei uns ist interessant, weil die Jugendlichen alle Facetten des Berufs kennenlernen können. Was die Arbeitszeiten angeht: wir sind flexibel, was die freien Tage angeht. Ich persönlich habe seit acht Jahren den Montag für meine Familie reserviert, an diesem Tag ist ein Laden geschlossen.
Was braucht man, um Metzger zu werden? Wahrscheinlich viel körperliche Kraft?
Nein, man muss vor allem lernen und die Kunden glücklich machen wollen mit einem Produkt, auf das man stolz sein kann. Das schönste Feedback, das ich bekommen kann, ist, wenn ein Gast eines meiner Kunden nach einem Grillabend mit strahlenden Augen in den Laden kommt und das gleiche Stück kaufen möchte. Das ist alle Komplimente wert.
Welches ist denn das Lieblingsstück des Metzgers?
Ich habe kein Lieblingsstück! Aber ich habe einen Lieblingsmoment: das gemeinsame Essen, die Zeit, die man zusammen verbringt, während man sich unterhält und etwas Gutes isst. Nichts Kompliziertes: ein Stück Fleisch, schönes Gemüse, Kartoffeln.
Ab dem Rotary-Jahr 2026/27 werden Sie Präsident Ihres Clubs, des RC Morges. Wie sind Sie zu Rotary gekommen?
Ich wurde angesprochen. Zuerst habe ich gezögert, weil ich befürchtete, in den Augen meiner Kunden die Etikette eines Snobs zu tragen. Ich kannte die Vorurteile gegenüber Rotary, hatte selbst anfangs welche, habe sie aber revidiert und zugesagt. In meiner Familie gibt es ein Mitglied bei den Lions und eines bei den Kiwanis, daher spricht mich die Idee, sich für die Gesellschaft zu engagieren, sehr an. Wir machen viele schöne Dinge bei Rotary, und ich freue mich darauf, den Club in Morges zu leiten. Ich habe bereits einige Ideen, wie ich die Mitglieder kulinarisch überraschen kann. Aber damit es eine Überraschung bleibt, verrate ich weiter noch nichts!