Die Textilkunst hat in der Ostschweiz eine lange Tradition, und St. Gallen ist bis heute ein Zentrum für hochwertige Stickereien. In dieser traditionsreichen Umgebung verbindet Rot. Karin Bischoff das Erbe ihrer Familie mit modernen Designs und nachhaltiger Handwerkskunst. Ihr Atelier, die Manufaktur, steht für massgeschneiderte Exklusivität und die Wiederentdeckung der alten Kunst des Schneiderns.
Wer die «Manufaktur» an der Bahnhofstrasse in St. Gallen betritt, taucht ein in eine Welt voller kostbarer Stoffe, emsigen Nähens und der subtilen Eleganz feinster Handarbeit. Hier trifft Tradition auf Moderne, und niemand verkörpert diese Verbindung so überzeugend wie Rot. Karin Bischoff. Die preisgekrönte Couture-Schneiderin und Mitinhaberin der Manufaktur führt gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin Kathrin Baumberger seit bald zwei Jahrzehnten das exklusive Atelier, das für einzigartige, individuell gefertigte Kleidungsstücke bekannt ist. Ob handgefertigte Hochzeitskleider, massgeschneiderte Herrenanzüge oder aufwendig bestickte Stoffe – für Karin Bischoff und ihr Team ist jedes Kleidungsstück eine Herzensangelegenheit.
Mode, davon ist die leidenschaftliche Rotarierin überzeugt, ist mehr als nur die Gestaltung von Kleidungsstücken – sie ist eine Kunstform, die Identität und Geschichten ausdrücken kann. «Mode bedeutet für mich Freiheit und Individualität», erklärt sie. «Jedes Stück, das wir hier in der Manufaktur kreieren, spiegelt die Persönlichkeit der Trägerin oder des Trägers wider. Es geht nicht nur darum, gut auszusehen, sondern sich in der eigenen Haut wohlzufühlen.»
Karin legt grossen Wert darauf, Traditionen zu ehren, glaubt aber auch fest daran, dass Mode sich kontinuierlich weiterentwickeln muss, um relevant zu bleiben. «Ich liebe es, traditionelle Sticktechniken mit modernen Schnitten zu kombinieren, sodass etwas Einzigartiges entsteht, das die Brücke zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart schlägt.» Dieses Zusammenspiel von Tradition und Moderne ist in jeder ihrer Kreationen spürbar. Ihre Designs sind eine Hommage an die reiche Geschichte der St. Galler Textilkunst und gleichzeitig eine Antwort auf die Anforderungen der heutigen Modewelt.
Dass Karin Bischoff heute erfolgreich als Schneiderin ist, kommt nicht von Ungefähr. Sie ist tief verwurzelt in der Textiltradition der Ostschweiz. Ihre Familie, die Familie Bischoff, hat die Entwicklung von St. Gallen als Textilstadt über Generationen hin entscheidend mitgeprägt. Von klein auf von Schnittmustern und Stoffen, von Garn und Scheren umgeben, war Karin von der Schönheit und Komplexität von Mode fasziniert. Diese Faszination begleitete sie durch ihre gesamte Kindheit und prägte ihr Verständnis für Qualität, Ästhetik und Handwerkskunst zutiefst.
Nach ihrer Ausbildung zur Damenschneiderin folgte der nächste grosse Schritt in Karins Karriere: die Teilnahme an den Berufsweltmeisterschaften WorldSkills, bei denen sie 1997 in St. Gallen eine Goldmedaille gewann. Dieser Erfolg brachte ihr nicht nur viel Anerkennung innerhalb und ausserhalb der Branche ein, sondern öffnete ihr die Tür in die Modewelt. Mit ihrem aussergewöhnlichen Talent und ihrem tiefen Verständnis für die Kunst des Nähens arbeitete sie anschliessend in Haute-Couture-Ateliers in Zürich und Genf, bevor sie ihr eigenes Unternehmen gründete.
2009 war es so weit: Gemeinsam mit Kathrin Baumberger, einer international bekannten Kostümdesignerin sowie dem Textildesigner, Szenografen, bühnen- und Kostümbildner Bernhard Duss eröffnete sie «Die Manufaktur – deine Schneiderei». Das Atelier hat sich auf massgeschneiderte Kleidung spezialisiert und steht dabei für höchste Qualität. Für Karin und ihr Team bedeutet Massarbeit mehr als nur perfekt sitzende Kleidung: «Es geht darum, Kleidungsstücke zu schaffen, die den Charakter und die Persönlichkeit der Trägerin oder des Trägers widerspiegeln», betont sie. Diese Philosophie findet sich in jeder Naht, in jedem Schnitt und in jeder Stoffauswahl wieder. Bernhard Duss, der das Atelier mitgegründet hat, blieb viele Jahre im Hintergrund tätig. Seit kurzem unterstützt er das Team wieder aktiv in einem kleinen Pensum und bringt seine umfangreiche Erfahrung als Textildesigner ein.
St. Gallen – Das Herz der weltweiten Textilkunst
Die Geschichte der Stadt St. Gallen ist untrennbar mit der Entwicklung der europäischen Textilindustrie verbunden. Schon im Mittelalter war St. Gallen ein wichtiger Knotenpunkt für den Handel mit Leinenstoffen, die wegen ihrer hohen Qualität europaweit geschätzt wurden. Diese feinen Stoffe galten als Luxusgüter und wurden an die Höfe der europäischen Adelshäuser exportiert. Doch der wahre Aufstieg St. Gallens zum internationalen Zentrum der Textilkunst begann im 19. Jahrhundert mit der Entwicklung der Handstickmaschine, die St. Gallen endgültig auf die Landkarte der internationalen Modewelt setzte.
Um 1850 draht die mechanische Stickerei endgültig ihren Siegeszug an, und St. Gallen avancierte schnell zum globalen Zentrum für die Herstellung und den Export von Stickereien. Der Erfolg der Textilien beruhte nicht nur auf ihrer aussergewöhnlichen Güte, sondern auch auf den technischen Innovationen, die von den St. Galler Unternehmern vorangetrieben wurden. Die Einführung der Schifflistickmaschine durch Isaac Gröbli in den 1860er Jahren revolutionierte die Produktion endgültig und ermöglichte es der Stadt, sich als weltweit führender Exporteur von Stickereiprodukten zu etablieren. Um 1910 kamen mehr als 50 Prozent der weltweiten Stickereiprodukte aus der Ostschweiz, und der Export der luxuriösen Stoffe machte einen beträchtlichen Teil der Schweizer Wirtschaft aus. Namen wie Forster Rohner, Jakob Schlaepfer und Bischoff Textil haben bis heute einen herausragenden Ruf in der internationalen Modewelt.
In dieser Zeit galt St. Galler Stickerei als Synonym für Luxus. Königinnen, Adelige und wohlhabende Bürger trugen Kleider, die mit den feinen Stickereien verziert waren. Besonders die opulenten, floralen Muster waren ein Zeichen von Reichtum und Eleganz. Die Stickereien zierten Brautkleider, Ballroben und Festtagsgarderoben – sie wurden zum Inbegriff europäischer Noblesse. Doch die Stickerei hatte nicht nur eine dekorative Funktion. Sie war auch ein wichtiger Wirtschaftszweig für die Region, der zahlreiche Arbeitsplätze schuf und die Stadt zu einer der wohlhabendsten in der Schweiz machte.
Während die Stickereibranche nach dem Ersten Weltkrieg und in den wirtschaftlich schwierigen Jahrzehnten allmählich an Bedeutung verlor, schaffte es St. Gallen dennoch, sich als Zentrum für Innovation und Qualität zu behaupten. Die Textilindustrie passte sich an neue Zeiten an, indem sie sich auf High-End-Produkte spezialisierte, die weltweit nachgefragt wurden. Besonders die St. Galler Stickerei gilt nach wie vor als Inbegriff von Luxus und Raffinesse.
Die Bedeutung der Textilkunst für das moderne St. Gallen
St. Galler Stickereien sind mehr als nur Stoffe – sie sind Kunstwerke, die durch ihre filigranen Muster und die Qualität ihrer Verarbeitung begeistern. Diese Stickereien haben einen festen Platz in der Haute Couture erobert. Sie zieren die Kollektionen renommierter Modehäuser wie Chanel, Valentino und Vivienne Westwood. Auch Stars wie Michelle Obama und Amal Clooney trugen bereits Kleider, die aus den feinsten St. Galler Spitzen gefertigt wurden.
Doch die Arbeit mit diesen exquisiten Stoffen erfordert viel Geschick und Erfahrung. «St. Galler Stickereien sind höchst anspruchsvoll zu verarbeiten», weiss Karin Bischoff. «Man muss sie präzise zuschneiden, damit die Muster harmonisch zusammenpassen und das Kleidungsstück die Eleganz und Schönheit ausstrahlt, die man erwartet.» Ihre Liebe zum Detail und ihr handwerkliches Können sind es, die Karin und ihre Mitarbeiterinnen zu Meisterinnen ihres Fachs machen.
Für die Manufaktur ist die Zusammenarbeit mit regionalen Textilunternehmen ein zentraler Bestandteil der Philosophie. «Wir beziehen unsere Stoffe so oft wie möglich aus der Region, um die lokalen Hersteller zu unterstützen und die Qualität unserer Produkte zu sichern», sagt Karin. Diese enge Verbindung zur St. Galler Textiltradition verleiht ihren Kreationen eine besondere Authentizität und unterstreicht den hohen Anspruch an Nachhaltigkeit und Regionalität.
Auch der Aspekt der Nachhaltigkeit spielt für Karin Bischoff eine entscheidende Rolle: «In einer Zeit, in der Fast Fashion die Modeindustrie dominiert, ist es entscheidend, verantwortungsvoll mit Ressourcen umzugehen», erklärt sie. In ihrer Manufaktur setzt sie daher auf hochwertige Stoffe, die mit grösster Sorgfalt verarbeitet werden. «Nachhaltige Mode bedeutet, dass ein Kleidungsstück nicht nur schön ist, sondern auch eine Geschichte hat – und dass es lange getragen wird.»
Die Manufaktur: Ein Raum für Unikate
Die Manufaktur ist ein Ort, an dem Mode nicht einfach nur hergestellt wird – sie wird gelebt. Karin und Kathrin Baumberger, die Co-Geschäftsführerin und erfahrene Kostümdesignerin, leiten ein Atelier, das nicht nur für massgeschneiderte Kleidung steht, sondern auch für ein einzigartiges Einkaufserlebnis. Hier wird jedes Kleidungsstück in enger Abstimmung mit den Kunden entworfen und gefertigt. «Es geht uns darum, dass die Kunden bei jedem Schritt des Entstehungsprozesses mitreden können“, erklärt Karin. „Sie sollen nicht nur ein Kleidungsstück bekommen, sondern ein Stück, das wirklich zu ihnen passt und ihre Persönlichkeit unterstreicht.“
Ob Brautkleid, Anzug oder Abendrobe – jedes Stück, das die Manufaktur verlässt, ist ein Unikat. Diese Liebe zum Detail zeigt sich nicht nur in der Qualität der Stoffe, sondern auch in der Art und Weise, wie sie verarbeitet werden. «Für ein aufwendiges Hochzeitskleid brauchen wir oft mehr als 30 Arbeitsstunden», sagt Karin. «Aber es lohnt sich, wenn die Kundin bei der Anprobe mit einem Lächeln aus der Kabine tritt und man weiss: Ja, das ist ihr Kleid.» Übrigens: Neben der Fertigung von Damenkleidung bietet die Manufaktur auch massgeschneiderte Herrenbekleidung an, die in enger Kooperation mit langjährigen Partnern in Europa angefertigt wird.
Tradition und Moderne im Einklang
Während Karin tief in der Tradition der St. Galler Stickerei verwurzelt ist, blickt sie gleichzeitig nach vorn. Ihre Kreationen verbinden das Beste aus beiden Welten: die Eleganz der klassischen Stickereikunst und die Modernität zeitgemässer Schnitte und Materialien. «Wir lieben es, mit Stoffen zu experimentieren», sagt Karin. «Die Kombination aus traditionellen Stickereien und modernen Schnitten eröffnet uns völlig neue Möglichkeiten.» Ein fuchsiafarbener Jupe, kombiniert mit Jeansjacke und Boots, macht Stickerei alltagstauglich und verleiht ihr eine frische, unkonventionelle Note.
Auch wenn die glorreichen Tage der St. Galler Stickerei lange zurückliegen, bleibt die Region ein wichtiger Akteur in der internationalen Textilbranche. Dank Unternehmen wie der Manufaktur lebt die Tradition der St.Galler Stickerei weiter und wird gleichzeitig in die Moderne überführt. Karin Bischoff ist eine Hüterin dieses Erbes, die die Vergangenheit ehrt und gleichzeitig neue Wege geht.
«Für uns ist Mode nicht nur eine Frage des Stils, sondern auch der Verantwortung», erklärt Karin. Diese Verantwortung zeigt sich nicht nur in der Wahl der Stoffe, sondern auch in der Art und Weise, wie sie mit ihren Kundinnen und Kunden arbeitet. Jedes Kleidungsstück, das in der Manufaktur entsteht, trägt die Handschrift von Karin Bischoff und ihrem Team – und ist ein Ausdruck ihrer Leidenschaft für das Schneiderhandwerk.