«Das Wichtigste ist der Service am Kunden»

Montag, 23. Dezember 2024

Denise Lachat

Wer macht die Mode, wie sehen die Konsumgewohnheiten heute aus und wie kleidet sich der Chef selbst am liebsten? Interview mit Marc Winterhalter, dem Geschäftsführer von Palud Modes SA. Das Herrenmode-Geschäft gibt es seit 1936 an der Place de la Palud in Lausanne. Marc ist seit fast 20 Jahren Rotarier beim RC Lausanne.

Marc, wie wichtig sind Kleider für dich persönlich?

Kleider sind wichtig im Kontakt mit Menschen, vor allem mit Kunden. Im Alltag begnüge ich mich mit einer Jeans und einem Sweatshirt.

Also eher bequeme Kleidung?

Ja, wie alle anderen auch. Covid hat die Gewohnheiten ziemlich verändert.

Wie meinst du das?

Während der Monate des Lockdowns gab es keine Pflicht mehr, sich zu kleiden. Davon sind einige Gewohnheiten geblieben: Ich sehe Banker, die ein Jackett zur Chinohose tragen, keine Krawatte, keinen Anzug. Der Trend zu „smart-casual“, wie sie es gerne nennen, existierte schon vorher, aber Covid hat ihn wirklich ins Rollen gebracht.

Die Diskussion, ob ein Banker ohne Krawatte oder in Turnschuhen erscheinen darf oder nicht, wurde auf Social Media im Sommer heiss diskutiert. Im Grunde ist es doch gut, wenn man es sich bequem machen kann, oder?

Das hängt vom Kontext ab. Ich habe kein Problem damit, wenn ein Informatiker, der allein hinter seinem Computer sitzt, keine Krawatte trägt, aber jemand, der mit Kunden zu tun hat, hat eine minimale Repräsentationspflicht. Wenn ein Kunde zu uns ins Geschäft kommt und nach einem Anzug fragt, fragen wir als Erstes, wofür er ihn braucht. Wenn es um ein Vorstellungsgespräch geht, fragen wir, in welcher Branche er tätig ist. Je nachdem, ob er für eine Anwaltskanzlei oder eine Werbeagentur bestimmt ist, wird der Anzug anders aussehen. Ja, es gibt nach wie vor Dresscodes.

In dem Fall ist Kundenberatung wichtig bei Euch.

Das ist genau der Grund, warum es Palud Modes noch gibt! Kleider sind überall erhältlich, vor allem online. Die Leute kommen zu uns, weil es einen Service gibt, weil man sie persönlich begrüsst und weil man einen echten Kontakt zu ihnen hat. Es kommt oft vor, dass wir, wenn der Kunde den Laden verlässt, sein Berufsfeld kennen und wissen, wo er seine letzten Ferien verbracht hat. Der Service am Kunden ist wirklich von zentraler Bedeutung.

War das von Anfang an der Existenzgrund für das Geschäft?

Als mein Grossvater das Geschäft 1936 gründete, kaufte man noch Sonntagskleidung. Damals hatte man eine andere Sichtweise. Mein Vater erlebte den grossen Aufschwung des Einzelhandels in den 60er- und 70er Jahren. Als ich ins Geschäft einstieg, kam das Internet gerade auf. Heute kommt es tatsächlich vor, dass Kunden bei uns Marken anprobieren, sich beraten lassen und nicht zögern, vor uns ihr Telefon zu zücken, um zu sehen, ob sie die gleiche Kleidung anderswo online günstiger finden können. Da machen wir dann die Faust im Sack....

Das ist ja unglaublich. Der Sonntagsanzug hingegen wurde noch als echte Investition angesehen.

In der Tat. Das war damals ein echter Wert. Im Warenkorb eines Haushalts sind die Ausgaben für Kleider kontinuierlich gesunken. Heute liegt der Preis für einen Anzug bei uns zwischen 490 und 1300 Franken, der Durchschnitt liegt zwischen 600 und 800 Franken. Zu diesem Preis können wir einen schönen Anzug von guter Qualität anbieten, hergestellt in Europa.

Hergestellt in Europa: Ist das wichtig?

Ja, das Umweltbewusstsein wird in unserer Gesellschaft immer wichtiger - sowohl für mich als auch für meine Kunden.

Gleichzeitig sehen wir, wie die „Fast Fashion“-Welle uns überrollt...

Ja, wir sehen sehr wohl jede Woche Neuzugänge bei Zara, die zur Inditex-Gruppe gehört und Kleidung herstellt, die nicht teuer ist. Sie werden in der Regel ein paar Mal getragen, um dann in Afrika die Abfalltonnen zu füllen. Die Kleidung, die ich verkaufe, kann über mehrere Saisons getragen werden und hat einen viel kürzeren Transportweg. Es gibt ein paar grosse Marken, die ausschliesslich in Asien und China produzieren - dort haben wir keine Wahl. Sie liefern und verlangen ihre Preise, ich habe meinen Einkaufspreis und meinen vereinbarten Verkaufspreis, an die ich mich halten muss. Aber es gibt auch hervorragende Ateliers, die nicht so bekannt sind wie diese grossen Marken. Ich arbeite unter anderem mit einem italienischen Hersteller von hochwertigen Pullovern zusammen; er fertigt übrigens auch für Marken, die später ihr Logo hinzufügen lassen. Ich habe einen Hosenfabrikanten in Deutschland. Er hat zwar jetzt eine Werkstatt in Rumänien, aber das ist immer noch Europa. Es ist ein Familienunternehmen, das ökologische Baumwolle verwendet. Wir achten also darauf, dass wir möglichst Produkte aus Europa beziehen, die immer von hoher Qualität sind.

Dein Schrank quillt also nicht über mit „Klamotten“?

Nein, ich bin kein „Fashion Victim“! Ich trage Kleidung über mehrere Saisons und habe eine Reihe von alten Stücken, von denen ich mich nicht trennen kann.

In der Modebranche zu arbeiten bedeutet jedoch, mit dem Wandel Schritt zu halten - und damit den Konsum anzukurbeln, nicht?

Der marineblaue Blazer, den ich trage, ist ein Jahr alt, er ist zeitlos und wird es auch in einem Jahr noch sein. Aber ich kann die Hose und das Hemd je nach Jahreszeit anpassen oder ein Accessoire hinzufügen. Man muss nicht ständig alles ändern.

Wer „macht“ eigentlich die Mode?

Es gibt zwei Arten von Mode: Die Mode der Modeschauen, der Haute Couture, ist eine Nischenmode, die im Wesentlichen zu Beginn einer Saison von den Designern präsentiert wird. Die Mode, die ich verkaufe, ist Prêt-à-porter-Mode, die ich nicht an einem Model, sondern in einem Showroom entdecke. Ich wähle die Modelle und Stoffe ein Jahr im Voraus aus.

Wo kaufst du ein?

Mit meinem zuständigen Verkäufer fahren wir nach Mailand und Zürich, dem Zentrum für den Textileinkauf in der Schweiz.

Entdeckst du dort grosse stilistische Neuerungen?

Nein, die Breite des Revers kann sich ändern, die Anzahl der Knöpfe oder Schlitze. Nach dem körperbetonten Trend der letzten Jahre werden die Schnitte nun etwas grosszügiger. Aber das sind alles kleine Veränderungen: Der Hersteller fügt uns pro Saison vielleicht einen halben Zentimeter Fussweite hinzu. Bei den Jungen hingegen sind die Veränderungen viel schneller und ausgeprägter mit hoch geschnittenen Hosen im Baggy-Style, die man bei uns nicht finden wird.

Welche Faktoren beeinflussen den Geschäftsgang im Einzelhandel?

Die trübe Stimmung der Kunden. Wir haben die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine gespürt, wir spüren die Auswirkungen, wenn die neuen Krankenkassenprämien im September/Oktober bekannt gegeben werden, wenn die Börse einbricht: Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die die Stimmung der Menschen beeinflussen können, vor allem mit den heutigen Kommunikationsmitteln, die alles immer schneller machen. Die Zyklen können daher stark schwanken.

Wird Palud Modes S.A. weiterhin als Familienunternehmen bestehen?

Nein, meine Kinder haben andere Wege gewählt, ich selbst bin glücklich pensioniert und werde nach einem Nachfolger suchen. Jemanden, der so freundlich ist, das fortzuführen, was mein Grossvater 1936 begonnen hat.

Zum Schluss noch eine Frage zu Rotary. Wie bist du zum RC Lausanne gekommen?

Einer meiner besten Freunde, der auch im Einzelhandel tätig war, erzählte mir oft davon und machte mich mit dem Club bekannt. Für den RC Lausanne war es interessant, Mitglieder zu haben, die „aus der Praxis“ kamen und nicht aus einem Büro, und für mich war es so etwas wie meine „ Postgraduate Uni“, dank all dieser Konferenzen und den superinteressanten und bereichernden Leute. Ich hatte und habe immer noch viel Freude daran, diesem Club anzugehören. Ich habe mich an den Projekten beteiligt und war unter anderem 15 Jahre lang für den Empfang zu den Lunches zuständig. Man hatte mich hingegen gewarnt, dass man nicht zu Rotary kommen sollte, um dort Kunden zu finden. Wenn, dann würden sie schon von selbst kommen. Ich habe also nie „Geschäfte“ bei Rotary gemacht. Man sollte auch nicht aus solchen Gründen Mitglied werden.

«Unsere Kundenberatung ist der Grund, warum es Palud Modes SA heute noch gibt», sagt Rot. Marc Winterhalter