Wir wollten wissen, was eigentlich ein Assistant Governor während der jeweils fünfjährigen Amtszeit in den Kulissen von Rotary leistet. Anna Ravizza, zuständig für die Region Bern 1, sagt es so: «Ich motiviere im Hintergrund und agiere als treibende Kraft.»
René-Marc Blaser ist ihr vierter Governor, den sie begleitet. Zuerst kam Jean-Noël Gex vom RC Fribourg-Sarine, dann folgten Pierre-François Cuenoud vom RC Sion und Simon Bichsel vom RC Bern Kirchenfeld. Anna Ravizza hat sie alle ein Jahr lang in ihrer Funktion als Assistant Governor für die Region Bern 1 in enger Zusammenarbeit erlebt. Sie sagt im Rückblick: «Jeder ist anders, jeder macht es anders, und jeder macht es auf seine Art hervorragend gut, aber alle haben die Werte von Rotary im Fokus. Ich finde das super.»
«Alpha-Tiere»
Ist ein Jahr denn nicht viel zu kurz für die Leitung eines Distrikts? Anna Ravizza meint «Nein, ganz im Gegenteil». Das rotarische System des jährlichen Rotierens führe dazu, dass die Governors ein Jahr lang «Vollgas» gäben, weil jede und jeder seine Amtszeit prägen wolle. So seien alle top motiviert. «Schliesslich sind ja auch alle Alpha-Tiere», fügt sie mit einem Augenzwinkern hinzu. Aha, dann ist Anna Ravizza selbst also kein «Alpha-Tier», sondern lieber im Hintergrund aktiv? Die Assistant Governor antwortet mit einem fröhlichen Lachen, legt den Kopf leicht schief und sagt, doch, doch, sie sei das ebenfalls. Das hatten wir uns schon gedacht, denn die zierliche Frau sprüht bereits am Morgen vor Energie, holt rasch die Getränke an der Theke und blickt ihrem Gegenüber beim Sprechen konzentriert in die Augen, während sie gleichzeitig lebhaft mit den Händen gestikuliert.
Rotary? Anna zuckt die Achseln, noch vor 15 Jahren hatte sie nichts Genaueres über die Organisation gewusst. Sie war bereits damals Leiterin einer Seniorenresidenz, «und dann kamen da eines Tages drei Herren des Rotary Clubs Nidau-Biel und sagten, sie wären an meiner Mitgliedschaft interessiert, sie hätten gerne jemanden aus dem sozialen Bereich». Anna sagte sich, so nehme sie eben einmal an einem Lunch teil – und dann war es genauso, wie sie das Image von Rotary hatte befürchten lassen: Sie war an diesem Lunch die einzige Frau in einer Runde von älteren und wenigen jüngeren Herren. Doch nach dem dritten Lunch war sie von den Zielen und Anliegen von Rotary «voll überzeugt» und fand, da mache sie ganz klar mit. Sie fühlte sich von Anfang an aufgenommen und voll in den Rotary Club Nidau-Biel integriert Im Jahr 2010 war Anna erst die dritte Frau, heute sei die Mitgliedschaft von Frauen im Club überhaupt kein Thema mehr, sagt sie.
Wenn, dann richtig
Und dann passierte, was jeweils passiert, wenn Anna Ravizza Ja sagt zu einem Engagement. «Wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig.» Das sind ihre Werte: Leidenschaft für das, was sie macht, Identifikation mit dem, was sie macht, und der Wille, mitzugestalten und Verantwortung zu übernehmen. So war sie nach drei Jahren Programmchefin des RC Nidau-Biel und im fünften Jahr dessen Präsidentin. Nach dem Jahr als Past President wurde Anna Leiterin der Aufnahmekommission für neue Clubmitglieder, anschliessend gewöhnliches Clubmitglied. Nach diesen Stationen ist das Amt eines Assistant Governor möglich, obwohl Anna diese Funktion damals nicht im Blick hatte. Sie hatte Hansruedi Moser zum Governor portiert und war anschliessen seine Stabschefin. Es war kein einfaches Jahr, da Covid ein normales Funktionieren fast verunmöglichte. Während diesem Jahr trat die damalige Assistant Governor von Bern 1, Marianne Heimoz, die nach fünf Amtsjahren aufhörte, auf sie zu und fragte sie nach ihrem Interesse. Anna sagte zu und fühlt sich in dieser Rolle nun seit bald vier Jahren wie ein Fisch im Wasser.
Sie beschreibt ihre Aufgabe so: «Ich motiviere im Hintergrund und agiere als treibende Kraft». Sie hat absolut kein Problem damit, dass nun die Governors im Rampenlicht stehen. «Das gehört zu ihrem Job. Zu meinem gehört es, die Governors zu unterstützen, auf ihre Wünsche einzugehen und insbesondere eine aktive Schnittstelle zu den 13 Clubs zu pflegen.» Ihr Pensum beträgt rund drei bis vier Stunden pro Woche.
Bindeglied zu den Clubs
Für die Governors sind die Assistants ein wertvolles Bindeglied zwischen ihnen selbst und den Clubs, da sie diese im Idealfall seit Jahren kennen und über deren Besonderheiten Bescheid wissen. Sie erleichtern ihnen die Arbeit, weil sie in der «Mechanik» drin sind, und vermitteln wo nötig. Schliesslich hat jeder Club seine eigene Kultur.
Der amtierende Governor, René-Marc Blaser, schätzt die Unterstützung durch seine acht Assistants sehr; auch er sagt, jede und jeder habe seine eigene Art. Anna bezeichnet er als authentisch, wohlwollend, positiv und sehr motivierend. «Sie hat immer ein aufmunterndes Wort bereit.»
Anna ist für die Alltagsthemen der Clubpräsidenten da, schaut, dass sie an den Anlässen teilnehmen. Ihre aufrichtige Freude am Motivieren wird spürbar, wenn sie davon erzählt, wie sie die 13 Clubs in ihrer Region ermuntert, die Kräfte zu bündeln. Eine «Riesenfreude» bereitet ihr beispielsweise das Pluto-Projekt, bei dem die Berner Clubs eine Notschlafstelle unterstützen, oder jenes der fünf Clubs aus dem Seeland, die gemeinsam mit den Serviceclubs Kiwanis und Lions ein Heim für Behinderte unterstützen. «Macht es doch zusammen, das gibt eine ganz andere Wirkung», hatte Anna gesagt und wurde gehört. «Das ist der Hammer.»
In Bern 1 gibt es auch ein PELS 3
Eine Besonderheit des Distrikts 1990 ist seine Zweisprachigkeit, und nicht zuletzt die frankophone Mehrheit. Hier spürten einmal die Deutschschweizer, was es heisse, in der Minderheit zu sein, betont Anna. Die Governors seien dafür besorgt, der Zweisprachigkeit gerecht zu werden. Eine Besonderheit von Anna ist, dass sie in ihrer Region neben PELS 1 im März und dem PELS 2 im Mai ein PELS 3 eingeführt hat. PELS steht für President Elect Learning Seminar (früher PETS). PELS 3 findet im Januar statt, also auf halbem Weg zum neuen Rotary-Jahr, ist dem Rückblick und Ausblick gewidmet und fördert den Austausch zwischen den Clubpräsidenten. Eine Einführung des Formats im ganzen Distrikt 1990 steht zur Diskussion, beschränkt sich im Moment aber vorab auf die Region Bern 1. 2025 wird es nun zum dritten Mal durchgeführt. Anna freut sich auf den zweieinhalbstündigen Anlass, zu dem auch der Governor eingeladen ist: «Es kommen alle 13Clubpräsidenten inklusive des Präsidenten des Rotaract Bern».
Wenn die 1953 geborene Anna Ravizza nicht gerade beruflich oder für Rotary im Einsatz ist, trifft man sie womöglich auf einem Golfplatz an. Und da Anna wie erwähnt ungern halbe Sachen macht, hatte sie innerhalb von sechs Monaten das Handicap und spielt heute mit Handicap 16. Sie strahlt. «Auf dem Golfplatz bin ich an der frischen Luft und ganz auf den Augenblick konzentriert. Morgentau auf dem Platz und den Sonnenaufgang erleben, das ist meine Golf-Zeit!»