Reto E. Fritz ist nicht nur ein Meister seines Fachs, sondern auch ein Denker, der Musik bis ins Innerste versteht. Als Dirigent und Pianist vereint er intellektuelle Tiefe mit künstlerischer Leidenschaft. In diesem Interview spricht Reto, Mitglied im RC Zürich-Oberland und ehedem Governor des Distrikts 2000 und Präsident des Governorrates CH/FL, über seine musikalische Reise, seine philosophischen Gedanken zur Musik und den Menschen hinter dem Dirigentenpult. Wir tauchen ein in die Welt der Töne und erfahren, was ihn als Musiker und Menschen prägt – mit einem Augenzwinkern und grosser Ernsthaftigkeit zugleich.
Reto, Du hast über die Jahre ein immenses Repertoire an Werken dirigiert und interpretiert. Hat man angesichts einer solchen Fülle an Stücken noch so etwas wie ein «Lieblingslied»?
Eigentlich begeistere ich mich stets für das aktuell bevorstehende Programm, sei es ein Klavierrezital, Kammermusik, eine Operngala mit wunderbaren Solisten oder ein sinfonisches Chorkonzert. Ein kleineres Werk begleitet mich allerdings seit meiner frühen Kindheit und ich spiele es seit über 50 Jahren: die Berceuse Op. 57 von Frédéric Chopin. Es ist ein Stück absoluter Musik, leise, zauberhaft, von grosser Empfindung, und alles wird begleitet von der linken Hand, die fast immer dieselbe Figur spielt. Meinen Kindern spielte ich es oft als Einschlafmusik beim Zubettgehen, und im Konzert berührt es jedes Publikum.
Als Dirigent und Pianist bist Du in der Lage, Musik auf mehreren Ebenen zu verstehen – emotional, analytisch und als Schöpfer. Wie definierst Du für Dich selbst den Moment, in dem Musik «lebendig» wird?
Als Dirigent befinde ich mich stets simultan in den drei Zeitebenen Vergangenes – Aktuelles – Künftiges. Selbst wenn man in den Proben alles hervorragend einstudiert hat, kommt man an einer Stelle X doch nicht immer gleich an. Die Takte davor beeinflussen den Moment der Gegenwart im Ausdruck, auch beim technischen Zusammenspiel, und veranlassen mich dann zu einer Mehr-Kontrolle, damit der Weg zur nächsten Etappe garantiert ist. Wir sind als Musiker stets in einem Spannungsverlauf, auch wenn das Werk einmal in grosser Ruhe fast stillsteht. Zur genauen Kenntnis der Partitur gehört deren genaues Studium, und ich muss Entscheidungen treffen zur Besetzung des Werkes, stilistische Fragen mit meinen Spezialisten klären und auch anordnen, welche Besetzung für die Orchestergrösse ich bevorzuge oder welche Solisten ich mir wünsche. All diese analytischen, intellektuellen wie auch emotionalen Entscheide lasse ich im Konzert dann hinter mir und gestalte als Summe dieser eigenen Erkenntnisse, gepaart mit dem Können und Wirken von Orchester oder Chor den Moment der Aufführung. Ziel ist dabei nicht nur, die Musik dem Publikum verständlich zu machen, sondern es auch mit unserer respektvollen Sicht auf die Schöpfung des Komponisten zu bewegen.
Viele sagen, Musik sei eine universelle Sprache. Was bedeutet diese Aussage für Dich als Musiker und als Mensch?
Musik als universelle Sprache zu verstehen, bedeutet, dass ihre Inhalte, ihre Emotionalität auch ohne Erklärung von den Menschen und Völkern anderer Kulturen verstanden werden kann. Dabei spielt bei den Hörern die subjektive Lebenserfahrung eine wesentliche Rolle. Ein bekannter Zürcher Komponist sprach der Musik in den 80er-Jahren ab, politisch sein zu können. Nur die eigene Erfahrung (zum Beispiel mit Kriegsmärschen, Partisanenliedern oder Assoziationen zu persönlich Erlebtem) stellt die Brücke zu gesellschaftskritischen Inhalten her. Diese Aussage wurde damals in den Medien sehr unfreundlich kommentiert, obwohl er damit recht hatte. Im musikalischen Ausdruck ist ein schmachtender Seufzer, selbst wenn er nicht mal gesungen, sondern von einer Geige oder einem Horn leidenschaftlich gespielt wird, genauso verständlich wie eine grandios angelegte Steigerung in einer Bruckner-Sinfonie, die irgendwann ihren grossen Kulminationspunkt erreicht hat und sich dann kraftvoll entlädt.
Deine Arbeit als Dozent ist ein wesentlicher Teil Deines Schaffens. Welche Rolle spielt das Lehren für Dich? Gibt es Momente, in denen Du selbst von Deinen Schülern lernst?
Ich durfte 30 Jahre lang Musikstudierende aus allen Erdteilen an der Zürcher Hochschule der Künste (früher Musikhochschule Zürich) in Partiturspiel und Klavier unterrichten. Diese jungen Menschen zwischen 20 und 30 Jahren sind alle sehr musikalisch, weil wir ja eine Begabtenschule sind und sie alle bringen unterschiedliche Voraussetzungen, Traditionen ihrer Länder oder früherer Lehrer mit und wollen bei uns eine top Ausbildung zu Dirigenten, Kantoren, Musiktheoretikern oder Instrumentalisten absolvieren. Es ist ein Privileg, über lange Jahre unseren Nachwuchs auf diesem Niveau zu begleiten, zu inspirieren und auch zu fördern. Dazu kommt, dass wir als Dozenten selbst immer auch in vielen Situationen von dieser Generation profitieren, weil sie unseren Horizont erweitern durch manchmal originelle, neue Ansätze zum Lernen, eigene Methoden von Schulen einbringen, wo sie früher unterrichtet wurden, und darüber hinaus ist es sehr spannend zu erleben, wie angehende Kollegen aus Australien, Südamerika, den USA oder auch aus Osteuropa unsere grosse, traditionelle Musik empfinden oder welchen Zugang sie dazu entwickelt haben. Und manchmal zeigen sie uns auch jene Literatur, mit der sie aufgewachsen sind. Ein Student brachte mal Chornoten von byzantinischer Musik in den Unterricht und erstaunte mich mit seinen Äusserungen über die Aufführungspraxis dieser Werke.
In Deinen frühen Jahren hast Du eng mit Grössen wie Nikolaus Harnoncourt zusammengearbeitet. Welche Lektionen hast Du aus dieser Zeit mitgenommen, die Dich bis heute prägen?
Harnoncourt war mit seiner historischen Aufführungspraxis, seinen dazu verfassten Büchern oder auch mit der Wiederentdeckung alter Instrumente (zum Beispiel mit der Rekonstruktion von Bachs Oboa da Caccia) der wohl einflussreichste Dirigent des 20. Jahrhunderts. Kein anderer Maestro hat so nachhaltig allen künftigen Generationen den Weg zu historischem Verständnis, aber auch zur permanenten Neugier für eigene Wege der Interpretation geebnet, wie er. Als ich ihn während meiner Jahre am Zürcher Opernhaus kennenlernte, war dies für mich die Chance, all meine Fragen zu Stil, Besetzungen, Noteneditionen oder Spielweisen auf alten Instrumenten dieser wahrhaft institutionellen Persönlichkeit zu stellen. Zeitweise begegneten wir uns tagtäglich. Mit dem Effekt, dass ich darauf mein gesamtes Klavierrepertoire mit Werken von Bach, Händel Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert oder Mendelssohn komplett neu einstudierte, um es dann aber trotzdem nicht auf historischen Instrumenten zu spielen, sondern es doch mit dieser neu entdeckten Lebendigkeit auf dem modernen Steinway-Flügel zu interpretieren. Meine Erfahrungen übertrug ich auch auf die Orchesterwerke dieser Epochen, auf Vokalmusik wie Oratorien, Kantaten oder auch konzertante Opernabende. Natürlich wurde auch meine Lehrtätigkeit an der ZHdK von Harnoncourts Einfluss mitgeprägt. Im italienischen Opernfach erlebte ich mit Nello Santi in seiner unglaublich kenntnisreichen Probenarbeit die gelebte Tradition vom italienischen Belcanto über Verdi bis Puccini. Was er alles gleichzeitig wahrnahm, hörte, korrigierte und immer ohne Noten präsent hatte, war für uns einfach unfassbar.
Musik kann uns tief im Inneren berühren, aber auch intellektuell fordern. Wie balancierst Du diese beiden Aspekte in Deinen Aufführungen und Interpretationen?
Als Berufsmusiker lernen wir irgendwann alle nach dem Studium, Musik auch wieder unvoreingenommen zu hören, ohne ständige Analyse zum Werk oder zur Interpretation. Und auch wenn der intellektuelle Teil unserer Arbeit oft sehr viel verlangt, gerade wenn wir an die neuen Klänge eines späten Franz Liszt, an Arnold Schönberg, aber auch an die Moderne denken, ist es unsere Aufgabe, mit all diesen Erkenntnissen beim Publikum etwas Emotionelles im Augenblick zu wecken, das berührt, aufwühlt oder stimmungsmässig versöhnt. In vielen Meisterwerken gibt es Teile, welche sehr von Konstruktion (Fugen) oder auch von hörpsychologischer Absicht (Beethoven) geprägt sind. Gerade Beethoven spielt ständig mit der Erwartung des Hörers, überrascht ihn und bringt oft nicht die erwartete Auflösung in einen musikalischen Spannungsverlauf. Dadurch entsteht eine Dramatik, die uns fesseln kann, die uns auch manipuliert, manchmal betörende Momente schenkt oder das Momentum absoluter Stimmigkeit stiftet.
Sternstunden in der Musik dauern nicht ganze Abende lang, aber ob in einem knapp einstündigen Musikgottesdienst oder in einer abendfüllenden Oper, können solche Momente sehr glücklich machen. Und zwar nicht nur unsere Zuhörerschaft, sondern auch uns Künstler. Die gelungene Synthese zwischen unserer intellektuellen wie auch technischen Vorbereitung und dem emotionellen Empfinden kann im Idealfall zu solchen Glücksmomenten führen. Erzwingen oder programmieren lassen sich diese jedoch nicht.
Wir wissen, dass Du ein Perfektionist bist, aber auch jemand, der Humor hat und das Leben liebt. Gibt es musikalische Momente, die Dich besonders zum Lachen gebracht haben?
Es war zuerst beklemmend und totenstill im Probensaal, und dann entlud sich erst mein Lachen (über mich selbst), bevor der Riesenchor von 176 Stimmen in eine wahre Lachorgie ausbrach. Wir probten ein Lied mit dem Text «... der Mond...» und als typische Schweizer Aussprache sangen alle «...där Mond...», mit einem grellen «Ä» statt dem deutschen, geschlossenen «E». Mein Platz am Flügel war auf einer sehr erhöhten Bühne, und eigentlich wollte ich wie folgt korrigieren: «Es heisst nicht DÄR Mond, sondern DER Mond.» Irgendwie kam dann etwas in mir durcheinander, und mit grossem Ernst und didaktischem Eifer hörte ich mich sagen: «Es heisst nicht DÄR Mond, sondern DIE (!) Mond!» Absolute Stille im Raum. Es wurde mir doch immer alles geglaubt, was ich sagte oder korrigierte. Und jetzt traute sich niemand, auch nur einen Mucks zu machen. In diese Spannungsstille hinein lachte ich dann laut heraus, weil ich durch diesen Versprecher etwas sagte, das so falsch war, dass nicht mal das Gegenteil stimmte. Darauf war der Bann gebrochen, und dieser anhaltende Moment der Komik, aber auch der Schadenfreude, weil dem Maestro mal so ein klarer Lapsus passierte, kannte keine Grenzen.
Musik ist Deine Lebensaufgabe, aber was tut Reto E. Fritz, wenn er mal nicht in der Welt der Töne unterwegs ist? Und: Was summst Du tatsächlich morgens unter der Dusche?
Früher wäre diese Frage für mich anspruchsvoller gewesen als heute, wo ich deutlich mehr Zeit für mich und meine Familie habe. Den Donnerstag widme ich meiner Enkelin Emily Sophia, mit der ich spiele, koche, mit Lebensmittelfarbstoffen experimentiere oder Ausflüge mache. Dabei erlebe ich so viel Spontanes, Einmaliges, dass sich kaum beschreiben lässt, wie dieses heute vierjährige Mädchen mich inspiriert. Ob Naturschönheit, etwas Einfaches aus dem Alltag oder die Skulpturausstellung in Bad Ragaz, ich lerne durch ihre Augen, mit ihren Reaktionen und dank ihrer Erlebnisfähigkeit, gewisse mir vertraute Dinge anders, manchmal neu zu sehen.
Unter der Dusche singe ich nie, und auch der Badewannen-Tango gehört nicht zu meinem Repertoire. Aber sonst summe oder singe ich, wenn ich allein bin (und glaube, dass mich niemand hört) fast immer eine Melodie oder ein Thema aus einem gerade anstehenden Werk, und ich drücke damit vielleicht auch eine gewisse Unbeschwertheit des Moments gegenüber mir selbst aus.
Die Rolle des Dirigenten ist oft, von aussen betrachtet, eine Mischung aus Magie und harter Arbeit. Was sind die grössten Herausforderungen Deines Berufs?
Für das erfolgreiche Dirigieren braucht es drei Voraussetzungen, die der grosse George Solti stets in seinen Meisterkursen apostrophiert hatte: Ein unbestechliches Gehör, die Begabung zur Kommunikation und die Fähigkeit zur Extase. Den Dirigenten hört man zwar nicht, aber man erkennt, wie er mit Händen oder Taktstock Orchester, Chöre oder Solisten zum Musikmachen veranlasst. Sein Auftakt vor dem ersten Klang veranlasst Einatmen, Tempo, Ausdruck, Lautstärke und vieles mehr. In der Tat sieht es manchmal nach Magie aus, wenn musikalischer Effekt sich von einer stummen Person allein durch die Bewegungen und Gesten von Händen, Armen oder Körper formen und gestalten lässt. Grosse Herausforderungen begegnen uns mit Besetzungsfragen, vor allem in der Oper (wer ist für welche Partie geeignet). Es gibt da nicht vier oder sechs Stimmgattungen, sondern deren 23! Dann ist auch wesentlich, wie wir unseren Nachwuchs fördern und in unsere Ensembles einbeziehen wollen. Besondere Aufgaben erwachsen uns in der Organisation bei Grossbesetzungen. Erleben durfte ich dies 1979, als wir in Zürich unter Gerd Albrecht mit dem Tonhalleorchester Schönbergs Gurrelieder aufführten und damit auch in der Berliner Philharmonie gastierten. Als junger Student wirkte ich damals als Korrepetitor am Klavier und erkannte, was es an Vorbereitung, Logistik usw. braucht, um drei Männerchöre, einen gemischten Chor und das riesig besetzte Orchester allein schon für die Proben zu koordinieren. In der Tonhalle mussten acht Publikumsreihen dem vergrösserten Orchester weichen! Bei Bachs Matthäuspassion galt es für mich, möglichst Wartezeiten zu vermeiden, denn es wirken zwei Chorformationen und zwei Orchester mit, die jedoch nicht ständig spielen. Wartezeiten sind für alle Beteiligten ermüdend und sollen so gut als möglich vermieden werden. Zu den ganz gossen Besetzungen gehörten in meinem Leben auch die Aufführungen mit dem Verdi-Requiem. Mit 120 Choristen und einem gross besetzten Sinfonieorchester ist der Dirigent verantwortlich für die Balance zwischen dem Instrumentalen und den Stimmen der Solisten oder im Chor. Für mich war es stets auch eine Teilaufgabe, mich mit meinem eigenen Beziehungsnetz um das Sponsoring mitzukümmern. Dadurch war ich unabhängiger und freier, auch grosse Konzerte mit bis zu 300 Mitwirkenden nach meinen eigenen Vorstellungen zu realisieren.
Was bedeutet dir die Verbindung zu Rotary? Siehst Du Parallelen zwischen den Werten, die Du in Deiner Musik vermittelst, und denen, die Rotary ausmachen?
Als ich unsere rotarische Vierfragenprobe kennenlernte, war mir sofort klar, wie umfassend sie auf unser Leben anwendbar ist, welche wichtigen Aspekte menschlichen Zusammenwirkens sie thematisiert. Und wenn auch nicht all unser Wirken, Handeln oder Veranlassen der ethischen Messlatte dieser rotarischen Gebote standhält, helfen sie uns zur Reflexion von gravierenden Entscheidungen, welche nicht nur uns selbst, sondern auch andere betreffen oder betroffen machen. Rotary spielt in meinem Leben eine bedeutende Rolle. In den Vereins-Chargen des RC Zürich-Oberland erlebte ich eindrücklich, wie die Basis unserer weltweiten Wertegemeinschaft funktioniert und welch grosser Zusammenhalt da möglich ist. Dann hatte ich als Assistant Governor in der Ostschweiz Gelegenheit, 15 mir fremde Clubs mit all ihren Vorzügen, Eigenheiten und auch originellen Ideen kennen zu lernen. Mit manchen Rotarymitgliedern, die ich damals traf, habe ich heute noch regelmässigen Kontakt. Seit vielen Jahren bin ich im italienischsprachigen Länderausschuss Schweiz-Liechtenstein-Italien-San Marino-Malta aktiv. Und ich staune heute noch immer, mit welcher offenherzigen Wärme uns diese Menschen aus dem Süden begegnen, wie sie sich für uns interessieren und was sie uns als aufmerksame Gastgeber, als rotarische Vorbilder, aber auch als Menschen zu geben haben. In meinem Beruf spielt die erste rotarische Frage eine zentrale Rolle. Wahrheit bedingt als Voraussetzung Ehrlichkeit. Wenn wir als Experten an der ZHdK Studierende bei Prüfungen beurteilen und auch mal nicht alles unseren Erwartungen entspricht, haben diese junge Menschen das Recht auf eine klare Bewertung, eine saubere Begründung für die Verleihung von Noten und Prädikaten und sollen dann aber auch eine motivierende Idee erhalten, wie sie ihre weitere künstlerische Entwicklung begünstigen oder wo sie sich weiterbilden können. Als Dirigent wird man sehr oft von Vokalsolisten für ein Vorsingen angefragt. Auch hier geht’s mal in erster Linie um „Wahrheit“. „Wahr“ ist, was ich „wahrnehme“, darauf auch beurteile und bewerte. Und schliesslich, damit es dem Wohl aller Beteiligten dient, geht’s darum, wie ich nach dem Hervorheben des Positiven Kritik (Reinheit, Aussprache, Ausdruck), Korrekturen etc. anbringe, damit sie als subjektive Sicht von mir wahrgenommen und verstanden werden und im Idealfall dazu führen, dass die betreffende Person durch das Gespräch oder auch über das gemeinsame Ausprobieren neuer Interpretationsansätze mit einem positiven Impuls weiterzieht.
Wenn Du die Möglichkeit hättest, ein Konzert an jedem beliebigen Ort der Welt zu dirigieren, wo fände es statt?
Zu meinen Vorbereitungen auf das Amt des Governors im Distrikt 2000 gehörte auch die einwöchige Ausbildung in San Diego, wo der Rotary-Spirit in wahrlicher Mammut-Dosis erlebbar wurde. Danach tourte ich mit meiner Frau Doris während mehreren Wochen durch die Südweststaaten der USA. Als wir damals Ende Januar in Bryce Canyon waren, bezauberte und berührte mich diese wunderbare Gegend derart, dass ich dachte: Hier in dieser Stille mal ein Konzert in der Natur zu geben, wäre wirklich ein absolutes Highlight! Die rötlichen Felsen warfen dramatische Schatten nach unten, standen teilweise aber auch im Sonnenlicht und verliehen der Landschaft eine gewisse Wärme. Dazu kamen dann aber die schneebedeckten flachen Partien, die dieser tektonischen Arena einen Ausdruck verliehen, der einfach unvergesslich bleibt. In solcher Kraft der Stille und des Schweigens wird sich Musik, so meine innere Vorstellung, wie von selbst entwickeln.
Abschliessend eine vielleicht simple, aber doch komplexe Frage: Was ist Musik für Dich?
Musik bedeutet für mich einfach alles. Sie begleitet mich intensiv seit meiner frühsten Kindheit, und ich habe durch sie und mit ihr nicht nur grossartige Kontakte nach aussen erhalten, sondern auch gegen innen, zu mir selbst. Ich habe Erfahrungen gemacht, die mein Leben in einer Art bereichern, die ich kaum beschreiben kann. All mein berufliches Wirken ist Freude an der Musik, Lust auf deren Vermittlung und grösste Leidenschaft. Arbeit im eigentlichen Wortsinn ist es nicht. Deshalb kenne ich auch keine «Work-Life-Balance». Glücklich bin ich, weil ich meine allergrösste Leidenschaft zum Beruf gemacht habe und sich daraus all meine Gestaltungsspielräume ergeben durften