Lektüretipp: Liegt Musik in unseren Genen?

Montag, 18. November 2024

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Im Radio läuft ein bestimmter Song, und plötzlich sind Sie woanders. Musik hat diese unglaubliche Macht, uns zu bewegen, zu fesseln und in andere Welten zu entführen. Doch warum? Was steckt dahinter? Warum haben wir Menschen diese tiefe, fast instinktive Freude an Musik? Genau das fragt sich Rot. Jörn Bullerdiek (RC Osterholz) in seinem Buch «Warum Musik in unseren Genen liegt». Und er lädt uns ein zu einer faszinierenden Reise durch Evolution, Mythologie und unsere ganz eigene DNA.

Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine Haarlocke von Mozart in der Hand. Klingt kurios, oder? Doch Bullerdiek nimmt dieses Bild als Ausgangspunkt für eine uralte Frage: Warum lieben wir Menschen Musik? Charles Darwin selbst fragte sich, warum wir Freude am «Hervorbringen musikalischer Töne» empfinden. Für Bullerdiek ist klar, dass es hier um mehr geht als um Kultur oder Kunst. Musik ist tief in uns verankert – vielleicht sogar in unseren Genen.

Schon mal darüber nachgedacht, dass Musik uns beim Überleben geholfen haben könnte? Klingt vielleicht erst mal nach Science Fiction, aber die Idee dahinter ist absolut spannend: In den frühesten menschlichen Gemeinschaften spielte Musik eine entscheidende Rolle. Sie war nicht nur Ausdruck von Gefühlen, sondern auch ein Mittel, um Bindungen zu stärken, Vertrauen aufzubauen und das Überleben der Gruppe zu sichern. Gemeinsames Singen und Musizieren? Das war in gewisser Weise unsere ganz eigene Art der Synchronisation – und hat Gemeinschaften enger zusammengeschweisst.

Die Magie der Sirenen – Mythos oder mehr?

Und dann ist da noch die Mythologie, die in Bullerdieks Buch eine grosse Rolle spielt. Erinnern Sie sich an die Sirenen aus der griechischen Mythologie? Ihre Gesänge waren so betörend, dass Seefahrer ihnen verfielen und in den Tod stürzten. Musik war seit jeher mehr als nur Unterhaltung – sie hatte etwas Magisches, beinahe Übernatürliches. Bullerdiek nimmt uns an der Hand und führt uns durch all diese Geschichten, um aufzuzeigen, dass Musik in jeder Kultur als eine mächtige Kraft angesehen wurde.

Einen darf man in diesem Zusammenhang auf keinen Fall vergessen. Die Rede ist von Orpheus, dem Musiker, der mit seinem Gesang sogar die Götter rührte. Bullerdiek verbindet seine Geschichten mit modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Fast so, als hätten die alten Mythen einen tiefen, biologischen Kern. Vielleicht sind wir Menschen tatsächlich darauf programmiert, von Musik fasziniert zu sein – nicht nur mit unseren Ohren, sondern mit unserem gesamten Wesen, unserem Sein?

Und was passiert eigentlich in unserem Gehirn, wenn wir Musik hören? Bullerdiek und seine Mitautorin, die Sopranistin Christine Süssmuth, lassen sich bei der Beantwortung dieser Frage von der Neurowissenschaft helfen. Musik aktiviert bestimmte Regionen in unserem Gehirn, die mit Emotionen und Belohnung verbunden sind. Es wird Dopamin freigesetzt, das «Glückshormon». Und ja, es ist dasselbe Hormon, das ausgeschüttet wird, wenn Sie etwas extrem Angenehmes erleben, sei es ein gutes Essen oder einen Moment des Erfolgs.

Diese Reaktion auf Musik könnte der Grund sein, warum sie uns so tief berührt. Als wäre unser Gehirn darauf programmiert, Musik zu lieben und zu schätzen. Und Bullerdiek geht noch weiter: Es könnte sein, dass das Musizieren selbst – sei es Singen, Trommeln oder das Spielen eines Instruments – in unserer DNA verankert ist. Wir machen es, weil wir es müssen, weil es ein Teil dessen ist, was uns als Menschen ausmacht.

Musik als unser genetisches Erbe?

Am Ende bleibt die Frage: Liegt Musik wirklich in unseren Genen? Die Antwort von Bullerdiek ist eindeutig: Ja, und wie! Musik war und ist ein Teil unserer evolutionären Reise. Sie hat uns verbunden, hat uns stark gemacht und uns emotional weiterentwickelt. Dieses tiefe, fast instinktive Bedürfnis, Musik zu machen und zu erleben, könnte uns über Jahrtausende hinweg vererbt worden sein.

Also, das nächste Mal, wenn Sie einen Song hören und Sie dieser unwiderstehliche Drang überkommt, mitzusingen oder zumindest mitzuwippen, denken Sie daran: Es ist nicht nur Spass. Es ist Evolution. Es ist tief in Ihnen verwurzelt. Und das macht Musik umso erstaunlicher.

Jörn Bullerdiek und Christine Süssmuth: Warum Musik in unseren Genen liegt, Springer Verlag, 257 Seiten, 29.60 Franken


Warum haben wir Menschen diese tiefe Freude an Musik?, fragen sich Rot. Jörn Bullerdiek und Christine Süssmuth