Darf man einen Serviceclub mit einer Kampfkunst bzw. deren Philosophie vergleichen? Oder ist das anmassend, unverhältnismässig? Es könnte doch der Eindruck entstehen, dass das Clubleben und die Clubarbeit oft ein Kampf sind…
Trotz aller Unterschiede, die einem sofort ins Auge springen, erkenne ich als aktive Judo- und Jujitsuka einige wichtige Parallelen. Die vom Gründer des Judo, Jigoro Kano, vor knapp 140 Jahren aufgestellten Ethik-Grundsätze sagen eigentlich schon alles: Kano sprach von «ji ta kyō ei», dem gemeinsamen Gedeihen, und von «sei ryo ku zen yō», dem optimalen Einsatz. Auch Kanos höchstes Ziel, die Förderung des Weltfriedens, dürfte uns bekannt vorkommen. Gelungen ist ihm dies, wie wir eingestehen müssen, bisher nicht. Und doch: Die beiden Grundsätze helfen dabei, Konflikte zu lösen und unsere Arbeit zu erleichtern.
Das gemeinsame Gedeihen, Wachsen, sich Weiterentwickeln setzt ein paar ganz alltägliche und doch alles andere als selbstverständliche Werte voraus.
Respekt und Höflichkeit
Dazu gehört, dass wir uns in unserer Diversität anerkennen. Es ist normal, anders zu sein und anders zu denken. Ein wichtiger Satz in der Judo-Ethik-Charta lautet: «Auf der Matte sind wir alle Freunde.» Sollte das nicht auch für unsere Clubs gelten? Selbst wenn wir sonst das Heu nicht auf derselben Bühne haben, sind wir doch alle Mitglieder von Inner Wheel bzw. Rotary geworden, weil wir die Ideen dieser Organisation schätzen und in die Welt hinaustragen wollen.
Gemeinschaftsgeist und Freundschaft.
Im Judo oder Jujitsu kann ich meine Technik nicht verbessern, nichts lernen, ja nicht einmal kämpfen, wenn ich kein Gegenüber habe. In unseren Clubs verhält es sich nicht anders. «Allein vermag ich nicht viel zu tun, aber gemeinsam können wir viel erreichen», hat Kofi Annan einmal gesagt. Wenn wir die Welt ein kleines bisschen besser machen wollen, in unserer unmittelbaren Umgebung oder in fernen Ländern, müssen wir miteinander kooperieren und einander unterstützen.
Bescheidenheit und Mut
Es braucht Mut, eine Sache, die als gescheitert gilt, endgültig aufzugeben. Ebenso erfordert es Mut, etwas Neues in Angriff zu nehmen. Die Ideen und Vorschläge anderer aufzugreifen, ohne sie dabei als die eigenen zu deklarieren, erfordert wiederum Bescheidenheit. Auch anzuerkennen, dass man viele der eigenen Pläne nur mit der Hilfe anderer erreichen kann, setzt Bescheidenheit voraus. Genau so entstehen Win-Win-Situationen. Anders ausgedrückt: Wenn die physische, mentale und soziale Energie der andern mit der eigenen Energie verschmilzt, kann Grosses entstehen. Gleichzeitig lässt sich die Energie der anderen nutzen, um sich selbst zu entlasten oder gar zu schützen – beispielsweise, indem man Aufgaben delegiert. Genau das ist es, worauf der zweite Grundsatz von Jigoro Kano abzielt. Dadurch kann man die eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten weiterentwickeln und gleichzeitig diejenigen der anderen fördern.
Fairness und Gleichberechtigung
Dadurch, dass wir allen Mitgliedern die Möglichkeit geben, sich auf ihre ganz persönliche Art und Weise einzubringen, schaffen wir eine inklusive und vielfältige Umgebung. Voraussetzung muss dabei sein, dass wir sie vorurteilsfrei anhören und sie keinesfalls diskriminieren, auch wenn ihre Einfälle im ersten Moment vielleicht verrückt erscheinen mögen. Wenn wir es also schaffen, die Judo-Prinzipien und in unser Clubleben zu integrieren, wird es uns gelingen, als eine harmonische, kooperative und werteorientierte Organisation aufzutreten, die die Welt ein wenig besser macht.