"Danke, dass Sie das Leben meiner Enkelkinder gerettet haben"

Mittwoch, 14. Dezember 2022

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Jean-Pierre Muralti vom Rotary Club Echallens (VD) ist ein überglücklicher Großvater von fünf Enkelkindern. Zwei von ihnen überlebten dank der Intervention von Professor David Baud, einem Spezialisten für Fetalchirurgie am CHUV. Für das Rotary Magazin berichtet die Familie von diesem Moment, der ihr Leben beinahe auf den Kopf gestellt hätte.

Die Emotionen waren im Auditorium des CHUV spürbar, als Professor David Baud, leitender Arzt der Geburtshilfeabteilung des CHUV und einer der wenigen Spezialisten für Fetaltherapie und -chirurgie in der Schweiz, seine Arbeit auf der Rotary Uni des Distrikts 1990 in Lausanne vorstellte (Veranstaltung im November letzten Jahres, siehe Ausgabe Dezember 2022). Doch ein Mann im Publikum war von diesen Berichten über Eingriffe, die gleichermaßen von Freude und Not, Leben und Tod sprechen, mehr berührt als alle anderen: Jean-Pierre Muralti, Rotarier aus Echallens, hatte schlichtweg Tränen in den Augen. 

Erinnerung an den 23. März 2015 wiederbelebt

Für ihn, der heute überglücklicher Großvater von Loris und Arnaud ist, war es wie ein Rückblick, eine wiederbelebte Erinnerung an den 23. März 2015, der Leben hätte auf den Kopf stellen können. Ihre Schwiegertochter Amélie wurde damals von ihrem Gynäkologen als Notfall ins CHUV geschickt, weil dieser bei der jungen Schwangeren das "transfuseur transfusé"-Syndrom festgestellt hatte. Diese Komplikation tritt nur bei Schwangerschaften auf, bei denen sich die beiden Zwillinge eine einzige Plazenta teilen. Der Spenderzwilling kann sich nicht entwickeln, während der Empfängerzwilling gefährlich wächst - ohne Behandlung liegt das Risiko, dass beide Babys sterben, bei 90 Prozent.

Heute legt Jean-Pierre Muralti gerne und voller Dankbarkeit Zeugnis von diesem entscheidenden Moment im Leben der Familie ab. Zusammen mit seiner Frau Jeanne blättert er im Album der Zwillinge, die heute siebeneinhalb Jahre alt sind, und schwelgt in Erinnerungen angesichts der Fotos, die die beiden Babys in der Neonatologie zeigen, ganz klein in ihrem Inkubator mit einem milchgetränkten Q-Tip zwischen ihren winzigen Lippen. "Ohne Dr. Baud hätte meine Schwiegertochter die beiden Zwillinge verloren", sagt Jean-Pierre Muralti nachdenklich. Vor seiner Präsentation in Lausanne wandte er sich spontan an den Arzt und dankte ihm, "dass er das Leben meiner Enkelkinder gerettet hat". 

Das Stipendium von Rotary International

Der Arzt erinnert sich gut daran, dass dies erst seine zweite Operation in Lausanne war, nachdem er sich zwei Jahre lang in Toronto, Kanada, in diesem Fachgebiet hatte ausbilden lassen. Übrigens zum Teil dank eines Stipendiums von Rotary International, einem Ambassadorial Scholarship, für das er immer noch sehr dankbar ist. Hinzu kamen weitere finanzielle Unterstützungen durch Stiftungen, aber der junge Arzt musste, um diese Ausbildung zu finanzieren, auch einen Kredit aufnehmen, den er später zurückzahlen musste. "Man geht nicht ins Ausland, um reich zu werden, sondern weil man mit Leidenschaft dabei ist", lächelt er. 

Seitdem führt er fetale Transfusionen durch, legt Blasendrainagen und operiert mit dem Laser, wie im Fall der Muralti-Zwillinge. Es sind Hochleistungsoperationen, die Leben im Bauch der Mütter retten, aber sie sind "nur eine Etappe auf dem Weg zur Geburt und darüber hinaus", wie der Arzt betont. Tatsächlich kam die Schwiegertochter von Jean-Pierre Muralti ein zweites Mal als Notfall ins CHUV, mit Blutungen, die auch ihr eigenes Leben in Gefahr brachten. Alles ging gut aus: Loris und Arnaud kamen am 29. April 2015 mit einem Gewicht von 950 bzw. 1050 Gramm auf die Welt. Amélie sammelte im Krankenhaus ihre Kräfte, um sie gemeinsam mit ihrem Mann Jean-Luc den beiden Frühgeborenen widmen zu können.

Ein Familienleben

Die Großeltern Muralti sind sich einig, dass diese Erfahrung eine Familie, für die das Familienleben schon immer einen hohen Stellenwert hatte, noch mehr zusammengeschweißt hat. "Wir wollten unseren drei Jungen Zeit geben", erzählt Jeanne Muralti. Sie machte die schmerzliche Erfahrung, ihr zweites Kind an den Folgen einer am Tag nach der Geburt zu verlieren. Mit einem Kloß im Hals sagt ihr Mann, dass sie wirklich "alles gesehen" hätten.

Aber Platz für Leichtigkeit und Freude! Mit 75 bzw. 74 Jahren sind Jean-Pierre und Jeanne heute glückliche Großeltern von fünf Enkelkindern. Loris und Arnaud haben sich zu "liebenswerten kleinen Knirpsen entwickelt, die körperlich und geistig auf der Höhe sind". Sie sehen sich zum Verwechseln ähnlich, sind unzertrennlich, spielen beide Gitarre und gehen beide schwimmen. Und wenn die beiden mit den Großeltern Karten spielen, stehen sie geschlossen hintereinander. Jean-Pierre und Jeanne brechen in ein fröhliches Gelächter aus. Die Großmutter erzählt, dass jeder der beiden Zwillinge etwas für den Bruder beiseite legt, wenn er etwas bekommt. Vielleicht ist das ein Zeichen dafür, dass die Freude am Teilen in einer eng verbundenen Familie bereits an die nächste Generation weitergegeben wurde.

 

Interview:

"Ich bitte die Eltern, einmal im Jahr an mich zu denken".

Das Schicksal vieler Kinder und damit auch ihrer Eltern liegt in Ihren Händen. Wie erleben Sie diesen Druck?

Eigentlich ist eine In-utero-OP weniger belastend als ein Kaiserschnitt. Bei einem Kaiserschnitt erwarten die Eltern grundsätzlich eine hundertprozentige Erfolgsquote, aber Komplikationen sind immer möglich. Sie sind nicht leicht zu erklären, wenn die Eltern nicht mit einer schlechten Nachricht rechnen. Bei einer In-utero-Intervention gehen wir von einer Situation aus, die auf den ersten Blick hoffnungslos ist - und die nur noch verbessert werden kann. Ich verbringe viel Zeit damit, vor einem Eingriff mit den Eltern zu sprechen, ihnen die Risiken zu erläutern und ihnen zu erklären, was ich beherrschen kann und was nicht. Sie sind also auf eine mögliche "Nicht-Verbesserung" vorbereitet, aber mit dem Gefühl, dass man alles versucht hat und dass es im schlimmsten Fall vielleicht nicht klappt. Sie rechnen also von vornherein mit einer schwierigen Intervention. Sie wissen, dass es ohne Eingriff keine Hoffnung auf ein Überleben für ihre Babys gibt.

Der Stress, der bei einer Operation bewältigt werden muss, muss dennoch enorm sein.

Ein Flugzeugpilot darf beim Start keine zittrigen Hände haben. Für einen Chirurgen ist es das Gleiche. Man lernt, mit diesem Stress umzugehen, man trainiert. Im Moment der Operation bin ich wie in einer Blase, voll konzentriert auf das, was ich gerade tue. Ausdauersport hat mir bei meiner beruflichen Tätigkeit sehr geholfen. Ich laufe unter anderem sehr lange Strecken*, gehe bergsteigen und nehme an der Gletscherpatrouille teil. Beim Ausdauersport muss man auch schwierige Kapseln überwinden können, langsamer werden, wenn es sein muss, aber immer das Ziel im Auge behalten und in dieser Konzentrationsblase bleiben.

Sie operieren oft im Tandem mit Ihrem Kollegen am Inselspital in Bern.

Ja, ein Eingriff in utero ist und bleibt eine Hochleistungsoperation. Wenn ich allein bin, ist die Konzentration so hoch, dass ich nach der Operation "tot" bin. Zu zweit ist es einfacher, einer denkt nach, der andere operiert, wir können uns abwechseln. In 80 Prozent der Fälle sind wir zu zweit. 

Zusammen mit Ihrem Kollegen in Bern sind Sie die beiden einzigen Ärzte in der Schweiz, die In-Utero-Therapien anbieten. Wird es einen Nachfolger geben?

In der Schweiz ist es schwierig, Nachwuchs auszubilden, da wir nur 20 bis 25 große Eingriffe pro Jahr zwischen den beiden Krankenhäusern haben. Man braucht eine kritische Masse, um eine echte Meisterschaft entwickeln zu können. Aber wir werden eine neue Person ausbilden, also sollte der Nachwuchs sichergestellt werden können. Und dann sollte ich noch 15 Jahre weitermachen können, ich bin ja noch jung!

Ist Spitzenmedizin gleichbedeutend mit hohen Kosten?

Es ist der Kauf des Materials, der viel Geld gekostet hat und für den wir die Hilfe von Sponsoren wie der Loterie Romande hatten, wofür ich ihnen nochmals danke. Dieses Material kann sterilisiert und wiederverwendet werden, es handelt sich also um eine einmalige Investition. Der Eingriff an sich kostet kaum mehr als ein Kaiserschnitt.

Bleiben Sie mit den Eltern, deren Babys Sie gerettet haben, in Kontakt?

Ich sage Eltern, die sich bei mir bedanken möchten, immer, dass sie einmal im Jahr, wenn ihre Kinder Geburtstag haben, an mich denken und mir ein Foto schicken sollen. Zu sehen, dass es den Kindern gut geht, dass sie sich entwickeln und wachsen, dass sie in die Schule gehen, ist wirklich sehr schön. 

*Professor David Baud half bei der Gründung einer Stiftung für die Weiterbildung und Forschung in der Gynäkologie und Geburtshilfe. Einmal im Jahr läuft er die mit 1 Franken = 1 Meter finanzierte Strecke mit dem Ziel, einmal um den Genfersee zu laufen. "Die Natur hat mir ein Herz gegeben, das bei Anstrengung sehr lange durchhält", sagt er. 

Rot. Jean-Pierre Muralti und seine Frau Jeanne mit dem Fotoalbum, das die schwierige Anfangszeit der Zwillinge dokumentiert