RYLA

Dienstag, 4. Januar 2022

Seit 2003 engagiert sich Sophie Winkler (38) mit Herz und Seele für RYLA. Das Wochenendseminar hat sie erst zu Rotaract, später zu Rotary gebracht. «Die beste Nachwuchsquelle überhaupt», lacht die sympathische junge Frau. Wir haben mit ihr über RYLA gesprochen, über Führung im Allgemeinen und die Frage, wieso jeder, wirklich jeder von uns sich damit auseinandersetzen sollte.

Liebe Sophie, ehe wir einsteigen, erkläre uns doch erstmal: Wofür steht RYLA überhaupt?

Sophie Winkler: RYLA steht für Rotary Youth Leadership Award. Das Programm wird rund um den Globus angeboten – in unterschiedlichsten Formen. Manchmal erstreckt sich das Seminar über eine ganze Woche, in anderen Fällen dauert es nur einen Tag. Der Distrikt 2000 ist in Bezug auf RYLA ziemlich aktiv; im Distrikt 1990 hingegen gibt es RYLA aktuell nicht. Wir im Distrikt 1980 bieten traditionellerweise ein Wochenende an, an dem sich die jungen Leute mit Leadership beschäftigen dürfen. Dabei geht es um Leadership auf verschiedensten Ebenen.

Also nicht nur im geschäftlichen Kontext?

Ja genau. Wir betrachten wir Führung wirklich aus unterschiedlichsten Perspektiven. Viele unserer Teilnehmer – sie sind altersmässig so zwischen 20 und 35 Jahren – bringen selbst noch nicht viel Führungserfahrung im klassischen Sinn mit. Vielleicht setzen sie sich im RYLA sogar zum ersten Mal bewusst mit Führung auseinander. Was wir ihnen mit auf den Weg geben wollen, ist erstens: Führung findet nicht nur im Berufsleben statt. Und zweitens: Führung geht immer in zwei Richtungen. Es gibt einen, der führt, und einen, der geführt wird. Und auch das Geführt werden erfordert Fähigkeiten. 

Wie vermittelt Ihr das Wissen? Wird da streng gepaukt?

Nein, überhaupt nicht. (lacht) Du musst dir das so vorstellen: Bei uns kommen am Freitagnachmittag 30 junge Leute an, die sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht kennen. Das Spektrum, das sie abdecken, ist riesig. Die einen studieren noch, die anderen stehen schon mit beiden Beinen im Berufsleben. Da trifft die Landschaftsgärtnerin auf den Banker, der Mechaniker auf die Jus-Studentin. Wir wissen nie, was auf uns zukommt.

Wer wählt die Teilnehmer denn aus?

Das sind die Clubs bei uns im Distrikt. Sie entscheiden, ob und falls ja: wen sie ans RYLA schicken. Sie tragen teilweise[SW1]  die Kosten für ihren «Schützling» - und dieser revanchiert sich, indem er nach dem RYLA im Club über seine Erfahrungen berichtet. 

Und die Teilnehmer, wissen die denn, was auf sie zukommt?

Nein, auch denen ist oft schleierhaft, was sie am RYLA erwartet. (lacht herzlich) Irgendwas mit Führung, soviel steht fest. Aber der Rest? Vollkommen offen. Wenn ich mich für ein Ski-Wochenende anmelde, dann weiss ich, womit ich rechnen darf. Beim RYLA ist das anders. Auch unter Rotary können sich manche ja überhaupt nichts vorstellen. Andere hingegen, deren Eltern vielleicht Rotarier sind, wissen Bescheid. 

Was genau passiert mit dieser bunten Schar?

Wir starten am Freitagabend immer mit einem Film: Apollo 13. Es ist frappant, was dieser Hollywoodklassiker hinsichtlich Führung bereithält! Da staunen wir jedes Jahr aufs Neue. Am Samstag gibt es jeweils verschiedene Blocks, in denen Themen wie Führungsrollen, -prinzipien, -prozesse und -instrumente behandelt werden. Auch Gesprächsführung und die Entscheidungen im Führungsprozess stehen auf der Agenda. Davor, dazwischen und danach gibt es aber immer reichlich Raum, um ins Gespräch zu kommen, um das Gelernte zu verdauen und um – seien wir ehrlich – gemeinsam Spass zu haben.

Heisst, da kommt am Sonntag manch einer mit verschlafenen Augen zur Podiumsdiskussion?

Ja, das ist so. Das haben wir jedes Jahr. Und so soll es auch sein. Wir wollen ja nicht stur Inhalte vermitteln; wir wollen unseren Teilnehmern ein unvergessliches Wochenende bieten – und sie im Idealfall auch für Rotary begeistern. 

Missioniert wird da aber hoffentlich nicht?

Nein, das machen wir nicht. Wir wollen bewusst keine Werbeveranstaltung sein; vom rotarischen Brainwashing ganz zu schweigen. Die Teilnehmer wissen, dass ein Rotary Club sie schickt, und dass dieser auch die Kosten trägt. Ihnen ist klar, dass wir Organisatoren und viele der Referenten und Podiumsgäste Rotarier sind. Und üblicherweise kommt am Sonntagmorgen der Governor – voriges Mal: Ursula Schöpfer – und stellt unsere Organisation vor. Daneben ist Rotary aber kein Thema. Im Fokus steht klar die Führung. 

Und die ist, wie wir vorhin schon kurz angesprochen haben, quasi omnipräsent?

Absolut! Es geht nicht allein darum, in der Firma ein Team zu führen. Eine Mutter managt ihre Kinder, der Tourguide leitet die Touristen sicher durch den Dschungel, die Verkäuferin verhilft der Kundin zum perfekten Kleid. Im privaten und im beruflichen Leben, im Job genau wie im Alltag: Führung ist überall. Sie begleitet uns ständig.

Genau darum macht es Sinn, sich damit auseinanderzusetzen?

Ganz genau! 

Fredmund Malik schreibt in seinem Klassiker «Führen – Leisten – Leben», dass jeder von uns ein Manager ist. Kann man das eins zu eins auf Leader übertragen?

Ich würde sagen: unbedingt! Leadership ist Bestandteil des täglichen Lebens. Eigentlich wie Rotary...

Wo Du’s schon ansprichst: Du hast als Anwältin alle Hände voll zu tun, bist pflichtbewusste Rotarierin und investierst zusätzlich soviel Zeit und Mühe für RYLA – warum? 

Ich kann gar nicht anders! Im Ernst: Ich durfte 2003 selbst am RYLA teilnehmen. Damals habe ich Feuer gefangen! Nach dem Wochenende war ich so begeistert, dass ich gemeinsam mit zwei anderen RYLA-Teilnehmern den Rotaract Club Basel wiederbelebt habe. Als ich ein Jahr später von der RYLA-Kommission gefragt wurde, ob ich nicht als Vertreterin von Rotaract dort mitwirken wollte, war’s geschehen – seither bin ich dabei. RYLA ist – genau wie Rotary – ein fixer Bestandteil meines Lebens. 

Eigentlich der perfekte Werdegang, oder?

Ja, vielleicht. Aber ich bin da keine Ausnahme. Von den 30 Teilnehmern, die im November 2021 am RYLA dabei waren, sind inzwischen drei bei Rotaract. Zehn Prozent – das ist ein super Schnitt! 

Sollten angesichts dessen nicht viel mehr Clubs junge Menschen zu Euch schicken? 

Ja und nein. Auf der einen Seite sind unsere Kapazitäten begrenzt. Wir können nicht so viele Teilnehmer einladen, wie wir gerne würden. Andererseits gibt es immer noch Clubs, die sich beim RYLA sehr zurückhalten oder schlichtweg nicht wissen, was das ist. Denen würden wir gern aufzeigen, was wir machen – und wie sie selbst aktiv werden könnten. Wer da Interesse hätte – einfach melden. (grinst)

Dann hoffen wir, dass sich viele Clubs bei Dir melden, liebe Sophie, und danken Dir herzlich für diesen spannenden Einblick.

https://www.rotary.org/de/our-programs/rotary-youth-leadership-awards

 

Rotary Young Leadership Award

Die Ursprünge von RYLA liegen in Australien. 1959 lud die Landesregierung von Queensland die örtlichen Rotary Clubs dazu ein, bei der Planung der 100-Jahr-Feier mitzuwirken. Prinzessin Alexandra, ein Mitglied der britischen Königsfamilie, hatte ihr Kommen zugesagt. Nachdem die Prinzessin damals in ihren späten Zwanzigern war, konzentrierte man sich bei der Vorbereitung der Feierlichkeiten besonders auf diese Altersgruppe. Das daraus resultierende «gundoo», wie die Aborigines ein «Festival» nennen, war ein immenser Erfolg. Rund 300 junge Menschen zwischen 17 und 23 Jahren hatten unvergessliche Tage miteinander verbracht. Nach diesem Vorbild brachten australische Rotarier 1960 das erste RYLA auf den Weg. Ihr Ziel: Jugendliche zwischen 14 und 30 in Charakter, Führungsqualitäten, persönlicher Entwicklung und guter Staatsbürgerschaft zu schulen.

Von Australien aus trat RYLA seinen Siegeszug an; heute finden entsprechende Veranstaltungen rund um den Globus statt. Wenngleich das Format von Distrikt zu Distrikt variiert – von einem Tag bis hin zu einer Woche, geht es RYLA doch immer darum, die Leader von Morgen auf ihren Weg vorzubereiten und ihnen das nötige Rüstzeug an die Hand zu geben, um in jeder Hinsicht erfolgreich zu sein. Wer einen Rotary Club findet, der ihn sponsort, wer aufgeschlossen ist für neue Kontakte, wer sein Wissen zu Führungsthemen vertiefen, eigene Erfahrungen einbringen und hernach bei «seinem» Rotary Club berichten möchte, ist am RYLA herzlich willkommen.


Rot. Sophie Winkler