Council on Legislation: Zwischen Satzung und Zukunft

Sonntag, 18. Mai 2025

vmn

Als im April in Chicago der Council on Legislation tagte, waren mit den ehemaligen Governors Claudine Wyssa, Anders Holte und Rocco Olgiati auch drei Vertreter aus Schweiz/Liechtenstein anwesend.

Was bleibt vom Council on Legislation 2025? Eine ganze Menge Paragrafen, Zahlen und neue Regeln. Aber eben nicht nur. Wer dabei war, berichtet auch von Zwischentönen: von Stimmungen, Widersprüchen, Reibungen, Realitäten. Mitten im Geschehen: Drei Delegierte aus der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein – PDG Claudine Wyssa (Distrikt 1990), PDG Rocco Olgiati (Distrikt 1980) und PDG Anders Holte (Distrikt 2000).

Der Council on Legislation (CoL) ist das legislative Gremium von Rotary International. Alle drei Jahre treffen sich Delegierte aus den rund 500 Distrikten weltweit, um über Anträge zu beraten und abzustimmen, die die rotarischen Verfassungsdokumente betreffen. In diesem Jahr wurden etwa 480 Vertreter im Hyatt Regency Hotel in Chicago erwartet. Vor ihnen auf dem Tisch lagen insgesamt 78 Anträge; 20 davon waren direkt vom RI-Board eingereicht worden. Die Themen reichten von Mitgliederentwicklung über Governance-Fragen bis hin zu ethischen Standards und Finanztransparenz.

«Dieser Rat repräsentiert das Herzstück des demokratischen Prozesses von Rotary und das Beste unseres internationalen Geistes», sagte RI-Präsidentin Stephanie Urchick zur Eröffnung. «Hier kommen Stimmen aus allen Teilen der Welt zusammen – nicht um zu konkurrieren, sondern um zusammenzuarbeiten.»

Neben den offiziellen Sitzungen war auch der informelle Austausch von zentraler Bedeutung. Im Vorfeld fanden unter anderem Gespräche mit Delegierten aus Europa sowie ein Austausch mit Zonen-Direktor Hans-Hermann Kasten statt. Dabei ging es darum, gemeinsame Perspektiven für eine zukunftsorientierte Entwicklung Rotarys zu diskutieren – stets mit dem Anspruch, Rotary als bottom-up-orientierte Organisation weiterzuentwickeln.

Eines der meistdiskutierten Themen war die Beitragserhöhung – oder, wie PDG Anders Holte es nennt: der «Dauerbrenner Geld». Ab dem rotarischen Jahr 2025/26 steigt der jährliche Beitrag schrittweise von derzeit 71 auf 93 US-Dollar bis 2028/29. Die Massnahme wurde erst nach einer 45-minütigen, kontrovers geführten Debatte mit 351 zu 135 Stimmen angenommen. Während Befürworter die Notwendigkeit mit steigenden Kosten und dem Wunsch nach finanzieller Stabilität begründeten, forderten Kritiker mehr Transparenz und sichtbare Sparanstrengungen.

Mehrere Anträge zielten darauf ab, genau hier nachzubessern. So wurde mit 298 zu 186 Stimmen beschlossen, dass der alle fünf Jahre vorgestellte Finanzplan künftig auch Verbesserungen in den internen Prozessen sowie konkrete Kostensenkungsmassnahmen enthalten muss. Ein weiterer Antrag forderte vom RI-Board mehr Transparenz bei der Zusammenarbeit zwischen Hauptsitz und den internationalen Büros – auch dieser wurde mit klarer Mehrheit angenommen. Ein Vorstoss, alle Einzelposten über einer Million Dollar künftig detailliert aufzulisten, wurde hingegen mit 331 zu 151 Stimmen abgelehnt – nicht zuletzt mit dem augenzwinkernden Hinweis eines Delegierten: «Ich möchte nicht, dass meine Frau in der Jahresrechnung liest, dass ich am CoL eine Pizza gegessen habe.»

Auch strukturelle Veränderungen wurden beschlossen, wie PDG Rocco Olgiati berichtet: Die für die Gründung eines neuen Rotary Clubs erforderliche Mitgliederzahl wurde von 20 auf 15 gesenkt – ein Schritt, der gerade in Regionen mit schwächerem Wachstum neue Perspektiven eröffnen soll. Die Verpflichtung zur Distriktkonferenz entfällt künftig, sofern alternative Austauschformate vorhanden sind. Bei ethischen Verstössen erhalten Clubs neu eine klarere Handhabe: Wer die im Artikel 4.2a der RI-Statuten festgelegten ethischen Grundsätze nicht mehr erfüllt, muss aus dem Club ausgeschlossen werden – aus gerechtfertigten Gründen. Bleibt der Club untätig, kann das RI-Board eine Ausschlussforderung stellen. Reagiert der Club nicht innert 30 Tagen mit einer triftigen Begründung, kann das Board selbst tätig werden. Und: Es bleibt dabei, dass Rotary und seine Clubs sich weder direkt noch indirekt politisch positionieren dürfen – diese Neutralität wurde nochmals ausdrücklich bestätigt.

Ein weiteres zentrales Thema: die Rolle von Rotaract. Mehrere Anträge, eine Altersbeschränkung für Rotaracter einzuführen, wurden klar abgelehnt – ein Zeichen für Offenheit und Generationendialog. Auch bei der Definition der Rotary-Zonen sollen künftig nicht mehr nur die Mitgliederzahl, sondern auch kulturelle und sprachliche Aspekte berücksichtigt werden – ein Schritt hin zu mehr regionaler Differenzierung.

Zwischen den Zeilen zog sich eine zentrale Frage durch viele Debatten: Wohin steuert Rotary in einer Welt voller Umbrüche? Für PDG Claudine Wyssa spiegelte sich diese Unsicherheit besonders deutlich in den Diskussionen rund um Strukturreformen und Mitgliederentwicklung. Schon 2022 hatte der Council dem RI-Board erlaubt, sogenannte Pilotzonen einzurichten – zunächst in Australien und Grossbritannien. Dort werden neue Formen der Organisation getestet, um den Mitgliederverlust zu stoppen. Denn in vielen Teilen der Welt befindet sich Rotary im Rückzug: Die Gewinnung neuer, insbesondere junger Mitglieder gelingt oft nur schwer, parallel dazu kommt es vermehrt zu Austritten. Positive Auswirkungen dieser Pilotprojekte lassen bislang auf sich warten, erste Ergebnisse werden frühestens ab 2027 erwartet. Der CoL 2025 hat dem Board dennoch die Kompetenz erteilt, bereits jetzt neue Pilotzonen in anderen Regionen zu definieren.

Grundsätzlich, so Wyssa, ist die Reflexion über die Zukunft der Organisation dringend geworden. Ein französischer Delegierter brachte es auf den Punkt: Rotary steht auf zwei Beinen – dem beruflichen und dem humanitären. Wenn eines davon schwächelt, gerät das Gleichgewicht in Gefahr. Während das humanitäre Engagement über die Rotary Foundation bestens abgesichert ist, braucht das berufliche Standbein eine Erneuerung. Die rotarischen Strukturen und Regeln müssten sich an die Realität der heutigen Gesellschaft anpassen, insbesondere an die Erwartungen der heute etwa 40-Jährigen. Der CoL verzichtete daher bewusst auf allzu strenge Vorgaben für die Clubs und überliess es vielmehr dem «génie local», also dem lokalen Gestaltungswillen, eigene Regeln und Ziele entsprechend der jeweiligen Situation zu entwickeln. Zugleich versuchte man, Rotary für junge Berufstätige attraktiver zu machen – etwa durch grössere Freiheiten bei Rotaract, insbesondere in Bezug auf Altersgrenzen.

Ein weiteres Thema, das auffällig zurückhaltend behandelt wurde, war DEI – Diversity, Equity, Inclusion. Während dieser Themenkomplex in früheren Councils noch prominent diskutiert worden war, spielte er diesmal nur eine Nebenrolle. Für Claudine Wyssa ein bemerkenswerter Befund – möglicherweise Ausdruck tieferliegender Verschiebungen innerhalb der Organisation. Sie beobachtet: Der Einfluss der USA, lange prägend für viele Entwicklungen, nimmt ab, während asiatische Länder an Gewicht gewinnen. Eine Veränderung der Kräfteverhältnisse zeichnet sich ab und könnte Rotary in den kommenden Jahren stärker prägen, als bisher gedacht.

Zum Schluss noch ein Blick auf die Form: Ein Antrag aus Deutschland setzte durch, dass der CoL künftig nur in absoluten Ausnahmefällen online oder hybrid stattfinden darf. Die persönliche Debatte, das kollektive Ringen um Positionen – all das soll erhalten bleiben. Denn genau darin liegt die Stärke dieses «rotarischen Parlaments».

Von links: PDG Anders Holte, PDG Claudine Wyssa und PDG Rocco Olgiati