Rotary International Institute Basel 2022

Dienstag, 1. Februar 2022

Diesen zwei der vier Schwerpunktthemen, welche am Rotary International Institute 2022 in Basel auf dem Programm stehen, gebührt eine besondere Priorität: Friedensförderung und «Die Zukunft von Rotary». Wir begründen, weshalb.  

Basel wird Treffpunkt von Rotarierinnen und Rotariern aus halb Europa. Die Kulturhauptstadt der Schweiz erwartet in den fünf Tagen zwischen dem Mittwoch, 2. November, und dem Sonntag, 6. November, Gäste aus 66 Distrikten. Der Event ist in drei Teile gegliedert: Er beginnt mit den Trainings-Seminaren für die Governor Elect und die Governor Nominee, wird mit einem Foundation-Seminar fortgesetzt und erlebt mit dem Rotary International Institute 2022 seinen Höhepunkt. Auch die erste Weltpräsidentin von Rotary International, Jennifer E. Jones vom RC Windsor-Roseland (Kanada), wird der Veranstaltung mit ihrer Teilnahme und Referaten die Ehre erweisen. 

«Die Vorbereitung läuft plangemäss», erklärt Urs Herzog (RC Allschwil-Regio Basel). Das Budget ist genehmigt, jetzt sei man auf der Suche nach Sponsoren. Der Präsident des Organisationskomitees hofft auf eine grosszügige Unterstützung seitens der Wirtschaft und anderer Institutionen aus der Region am Rheinknie. «Unser Ziel liegt bei einem sechsstelligen Beitrag», sagt PDG Herzog. RI Direktor Urs Klemm (RC Aarau), DG Ursula Schoepfer (RC Allschwil-Regio Basel), DGE Christine Davatz (RC Solothurn-Land), Martina Koch (RC Angenstein) und PDG Max Herzig (RC Basel) und er bilden das Kernteam, das beauftragt ist, den Anlass aufzugleisen. Für die Ressorts Kommunikation, Technik, Unterkunft/Verpflegung und Kulturelles sind einzelne Fachgruppen gebildet worden. Alle Konferenzen ausser dem Gala-Abend und einem Benefizkonzert zugunsten der Polio-Kampagne werden im neuen Basler Mövenpick Hotel stattfinden. «Die Vorfreude ist riesig», betont Urs Herzog. Ja, es sei mehr als willkommen, dass man sich nach über zwei Jahren Pandemie wieder einmal auf einem internationalen rotarischen Parkett werde begegnen können.

An den Plenarsitzungen und dem Break-out-Sessions fokussiert man sich – auf Wunsch von Urs Klemm, dem eigentlichen Gastgeber am Institute – auf vier Themen: «Environment», «Peace», «Mother and Child Health» und «The Future of Rotary». Mittlerweile steht auch fest, wer den einzelnen Bereichen als Opinion-Leader vorstehen wird. Es sind dies der Rotarier Ludwig Kalthoff aus dem RC Bochum (Distrikt 1900) im Bereich «Umwelt», die Rotarierin Sibylle Rupprecht vom RC Genève International im Bereich «Friedensförderung», Dr. Anshu Banerjee von der WHO in Genf im Bereich «Mutter und Kind» sowie RI Past Präsident Holger Knaack vom Rotary Club Herzogtum Lauenburg-Mölln (Distrikt 1940) im Bereich «Die Zukunft von Rotary».

DAS NEBEN- UND MITEINANDER ALS WERTVOLLES GUT PFLEGEN

«Gerade das aktuelle Geschehen in der Ukraine zeigt, dass das Bedürfnis nach Frieden enorm hoch ist», antwortet PDG Herzog auf die Frage, weshalb das Thema «Peace» an diesem November-Wochenende im Zentrum der Diskussionen stehen werde. «Es ist zwingend notwendig, dass man alle Menschen und alle Organisationen, welche Frieden vermitteln, unterstützt, dass man das gemeinsame Neben- und Miteinander als wertvolles Gut pflegt», ergänzt er, «unabhängig von Religion, Herkunft und Hautfarbe.» Am Rotary International Institute 2022 in Basel ist vorgesehen, verschiedene Projekte zu präsentieren und in Gesprächen mit Fachleuten mögliche Lösungen von Konfliktsituationen zu erörtern. Alle Anwesenden sollen sich persönlich an gezielten Massnahmen im Bereich der Friedensförderung beteiligen.

Schon seit einiger Zeit unterstützt Rotary International sogenannte «Peace Centers». In diesen Zentren werden junge Leute in Form einer fachgerechten Ausbildung befähigt, sowohl in NGOs wie auch auf Regierungsebenen tätig zu werden. Jährlich werden weltweit an die hundert Peace Fellows geschult, insgesamt waren es bis anhin über 1000. Zwei von ihnen sind Mitglieder des RC Basel International: Petra Vahle Francis und Domino Francis.

Rotary war eine von 42 internationalen Organisationen, welche im Jahr 1945 einen aktiven Beitrag zur Gründung der Vereinten Nationen, der UNO, leisteten. Amerika vertrat damals einen eher isolationistischen Kurs. Es waren namhafte Rotarier des RC New York, welche den Delegierten der USA das Potenzial einer internationalen Vernetzung aufzeigten. Sie luden sie zu Lunches ein und veranschaulichten anhand von Rotary, was man gemeinsam weltweit bewirken kann. Dieser wichtigen «Geburtshilfe» ist zu verdanken, dass Rotary International bei der UNO heute noch einen Beobachterstatus geniesst, sich in die Debatten einbringen und Ideen platzieren kann. Als RI-Delegierter am UN-Sitz in Genf amtiert gegenwärtig der ehemalige Botschafter Walter Gyger, Mitglied des RC Genève International.

SIGNIFIKANTER BEITRAG ZUR WIEDERVEREINIGUNG EUROPAS

1931, als sich ihre Nationen noch als Erbfeinde gegenüberstanden, konstituierten sich deutsche und französische Rotarier als «petit comité». In den frühen Fünfzigerjahren, also nach dem zweiten Weltkrieg, wurde ihre Gruppe als Rotary Intercountry Committee (ICC) reaktiviert mit dem einzigen Ziel, Frankreich und Deutschland miteinander zu versöhnen. Heute noch wird dem damaligen ICC France-Allemagne attestiert, einen signifikanten Beitrag zur Wiedervereinigung Europas geleistet zu haben.

«Frieden ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass rotarische Aktivitäten erfolgversprechend umgesetzt werden können», philosophierte Urs Klemm im November 2020 im Interview mit diesem Magazin, «ohne Frieden kann man keine Wasserversorgungen bauen, kann man nicht dafür sorgen, dass weniger Mütter sterben, kann man keine Ausbildungen fördern.» Die Peace Fellows von Rotary würden unterschiedliche Parteien an einen Tisch bringen, unter unterschiedlichen Interessen vermitteln. Sie seien so bestrebt, Konflikte auf friedliche Art zu lösen, was nur möglich sei, weil Rotary nicht a priori politische Standpunkte einnehme und damit als eine Art Treuhänder akzeptiert werde. Urs Klemm damals: «Als bestes Beispiel dafür verweise ich auf den Einsatz von Alejandro Reyes Lozano vom RC Bogotá Capital. Rotarier Lozano unterstützte auf vorbildliche Weise die Verhandlungsdelegationen, denen es im Jahr 2017 gelang, die Feindseligkeiten zwischen der Regierung und den revolutionären Streitkräften Kolumbiens, der FARC, nach 50 Jahren bewaffneter Konflikte im Land zu beenden.»

Rotarier Dirk Lustig (Kyiv Multinational Rotary Club) betrachtete es bis vor kurzem noch als eine Passion,freundschaftliche Kontakte zwischen ukrainischen und russischen Rotary Clubs zu fördern. «Ich hoffe, dass Dirk im November zu uns nach Basel kommen und für uns aufzeichnen kann, welch immensen Beitrag Rotary zur Aussöhnung unter verfehdeten Gruppierungen leisten könnte», fügt Urs Herzog bei.

«WER NICHT BESSER WIRD, HAT AUFGEHÖRT, GUT ZU SEIN»

Das Thema «Die Zukunft von Rotary» beschäftigt die Führung von RI permanent. Holger Knaack war im Rotary-Jahr 2020/21 Präsident von Rotary International. Er hat, auch als Governor 2006/07, als Mitglied im Board of Directors und als Co-Vorsitzender der Convention 2019 in Hamburg die an Facetten reiche Welt von Rotary so umfassend wie nur wenige andere rotarische Persönlichkeiten kennengelernt. Am Institute in Basel, wenn es darum gehen wird, sich über das weitere Gedeihen unserer Service-Bewegung grundlegende Gedanken zu machen, wird er als eine Art Spiritus Rector amtieren. «Meine Schweizer Freunde haben mich gefragt, ob ich diese Aufgabe übernehmen würde. Weil ich eigentlich fast immer Ja sage, konnte ich nicht Nein sagen», schmunzelt er. Aber auch, weil ihm das Thema sehr am Herzen liege.

Muss man sich über die Zukunft von Rotary ernsthaft Sorgen machen? «Sicherlich nicht», reagiert Holger Knaack. Handlungsbedarf gebe es jedoch in jeder grossen Organisation, man müsse stets offen sein für Veränderungen. Getreu dem Motto: «Wer nicht besser wird, hat aufgehört, gut zu sein.» Das gelte auch für Rotary. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung des Mitgliederbestandes. Erfreulich ist, dass in den deutschsprachigen Ländern die Zahlen nach oben tendieren, «langsam, aber stetig». Anders verläuft der Trend in zum Beispiel in Australien, in England, Skandinavien oder in den USA. Hier sinkt das Interesse an Service-Bewegungen. Das ruft nach Massnahmen. Fakt ist auch, dass Rotary Mitglieder immer älter werden, was allerdings auch der ansteigenden Lebenserwartung geschuldet ist, «Wir wachsen ins Alter», analysiert unser Gesprächspartner, «da muss man den Hebel ansetzen.»  

Knaacks Nachfolger im Amt des RI-Präsidenten, Shekhar Mehta vom RC Calcutta-Mahanagar, hat im August 2021 die Vision verbreitet, Rotary möge im Juli 2022 1,3 Millionen Mitglieder zählen. Er möchte, dass im laufenden Rotary-Jahr Rotary- und jedes Rotaract-Mitglied eine neue Person in seinem Club einführt. Rotary sei eine weltweit verbreitete Organisation, welche unterschiedliche kulturelle Dimensionen erreiche, meint Holger Knaack. «Entscheidend ist, dass man eine Aussage in die Kultur des Absenders interpretiert.» Jede Rotarierin und jeder Rotarier sei für das Gedeihen des Clubs mitverantwortlich. Unter dieser Prämisse verstehe er die Parole «Each One, Bring One.» 

JUNGE LEUTE AUFGRUND IHRER FÄHIGKEITEN BEURTEILEN

Was hat bei der Suche nach neuen Mitgliedern den Vorrang: Qualität oder Quantität? Holger Knaack interveniert: «Mir missfällt, wenn man im Zusammenhang mit Menschen über Begriffe wie Qualität und Quantität spricht.» Er bevorzugt eine andere Formel: «Potenzial vor Position.» Junge Leute, die man für Rotary gewinnen möchte, solle man aufgrund ihrer Fähigkeiten beurteilen und sie als Mitglieder fördern. Als zwingendes Aufnahmekriterium sehe er die Bereitschaft, rotarische Grundwerte und das Prinzip des «Service above self» zu akzeptieren. «Rotarierinnen und Rotarier müssen bereit und willens sein, Verantwortung zu tragen, im Beruf, in der Gesellschaft oder eben auch im Club.» Mehr Frauen, mehr Junge, mehr Berufe? Diversifikation sei ein Gebot der Stunde. «Wenn ich da an Frauen denke, steht Rotary nicht als bestes Beispiel da», mahnt Knaack. Auch nicht in Bezug auf die Integration Menschen aus anderen Kulturen, «hier könnte man noch wesentlich mehr tun.» Jeder Club müsse sich etwa in Form eines einmal im Jahr durchzuführenden Strategie-Meetings Gedanken machen, wie er seine Zukunft gestalten möchte. 

Als Moderator des Themas «Die Zukunft von Rotary» freut sich Holger Knaack, am Rotary International Institute 2022 in Basel mögliche neue Impulse setzen zu können. «Es gibt viele Ideen», unterstreicht er seine Zuversicht. Wichtig sei, dass auch Rotaract Mitglieder in die Gespräche involviert würden. Urs Herzog betont: «Alle Rotarierinnen und Rotarier in unserem Land sind herzlich eingeladen, an diesem Institute teilzunehmen.» Basel liege so nahe, man möge doch die Gelegenheit wahrnehmen, über den Tellerrand des eigenen Clubs hinauszuschauen, die Internationalität von Rotary kennenzulernen.