Ein Flügel, ein Vollmond, ein Pianist. Als der 80-jährige Peter Aronsky Beethovens «Mondscheinsonate» auf dem Corvatsch spielt, ist das mehr als ein musikalisches Comeback. Es ist ein Akt der Hoffnung – für schwerkranke Kinder und für die Medizin der Zukunft. Ein Gespräch mit dem rotarischen Pianisten Peter Aronsky und dem Kinderarzt und Zellherapie-Spezialisten Mathias Hauri-Hohl über die Kraft der Musik und das Zusammenspiel von Kunst, Forschung und Hoffnung.
Ein Konzert kann vieles sein: Unterhaltung, Kunst, Zeitvertreib. Oder – wie in diesem Fall – eine Geste mit Wirkung. Als Peter Aronsky, 80 Jahre alt und Mitglied im RC St. Moritz, nach langer Genesung wieder auf Skiern steht, ist da mehr als sportlicher Ehrgeiz. Mit jedem Schwung, mit jedem Knirschen unter den Skiern wächst die Gewissheit: Es geht wieder. Der Körper macht mit. Und der Kopf weiss, was zu tun ist.
«Ich wollte dieses Vollmondkonzert noch einmal spielen. Und ich wollte etwas zurückgeben», sagt Aronsky. «Ich habe, wenn ich das so lapidar sagen darf, gerade noch einmal die Kurve gekriegt. Dafür wollte ich mich revanchieren – in der Währung, die mir am nächsten liegt: in Musik.» In Gesprächen mit Ärztinnen und Forschern, allesamt Koryphäen auf ihrem Gebiet, erfährt er von einem dringend benötigten Gerät für das Kinderspital Zürich: einem hochspezialisierten medizinischen Instrument, dem sogenannten «Zellsorter». Hochpräzise, lebensrettend, aber nicht über reguläre Mittel finanzierbar. Kostenpunkt: 180000 Franken. «Ich wusste sofort: Das ist es. Dafür spiele ich jeden einzelnen Ton.»
Am 11. Januar 2025 nimmt die fixe Idee konkrete Formen an: Auf 3303 Metern Höhe, unter kristallklarem Winterhimmel, versammeln sich Unterstützerinnen, Musikliebhaber und Freunde des Engadins zu einem Benefizkonzert der besonderen Art. Per Gondel geht es hinauf, der Mond taucht die Berge in silbriges Licht, drinnen beginnt Aronsky mit Mozarts c-Moll-Fantasie.
Der Raum ist schlicht, aber warm. Gedämpftes Licht, Panoramafenster. Draussen: die Stille des Hochgebirges. Was folgt, ist kein Brillieren, kein Effektgewitter, kein virtuoses Imponiergehabe, sondern pure, tiefe Musikalität. Bescheiden, fast demütig. Aronsky spielt Franz Liszt, Beethoven, eigene Transkriptionen. «Er erzählt mit Tönen», sagt eine Zuhörerin später. «Und man spürt: Da spielt einer, der das Leben in all seinen Facetten kennt.»
Als die ersten Akkorde der «Mondscheinsonate» erklingen, verdunkelt sich der Saal. Der Wind pfeift durch die Gipfel, und drinnen liegt eine Stille. Es ist einer dieser seltenen Momente, in denen Musik den Raum hebt – und etwas in Bewegung setzt.
Musik mit Wirkung
Wenige Tage später ist es Gewissheit: 180000 Franken sind zusammengekommen. Genau die Summe, die das Kinderspital Zürich für die Anschaffung des Zellsorters benötigt.
Martin Vollenwyder, Präsident der Eleonorenstiftung, würdigt die Wirkung: «Dieses Konzert war nicht nur ein künstlerisches, sondern auch ein philanthropisches Meisterstück.» Die Stiftung, deren Wurzeln bis ins Jahr 1868 zurückreichen, entstand aus einer privaten Spende des Arztes Conrad Cramer – im Andenken an seine früh verstorbene Frau Eleonore. Aus dieser Geste der Liebe entstand das Zürcher Kinderspital, das die Eleonorenstiftung bis heute als Rechtsträgerin führt.
Der neue Zellsorter, ein sogenannter MACSQuant Tyto, ist mehr als ein Gerät. Er ist eine Revolution in der Zelltherapie. Das bestätigt auch Dr. Mathias Hauri-Hohl, Zelltherapie-Spezialist am Kinderspital Zürich. «Das Gerät erlaubt uns, spezifische Immunzellen in bislang unerreichter Reinheit zu isolieren, und das in einem vollständig geschlossenen, sterilen System», erklärt er.
Anders als herkömmliche Zellseparationssysteme arbeitet der Tyto mit einer mikrochipbasierten Technologie: kein Hochdruck, keine offenen Flüssigkeitsleitungen, keine Aerosole. Stattdessen: eine Einwegkartusche, in der die Zellen schonend und sicher sortiert werden, mit höchster Präzision und fast ohne Verluste.
Für schwerkranke Kinder bedeutet das: gezieltere Therapien, weniger Nebenwirkungen – und oft eine echte Überlebenschance.
Technik für ein Kinderleben
Hauri-Hohl sieht darin einen Quantensprung: «Wir können damit erstmals in grossem Stil gezielt jene Zellen isolieren, die helfen – und gleichzeitig schädliche oder unerwünschte Zelltypen entfernen. Das reduziert Komplikationen und erhöht die Effektivität und Präzision der Therapie enorm.»
Diese Technologie sei zudem schneller, sicherer und besser integrierbar in klinische Abläufe als herkömmliche Systeme. «Gerade bei sehr jungen, schwer kranken Patienten zählt jede Stunde – und die Menge an gewonnenen Zellen.»
Blut- und Knochenmarkzellen bestehen aus einem dichten Gemisch unterschiedlichster Zelltypen. Nur ein winziger Bruchteil davon ist für die Therapie relevant, etwa blutbildende Stammzellen oder virus-spezifische T-Zellen. Der Rest kann, im schlimmsten Fall, gefährliche Immunreaktionen auslösen.
«Unser Ziel ist es, die Spreu vom Weizen zu trennen», sagt Hauri-Hohl. «Mit herkömmlichen Methoden gelingt das nur bedingt. Der Tyto ermöglicht uns eine Reinheit, die bisher unerreichbar war, und das bei gleichbleibender Zellviabilität.»
Mögliche Anwendungen reichen von der gezielten Bekämpfung schwer behandelbarer Virusinfektionen über immunmodulierende Therapien bis zur Entwicklung neuartiger Immunzellbehandlungen gegen Leukämie. Ein Gerät, das Leben verändern kann – und Hoffnung gibt, wo vorher oft nur Kompromisse möglich waren.
Hauri-Hohl war beim Konzert auf dem Corvatsch dabei, und er war sichtlich bewegt. «Es war ein Moment, in dem Musik, Engagement und Medizin ganz selbstverständlich ineinandergriffen. So etwas erlebt man nicht oft.»
Obwohl kein Rotarier, fühlt sich Hauri-Hohl dem rotarischen Geist verbunden. «Es geht um Verantwortung, um Wirkung. Und darum, Menschen zu verbinden, über Disziplinen hinweg.»
Aronsky nickt. «Ich glaube nicht an die Trennung von Kunst und Verantwortung. Ein Musiker muss nicht politisch sein, aber menschlich. Und er darf sich nicht verstecken.»
Am Ende des Konzerts schnallen sich einige der Gäste die Skier an. Der Vollmond leuchtet, der Schnee glitzert, und mittendrin: Peter Aronsky. Gemeinsam fahren sie hinunter zur Mittelstation, wo ein Dinner wartet. Kein Hall, kein Applaus mehr, nur Stille, Schnee und das Wissen, Teil von etwas Grösserem gewesen zu sein.
Was bleibt, ist mehr als Musik. Es ist der erste Ton einer Bewegung. Einer, die Klang mit Forschung verbindet, Kunst mit Heilung, Mensch mit Menschlichkeit.
Und wo das geschieht, entsteht mehr als Harmonie.
Es entsteht Hoffnung.
Zur Person
Geboren in Zürich, begann Peter Aronsky bereits mit vier Jahren Klavier zu spielen. Mit zwölf trat er erstmals als Solist mit Orchester auf – mit Mozarts «Krönungskonzert». Er studierte an der Musikhochschule Zürich bei Hans Andreae, bei Heinz Schröter, Géza Anda und Violine bei Rudolf Baumgartner.
Aronsky konzertierte in Europas und Amerikas bedeutendsten Musikzentren, trat bei den Salzburger Festspielen, dem Lucerne Festival und den Londoner Proms auf. Er begleitete Sängerinnen wie Lucia Popp und Agnes Baltsa, spielte mit James Galway und präsentierte in Amsterdam das gesamte Klavier- und Kammermusikwerk von Frank Martin.
Als Initiator und Leiter der St. Moritzer Festivals «Snow & Symphony», «Sun & Symphony» u.v.m. brachte er internationale Stars wie Nachwuchstalente nach Graubünden – stets mit Enthusiasmus, Neugier und künstlerischem Gespür.