Mit einem Global Grant werden im ugandischen
Flüchtlingslager Kyaka II die Umwelt und die Gesundheit der Menschen geschützt
sowie die Flüsse vor Plastikverschmutzung bewahrt. Ein weiteres zentrales Element
des Projekts: Rund 1000 Menschen sollen mit dem Recycling von Plastik ein
finanzielles Auskommen erreichen. Das Ziel des dossierführenden Vereins Mare
Nostrum, gegründet von Rotariern aus dem Raum Basel, heisst langfristige Nachhaltigkeit.
Rot. Urs Herzog sitzt bei
unserem Gespräch in einem Basler Restaurant vor einem Mineralwasser, die
Erinnerung an den ersten Anblick des Flüchtlingscamps Kyaka II in Uganda schaudert
ihn. Im 2005 errichteten Lager leben 130000 Menschen, vor allem aus dem Kongo, Ruanda
und Sudan, unter teils katastrophalen hygienischen Bedingungen. Abfallkübel
sind ebenso wenig vorhanden wie Toiletten, der Boden ist mit Plastikabfällen
übersät. «Das hat mich aufgewühlt», sagt Urs Herzog und ergänzt: «Hier in der
Schweiz trinken wir ohne Bedenken Hahnenwasser, während Kinder in Kyaka eine
Flüssigkeit holen, die sie krank machen kann».
Ungeplanter Besuch
Der pensionierte Chirurg und
engagierte Rotarier des RC Allschwil-Regio Basel hatte den Besuch des Lagers
nicht geplant. Er wollte sich im Februar 2022 in Uganda über den Fortschritt eines
der von ihm initiierten Projekte zur Gesundheit von Mutter und Kind
informieren. Doch Richard Kalungi vom Partnerclub RC Kampala South führte
Herzog und seine Mitreisenden zum Camp, wohl in der Hoffnung, dass aus dem Besuch
ein Hilfsprojekt entstehen könnte. Kalungi wurde nicht enttäuscht. Nach seiner
Rückkehr in die Schweiz stellte Herzog, der auch im Beirat des Vereins Mare
Nostrum (vgl. Kasten) sitzt, eine Projektidee zur Diskussion. Der Abfall
müsste getrennt, eingesammelt, gepresst, rezykliert und als Wertstoff wieder verkauft
werden können. Das dafür notwendige Know-how ist in Uganda vorhanden; Plastik
wird in grossem Stil zu Baustoff rezykliert.
Für den Schutz der Meere
Rot. Daniel Roniger, für
2024/25 Präsident des RC Rheinfelden-Fricktal und im Vorstand von Mare Nostrum
für die Evaluation und Durchführung von Projekten zuständig, nennt es eine schlüssige
Idee. Das Müllmanagement und -recycling in Kyaka II decke sich mit den Zielen von
Mare Nostrum. Gründungsmitglied Rot. Bruno Steiger bestätigt
dies: «Wir wollen das Bewusstsein für die gravierenden Auswirkungen von
Plastikmüll auf unsere Ozeane schärfen und konkrete, nachhaltige Massnahmen zur
Reduzierung dieser Verschmutzung initiieren, unterstützen und umsetzen».
Früher oder später landen die
Plastikabfälle von Kyaka II und Umgebung im Victoriasee, gelangen von dort
weiter in den Nil und enden nach dem Weg durch mehrere Länder im Mittelmeer. «80
Millionen Menschen holen ihr Trinkwasser aus dem Nil. Darum ist es zielführend,
Plastikmüll bereits am Ursprungsort aus dem Wasser zu holen beziehungsweise zu
verhindern, dass er ins Wasser gelangt», veranschaulicht Daniel Roniger das Nachhaltigkeitspotenzial
dieses Projekts.
Zentrales Engagement des lokalen
Clubs
In der Tat ist aus der Idee
inzwischen ein Projekt entstanden zwischen dem RC Kampala South und dem RC
Rheinfelden-Fricktal bzw der Rotary Aktionsgruppe Mare Nostrum. Es wird von der Rotary Foundation mit einem Global
Grant unterstützt. Ziel ist es, die Lagerbewohner für das Einsammeln und
Trennen von Abfall sowie für dessen Wert als wirtschaftliche Ressource zu
sensibilisieren und auszubilden; bis zu 1000 Menschen sollen dank dem Recycling ein gewisses finanzielles Auskommen erreichen.
Auch hier heisst das Stichwort Nachhaltigkeit: «Das Projekt soll weiterlaufen,
wenn die drei Grant-Jahre vorbei sind», betont Daniel Roniger.
Know-how vermitteln und die
Menschen vor Ort ausbilden, ist zentral für den langfristigen Erfolg des
Projekts. Eine entscheidende Rolle spielt zudem das Engagement des lokalen
Partners. Daniel Roniger und Urs Herzog betonen es bei unserem Gespräch in
Basel wiederholt: Ein Global Grant hat nur dann Erfolg, wenn man sich auf den
Partnerclub verlassen kann. In einem Kooperationsvertrag sind die Rollen klar
verteilt: Der lokale Club setzt das Projekt vor Ort praktisch um, ist also für
die Abklärung der Bedürfnisse, die Suche nach lokalen Projektpartnern, die
Beschaffung des nötigen Materials, Projektbesuche sowie für die Sicherstellung
von Evaluation und Monitoring zuständig. Der RC Rheinfelden-Fricktal ist als
sogenannter «International Sponsor» vor allem für die Finanzierung besorgt.
Doch Daniel Roniger schränkt ein. Es gehe nicht darum, bloss «das Portemonnaie
zu zücken». Auch der RC Kampala South leistet einen finanziellen Beitrag.
Lob für das Global
Grant-System
Daniel Roniger ist vom
Instrument des Global Grant vorbehaltlos überzeugt. Es zwinge einen Club dazu,
genau zu definieren, was man wolle und wie und mit wem das Ziel zu erreichen
sei – sauber und seriös zu arbeiten also. Auf dieser Basis sei das
Antragsverfahren nicht kompliziert, mit der Ausnahme vielleicht, dass alles auf
Englisch formuliert werden müsse. Das Geld von der Foundation wird auf ein Spezialkonto
des Internationalen Partners in Uganda überwiesen, sämtliche Belege werden im
Distrikt vor Ort geprüft und nach Abschluss des Projekts nach Evanston
geschickt, sonst wird der Grant nach der dreijährigen Laufzeit nicht
geschlossen. Natürlich brauche es Geduld und Rücksichtnahme auf die
Möglichkeiten des lokalen Partners, ergänzt Urs Herzog. Auch die Rotarier von
Kampala South stünden im Berufsleben, zudem liege das Flüchtlingscamp vier
Fahrstunden von Kampala entfernt. Indes sind die technischen Möglichkeiten in
Uganda weiter fortgeschritten, als man denken könnte. So kommunizieren die
Kooperationspartner zeitnah per Mail, Zoom-Meetings ersetzen Treffen vor Ort.
Urs Herzog kennt Uganda von zahlreichen anderen Projekten und weiss darum, dass
viele junge Ugander genauso wie Schweizer ein Vorsorgekonto alimentieren. Und:
«Auch in Uganda bezahlen die Jungen heute digital».
Erfahrung anderer nutzen
Persönliche Netzwerke wie
jenes von Urs Herzog sind für Global Grant-Projekte äusserst wertvoll. So wird
das Projekt in Kyaka II nicht nur aus der Schweiz, sondern von rund zwei
Dutzend Rotary Clubs international unterstützt. Daniel Roniger rät Clubs,
solche Netzwerke zu nutzen und sich bei anderen Rotariern mit Grant-Erfahrung
Unterstützung zu holen. «Es lohnt sich, den Kontakt zu solchen Leuten zu suchen
und seine Fragen zu stellen.» Herzog seinerseits empfiehlt, Projekte möglichst
unter 100000 Franken zu halten, dafür die Eigenleistung etwas zu erhöhen. «Sie
gehen bei der Foundation einfacher durch.»
Die Kosten für das
Müllmanagement in Kyaka II belaufen sich auf insgesamt 92000 US-Dollar. Damit
werden der Kauf von Sammelfahrzeugen, Abfallpressen, Extrudern, Overalls,
Masken, Gummistiefeln, Werkhandschuhen, Beschilderungen sowie die Kosten für
Ausbildung, laufende Ausgaben und Projektkontrolle gedeckt. Ende Juni hat im
Flüchtlingscamp ein Treffen zwischen dem RC Kampala South, dem
UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, dem ugandischen Umweltministerium, dem
internationalen Hilfswerk OXFAM in Uganda sowie der auf die Produktion von
Briketts spezialisierten Firma Adapt Plus stattgefunden. Im Juli wurde das Projekt physisch gestartet, im
Sommer 2026 soll der Global Grant abgeschlossen sein.
Der
Verein Mare Nostrum, gegründet im November 2020 von Rotarierinnen und Rotariern
aus dem Raum Basel, unterstützt neben Kyaka II weitere Projekte, so die
Finanzierung von «SeeHamstern» zur maritimen Müllentsorgung in Kambodscha und
Forschungsreisen im Mittelmeer. Geplant ist zudem die Führung des Projekts
Ghost Nets in Portugal: Im Atlantik verloren gegangene Fischernetze sollen
eingesammelt und einer Kreislaufwirtschaft zugeführt werden (vgl. auch Rotary
Magazin vom Mai 2024). Sobald Kyaka II am Laufen ist, will Daniel Roniger auf
eigene Kosten nach Uganda reisen und sich ein Bild vor Ort machen – getreu dem
Motto von Urs Herzog, der «jedes einzelne seiner Projekte persönlich kennt.»