Global denken, gemeinsam handeln

fredag 4 juli 2025

vmn

Wenn sich 16 500 Mitglieder der rotarischen Familie aus mehr als 140 Ländern versammeln, verwandelt sich eine kanadische Grossstadt in ein globales Ideenlabor – so geschehen im Juni an der Rotary International Convention in Calgary. Fünf Tage lang drehte sich dort alles um Frieden, Partnerschaft und die Frage, wie Rotary auch in Zukunft wirksam bleibt.

Egal, ob in Houston, Hamburg oder Atlanta, es gehört inzwischen einfach dazu: mein kleines, ganz persönliches Convention-Quiz. Kaum aus dem Flieger gestiegen, kommt automatisch die Frage auf: Wer ist wohl diesmal das erste bekannte Gesicht? Das Rennen in Calgary machte PDG Urs Herzog aus der Schweiz; ihm rannte ich auf dem Weg zur Registrierung sprichwörtlich in die Arme. Gleich darauf winkte Rotary-Generalsekretär John Hewko, gefolgt von Nathalie Huyghebaert aus Belgien, die seit dem Rotary Institute auf Sizilien regelmässig «aufploppt». So beginnt für mich jede Convention: mit dem kleinen Glück des Wiedersehens – und dem grossen Gefühl, Teil eines weltumspannenden Netzwerks zu sein. 

Wenige Stunden später dann die offizielle Eröffnung. «Magic All Around» war das Jahresmotto von Präsidentin Stephanie A. Urchick, und auch in Calgary lag in diesen Tagen eine besondere Energie in der Luft. Urchick betrat den Scotiabank Saddledome, prall gefüllt mit rund 8000 Gästen, stilecht im Western-Outfit, und sie sprach von der «grössten Familienzusammenführung seit Covid». In ihrer Eröffnungsrede erinnerte sie an Rotarys zentrale Stärke: «In einer gespaltenen Welt haben wir die Kraft und die Verantwortung, Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen zusammenzubringen.»

Oscarpreisträgerin Geena Davis sprach über Geschlechtergerechtigkeit, weibliche Vorbilder und den Einfluss von Rollenbildern

Und tatsächlich: Die rotarische Familie war allgegenwärtig, auf den Strassen Calgarys, im House of Friendship, bei Ausstellungen, Diskussionen und Abendveranstaltungen. Ein besonderes Highlight war die Flaggenparade: ein sichtbares Zeichen globaler Präsenz und zugleich Spiegel weltpolitischer Spannungen, mit verhaltenem Applaus bei einigen Nationen und tosendem Beifall bei anderen.  

Zu den prominentesten Stimmen an der Convention gehörten die Oscar-Preisträgerin Geena Davis, WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus und Friedensnobelpreisträgerin Tawakkol Karman. Davis sprach über die Darstellung von Frauen in den Medien und den Mut, seine Stimme zu erheben, insbesondere für Mädchen. Ghebreyesus betonte den Zusammenhang von Gesundheit und Frieden: «Eines ist ohne das andere nicht denkbar.» Karman erinnerte daran, wie wichtig Pressefreiheit und Bildung für eine gerechte Gesellschaft sind.

Rotarier aus Südkorea warben in Calgary mit traditionellen Gewändern für den Kampf gegen die Kinderlähmung

Auch in den Breakout-Sessions wurde Zukunft gedacht, etwa beim Thema Künstliche Intelligenz. Die Rotary Fellowship on Artificial Intelligence zeigte auf, wie KI gemeinnützige Projekte unterstützen kann, immer im Einklang mit dem Vier-Fragen-Test. Weitere Sessions befassten sich mit Bildung, Leadership, positivem Frieden oder dem Kampf gegen Menschenhandel.

Gleich drei Themen prägten den letzten Tag der Convention: Friedensförderung, Alphabetisierung und der Einsatz gegen moderne Sklaverei. Besonders berührend war der Auftritt von Cheryl Perera, Gründerin der NGO OneChild, die schon als Teenager undercover gegen Kinderhandel kämpfte. Sie forderte die rotarische Gemeinschaft auf, noch entschlossener hinzuschauen – und zu handeln.

Zudem wurde bekanntgegeben: Rotary vergibt den fünften Programs-of-Scale-Grant, diesmal für ein Friedensprojekt in Kolumbien in Partnerschaft mit dem UN-Welternährungsprogramm. Ziel ist es, in konfliktgeprägten Regionen nachhaltige Strukturen für Frieden und wirtschaftliche Teilhabe zu schaffen. Auch das Netzwerk der Rotary Peace Centers wächst weiter: In Pune, Indien, entsteht ein neues Friedenszentrum an der Symbiosis International University.

House of Friendship & kulturelle Vielfalt

Das Herzstück der Convention, das House of Friendship, bot mehr als 200 Stände, von Action Groups über Fellowships bis zu Projekten aus aller Welt. Besonders auffällig: ein fast sieben Meter hohes Tipi, gesponsert vom Distrikt 5360, das auf indigene Perspektiven aufmerksam machte. «Wir wollen, dass Rotary-Mitglieder weltweit enger mit indigenen Gemeinschaften zusammenarbeiten», so Rotarier Cam Stewart.

Auch das Abendprogramm überzeugte mit Vielfalt und Tiefgang: vom traditionellen Tribünenspektakel mit Reifentänzen bis hin zu «New Blood», einem musikalischen Theaterstück, das Blackfoot-Traditionen mit Songs von Peter Gabriel verband. Die Atmosphäre? Lebendig, offen und zutiefst inspirierend.

In der Abschlusszeremonie wurde der Staffelstab weitergereicht: Francesco Arezzo, der neue RI-Präsident, stellte sein Jahresmotto «Unite for Good» vor. Er rief dazu auf, über die Clubgrenzen hinauszudenken und neue Allianzen zu schmieden, mit NGOs, Behörden, Unternehmen. Sein Appell: «Lassen wir einen Traum entstehen, der uns eint, der begeistert und der die Welt verändert.»

Ein Versprechen gab es zum Schluss auch noch: Die Gates Foundation wird weiterhin jeden von Rotary gespendeten Dollar für den Kampf gegen Polio verdreifachen.

Und danach?

Die nächste Convention findet vom 25. bis 29. Mai 2026 in Taipeh statt. Andreas von Möller, Vorsitzender des taiwanesischen Organisationskomitees, lud mit spürbarer Vorfreude ein. Calgary hat die Latte hochgelegt – mit einem Fest des Miteinanders, das Hoffnung nicht nur thematisierte, sondern lebendig machte.

Die taiwanesische Delegation stimmte in Calgary schwungvoll auf die nächste Convention in Taipeh ein