Das Mittelmeer an der Quelle schützen

maandag 29 juli 2024

Denise Lachat

Mit einem Global Grant werden im ugandischen Flüchtlingslager Kyaka II die Umwelt und die Gesundheit der Menschen geschützt sowie die Flüsse vor Plastikverschmutzung bewahrt. Ein weiteres zentrales Element des Projekts: Rund 1000 Menschen sollen mit dem Recycling von Plastik ein finanzielles Auskommen erreichen. Das Ziel des dossierführenden Vereins Mare Nostrum, gegründet von Rotariern aus dem Raum Basel, heisst langfristige Nachhaltigkeit.

Rot. Urs Herzog sitzt bei unserem Gespräch in einem Basler Restaurant vor einem Mineralwasser, die Erinnerung an den ersten Anblick des Flüchtlingscamps Kyaka II in Uganda schaudert ihn. Im 2005 errichteten Lager leben 130000 Menschen, vor allem aus dem Kongo, Ruanda und Sudan, unter teils katastrophalen hygienischen Bedingungen. Abfallkübel sind ebenso wenig vorhanden wie Toiletten, der Boden ist mit Plastikabfällen übersät. «Das hat mich aufgewühlt», sagt Urs Herzog und ergänzt: «Hier in der Schweiz trinken wir ohne Bedenken Hahnenwasser, während Kinder in Kyaka eine Flüssigkeit holen, die sie krank machen kann».

Ungeplanter Besuch

Der pensionierte Chirurg und engagierte Rotarier des RC Allschwil-Regio Basel hatte den Besuch des Lagers nicht geplant. Er wollte sich im Februar 2022 in Uganda über den Fortschritt eines der von ihm initiierten Projekte zur Gesundheit von Mutter und Kind informieren. Doch Richard Kalungi vom Partnerclub RC Kampala South führte Herzog und seine Mitreisenden zum Camp, wohl in der Hoffnung, dass aus dem Besuch ein Hilfsprojekt entstehen könnte. Kalungi wurde nicht enttäuscht. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz stellte Herzog, der auch im Beirat des Vereins Mare Nostrum (vgl. Kasten) sitzt, eine Projektidee zur Diskussion. Der Abfall müsste getrennt, eingesammelt, gepresst, rezykliert und als Wertstoff wieder verkauft werden können. Das dafür notwendige Know-how ist in Uganda vorhanden; Plastik wird in grossem Stil zu Baustoff rezykliert.

Für den Schutz der Meere

Rot. Daniel Roniger, für 2024/25 Präsident des RC Rheinfelden-Fricktal und im Vorstand von Mare Nostrum für die Evaluation und Durchführung von Projekten zuständig, nennt es eine schlüssige Idee. Das Müllmanagement und -recycling in Kyaka II decke sich mit den Zielen von Mare Nostrum. Gründungsmitglied Rot. Bruno Steiger bestätigt dies: «Wir wollen das Bewusstsein für die gravierenden Auswirkungen von Plastikmüll auf unsere Ozeane schärfen und konkrete, nachhaltige Massnahmen zur Reduzierung dieser Verschmutzung initiieren, unterstützen und umsetzen».

Früher oder später landen die Plastikabfälle von Kyaka II und Umgebung im Victoriasee, gelangen von dort weiter in den Nil und enden nach dem Weg durch mehrere Länder im Mittelmeer. «80 Millionen Menschen holen ihr Trinkwasser aus dem Nil. Darum ist es zielführend, Plastikmüll bereits am Ursprungsort aus dem Wasser zu holen beziehungsweise zu verhindern, dass er ins Wasser gelangt», veranschaulicht Daniel Roniger das Nachhaltigkeitspotenzial dieses Projekts.

Zentrales Engagement des lokalen Clubs

In der Tat ist aus der Idee inzwischen ein Projekt entstanden zwischen dem RC Kampala South und dem RC Rheinfelden-Fricktal bzw der Rotary Aktionsgruppe Mare Nostrum. Es wird von der Rotary Foundation mit einem Global Grant unterstützt. Ziel ist es, die Lagerbewohner für das Einsammeln und Trennen von Abfall sowie für dessen Wert als wirtschaftliche Ressource zu sensibilisieren und auszubilden; bis zu 1000 Menschen sollen dank dem Recycling ein gewisses finanzielles Auskommen erreichen. Auch hier heisst das Stichwort Nachhaltigkeit: «Das Projekt soll weiterlaufen, wenn die drei Grant-Jahre vorbei sind», betont Daniel Roniger.

Know-how vermitteln und die Menschen vor Ort ausbilden, ist zentral für den langfristigen Erfolg des Projekts. Eine entscheidende Rolle spielt zudem das Engagement des lokalen Partners. Daniel Roniger und Urs Herzog betonen es bei unserem Gespräch in Basel wiederholt: Ein Global Grant hat nur dann Erfolg, wenn man sich auf den Partnerclub verlassen kann. In einem Kooperationsvertrag sind die Rollen klar verteilt: Der lokale Club setzt das Projekt vor Ort praktisch um, ist also für die Abklärung der Bedürfnisse, die Suche nach lokalen Projektpartnern, die Beschaffung des nötigen Materials, Projektbesuche sowie für die Sicherstellung von Evaluation und Monitoring zuständig. Der RC Rheinfelden-Fricktal ist als sogenannter «International Sponsor» vor allem für die Finanzierung besorgt. Doch Daniel Roniger schränkt ein. Es gehe nicht darum, bloss «das Portemonnaie zu zücken». Auch der RC Kampala South leistet einen finanziellen Beitrag.

Lob für das Global Grant-System

Daniel Roniger ist vom Instrument des Global Grant vorbehaltlos überzeugt. Es zwinge einen Club dazu, genau zu definieren, was man wolle und wie und mit wem das Ziel zu erreichen sei – sauber und seriös zu arbeiten also. Auf dieser Basis sei das Antragsverfahren nicht kompliziert, mit der Ausnahme vielleicht, dass alles auf Englisch formuliert werden müsse. Das Geld von der Foundation wird auf ein Spezialkonto des Internationalen Partners in Uganda überwiesen, sämtliche Belege werden im Distrikt vor Ort geprüft und nach Abschluss des Projekts nach Evanston geschickt, sonst wird der Grant nach der dreijährigen Laufzeit nicht geschlossen. Natürlich brauche es Geduld und Rücksichtnahme auf die Möglichkeiten des lokalen Partners, ergänzt Urs Herzog. Auch die Rotarier von Kampala South stünden im Berufsleben, zudem liege das Flüchtlingscamp vier Fahrstunden von Kampala entfernt. Indes sind die technischen Möglichkeiten in Uganda weiter fortgeschritten, als man denken könnte. So kommunizieren die Kooperationspartner zeitnah per Mail, Zoom-Meetings ersetzen Treffen vor Ort. Urs Herzog kennt Uganda von zahlreichen anderen Projekten und weiss darum, dass viele junge Ugander genauso wie Schweizer ein Vorsorgekonto alimentieren. Und: «Auch in Uganda bezahlen die Jungen heute digital».

Erfahrung anderer nutzen

Persönliche Netzwerke wie jenes von Urs Herzog sind für Global Grant-Projekte äusserst wertvoll. So wird das Projekt in Kyaka II nicht nur aus der Schweiz, sondern von rund zwei Dutzend Rotary Clubs international unterstützt. Daniel Roniger rät Clubs, solche Netzwerke zu nutzen und sich bei anderen Rotariern mit Grant-Erfahrung Unterstützung zu holen. «Es lohnt sich, den Kontakt zu solchen Leuten zu suchen und seine Fragen zu stellen.» Herzog seinerseits empfiehlt, Projekte möglichst unter 100000 Franken zu halten, dafür die Eigenleistung etwas zu erhöhen. «Sie gehen bei der Foundation einfacher durch.»

Die Kosten für das Müllmanagement in Kyaka II belaufen sich auf insgesamt 92000 US-Dollar. Damit werden der Kauf von Sammelfahrzeugen, Abfallpressen, Extrudern, Overalls, Masken, Gummistiefeln, Werkhandschuhen, Beschilderungen sowie die Kosten für Ausbildung, laufende Ausgaben und Projektkontrolle gedeckt. Ende Juni hat im Flüchtlingscamp ein Treffen zwischen dem RC Kampala South, dem UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, dem ugandischen Umweltministerium, dem internationalen Hilfswerk OXFAM in Uganda sowie der auf die Produktion von Briketts spezialisierten Firma Adapt Plus stattgefunden. Im Juli wurde das Projekt physisch gestartet, im Sommer 2026 soll der Global Grant abgeschlossen sein.

Der Verein Mare Nostrum, gegründet im November 2020 von Rotarierinnen und Rotariern aus dem Raum Basel, unterstützt neben Kyaka II weitere Projekte, so die Finanzierung von «SeeHamstern» zur maritimen Müllentsorgung in Kambodscha und Forschungsreisen im Mittelmeer. Geplant ist zudem die Führung des Projekts Ghost Nets in Portugal: Im Atlantik verloren gegangene Fischernetze sollen eingesammelt und einer Kreislaufwirtschaft zugeführt werden (vgl. auch Rotary Magazin vom Mai 2024). Sobald Kyaka II am Laufen ist, will Daniel Roniger auf eigene Kosten nach Uganda reisen und sich ein Bild vor Ort machen – getreu dem Motto von Urs Herzog, der «jedes einzelne seiner Projekte persönlich kennt.»

(V.l.): Bruno Steiger, RC Arlesheim, Urs Herzog, RC Allschwil-Regio Basel, Daniel Roniger, RC Rheinfelden-Fricktal

Abfall, vor allem aus Plastik, ist im Flüchtlingslager Kyaka II allgegenwärtig