Handwerker, vom Scheitel bis zur Sohle

zondag 21 mei 2023

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Ja, das stimmt: In Rotary Clubs trifft man auf eine hohe Zahl an Mitgliedern mit akademischem Hintergrund. Nur, bei Rotary fusst auch Handwerk auf goldenem Boden. Wir haben mit einem Elektroinstallateur, einem Bäcker, einem Maler, einem Steinbildhauer, einem Spengler und einem Metzger gesprochen. Sie alle sind Rotarier. 

Der Anwalt Paul P. Harris gründete 1905 in Chicago den weltweit ersten Rotary Club mit dem Wunsch, Freundschaften unter Angehörigen verschiedener Berufsgruppen zu fördern und den Gedankenaustausch unter Geschäftsleuten unterschiedlichster Herkunft zu ermöglichen. Seine Weggefährten der ersten Stunde waren Gustavus Loehr, ein Bergbauingenieur, Sylvester Schiele, ein Kohlenhändler, und Hiram Shorey, ein Konfektionist. Berufsvielfalt ist heute noch eine der Referenzen von Rotary.

«FÜR MICH GAB ES NIE ETWAS ANDERES, ALS ELEKTRIKER ZU SEIN»

«Es mag sein, dass ich ein Dinosaurier bin», scherzt Rot. Heinz Lüdi. Er gehört zur Spezies von Berufsleuten, die ihrem Betrieb ein Leben lang treu geblieben sind. Mit einer Ausnahme von zwei Jahren war und ist er in der Pauli Elektro AG in Burgdorf engagiert – einst als Lehrling, als Kontrolleur und Chefmonteur, darauf als eidg. dipl. Elektroinstallateur, als Inhaber und Geschäftsführer. Elektrizität habe ihn schon als Kind fasziniert. «Ich war neugierig, zu erfahren, wie Strom produziert wird, wie eine Glühbirne zum Leuchten gebracht werden kann. Für mich gab es nie etwas anderes, als Elektriker zu sein.»

Die Pauli Elektro AG wurde 1938 durch Arnold Pauli gegründet. Dessen Schwiegersohn Fritz von Ballmoos war Lüdis Lehrmeister. Jörg und Urs von Ballmoos führten das Familienunternehmen in dritter Generation weiter, übergaben die Firma später an ihr Geschäftsleitungsmitglied Heinz Lüdi. 2022 wechselte diese in den Besitz der Burkhalter Gruppe. «Ich habe die Pauli Elektro AG verkauft, weil weder intern noch extern eine Nachfolgeregelung für mich in Sicht war», begründet Lüdi, weshalb er sich zu dieser Transaktion veranlasst sah. 

Versteht sich Heinz Lüdi mehr als Handwerker oder mehr als Unternehmer? «Das ist eine schwierige Frage», antwortet das Mitglied des RC Burgdorf (seit 2018). «Wäre ich kein Unternehmer, würde mein Betrieb nicht laufen. Gerne würde ich öfters auf Baustellen arbeiten.» Freude und Kenntnisse der Materie machen eine gute Elektro-Fachkraft aus, plus handwerkliches Geschick und mathematisches Wissen. «Wer unseren Beruf gewählt hat, darf nicht farbenblind sein», ergänzt Lüdi. 

Elektrizität ist physisch nicht fassbar. Stromunfälle gehören zum Berufsrisiko. «Lernende und auch Ausgelernte arbeiten nie allein», erwidert Heinz Lüdi, «ein Schaltschrank darf während Montagearbeiten nie unter Strom stehen.» Schutzausrüstungen sind absolute Pflicht. Bezüglich Vorschriften, welche den Handlungsspielraum reduzieren, relativiert der Chef: «Natürlich wird es immer enger. Man sagt, früher sei alles besser gewesen, das stimmt aber nur bedingt. Sicherheit hat heute absolute Priorität.» 

Heinz Lüdi ist beeindruckt, wie die Elektrotechnik über die Jahre perfektioniert worden ist. Schülerinnen und Schüler für eine Berufswahl in seiner Branche zu begeistern, müsste demnach kein Problem sein. «Das mit dem Berufsnachwuchs harzt sehr», bedauert Lüdi, «junge Leute wollen gute Jobs haben, möglichst viel verdienen, Work Life Balance geniessen, nur noch begrenzte Verantwortung übernehmen». Der Trend zur akademischen Bildung schränke das Potenzial für gewerbliche Berufe massiv ein. «Dabei bildet eine Berufsprüfung immer noch eine exzellente Basis für ein sicheres Einkommen. Und sie ebnet den Weg für vielversprechende Karrieren.»

«ARBEITE MIT LEIDENSCHAFT. LEBE LEIDENSCHAFT VOR»

Ralf Peter, seit 2019 Mitglied des RC Wil, absolvierte von 1986 bis 1989 die Bäcker-Konditor-Lehre und anschliessend eine zweijährige Lehre als Confiseur. Die Ausbildung zum Bäckermeister schloss er als Jahrgangs-Bester ab. «Bäcker werden, war mein Bubentraum», bekennt er. Vor 28 Jahren holte ihn seine erste Lehrmeisterin Elisabeth Eberle zurück, um ihren Betrieb in Wil neu zu positionieren. Seit zweieinhalb Jahren sind Ralf Peter und dessen Sohn Alessandro gemeinsame Inhaber der Bäckerei-Konditorei Eberle AG. 

Der Slogan «Genuss, Freude, Handwerk, seit 1953», der den Webauftritt www.eberle-beck.ch einleitet, ist für Rot. Peter oberstes Gebot. «Mein Sohn und ich sind leidenschaftliche Handwerker. Wir lieben unseren Beruf.» Er fordert: «Arbeite mit Leidenschaft. Lebe Leidenschaft vor. Nur so kann Gutes entstehen». Zu Leidenschaft gesellt sich Kreativität. Kreativität erwächst aus aktuellen Trends. Die Ernährungsgewohnheiten haben sich verändert, auch das Berufsbild des Bäckers sieht anders aus als früher. «Der Bäcker verkauft nicht mehr bloss Kilobrote und Pfünder. Er ist Zwischenverpfleger geworden.» Brot anfertigen bleibe zwar das Kerngeschäft, «aber fünfzig Prozent unserer Kundinnen und Kunden kaufen andere Sachen, Patisserie, Pralinés, Take away-Produkte, Sandwiches, Birchermüesli, Salate und Getränke.»

Gutes Brot ist aus reinen Naturprodukten hergestellt. «Back-Hilfsmittel wie Volumenvergrösser oder Geschmacksverbesser sind für uns tabu», betont Ralf Peter. Er selbst bezeichnet Gemüse und Pasta als seine Lieblingsspeisen. Und sein Lieblingsgebäck? «Das kann ich nicht so genau definieren. Ich esse alles. Mein Favorit ist das St. Galler Bürli». Leader-Produkt im Angebot der Bäckerei Eberle ist der Schokoladen-Gipfel. «Von dieser luftigen und lockeren Eigenkreation verkaufen wir um die 50 000 Stück pro Jahr.» Keine Sorgen bereitet Vater und Sohn Peter die Konkurrenz der grossen Detailhändler. «Wir kommen gut aneinander vorbei, unser Laden befindet sich an einer vielbefahrenen Strasse, wir haben genügend Parkplätze vor dem Haus», erklärt Ralf Peter, «das verhilft uns zu einer hohen Kundenfrequenz.» 

«FARBEN SAGEN SEHR VIEL AUS ÜBER LEUTE»

«Mein Grossvater und mein Vater haben mir gezeigt, was man als Maler gestalten, auch, wie man als Maler Bauwerke schützen kann», sagt Rot. Christoph Menz. 1977 bis 1980 absolvierte er in der Einzelfirma von Johann Menz die Malerlehre. Nach dem Lehrabschluss trat er in die Rekrutenschule ein, brachte es im Militär bis zum Hauptmann und Kompaniekommandant. 1985 folgte die Meisterausbildung, anschliessend eine Weiterbildung am Schweizerischen Institut für Unternehmerschulung SIU. Heute besitzen Christoph Menz und seine Gemahlin Anna sechs KMU mit total 115 Beschäftigten, darunter sechs Lernenden. Ihr Sohn Tobias, ebenfalls Malermeister, unterstützt sie als Projektleiter in der Abteilung Asbestsanierungen. 

«Ich bin ein unternehmerisch tätiger Handwerker, der über den eigenen Horizont hinausschaut und sich stets überlegt, wie man innovativ bleiben und seinen Mitbewerbern einen Schritt voraus sein kann», ordnet sich das Mitglied des RC Solothurn-Land (seit 2001) selbst ein. Farbgebung ist ein zentrales Element seines Berufes. Eine farblose Welt könne er sich nicht vorstellen, sinniert Christoph Menz. «Farben sagen sehr viel aus über Leute.» Farben können beruhigen, etwas suggerieren, einen Gemütszustand vermitteln, auch provozieren. Seine Lieblingsfarben sind blau und grün. «Blaue Farben assoziieren für mich Wasser und Himmel, frisches Grün erinnert mich an den Frühling, an natürliches Gedeihen.» 

Wenn Christoph Menz von einer Idee überzeugt ist, lässt er sich durch nichts von seinem Weg abbringen. Dieser Mixtur aus Weitsicht und Tatendrang ist unter anderem zu verdanken, dass sich eine seiner Firmen, die Menz Sanierungen AG, als Top-Adresse für Schadstoff-Sanierungen etabliert hat. «Wir sind eher per Zufall zu diesem Spezialgebiet gekommen», resümiert der Patron. 1984 wurde im Schulhaus seiner Wohngemeinde Günsberg Spritzasbest entdeckt. Asbestfasern können Brustfellkrebs, Lungenkrebs oder ein Mesotheliom verursachen. In vielen Bauten, die vor 1980 entstanden sind, stösst man bei Renovationen auf diese gefährliche Substanz. «Zusammen mit dem Arbeitshygienischen Institut Neuenburg haben wir ein Konzept erarbeitet, wie diese Altlasten entsorgt werden können. Im Verlauf der Jahre erweiterten wir unser Wissen, verbesserten die Verfahrenstechniken, machten uns einen Namen als Experten.» Menz und seine Mitarbeiter waren beispielsweise im Bundeshaus, im Hauptbahnhof Bern, in der alten Post und im Spiegelhof in Basel für die Asbestsanierungen verantwortlich.  

Mit Asbest, das es in etwa 2000 verschiedenen Varianten gibt, umzugehen, birgt Risiken. «Arbeitsschutz hat bei uns absolute Priorität», betont Christoph Menz, «wir haben eine Flut von Vorschriften einzuhalten, arbeiten gewissenhaft.» In den bald vierzig Jahren, seitdem sein Unternehmen in dieser Sparte tätig sei, habe er noch nie Asbest-Erkrankungen unter Beteiligten beklagen müssen.  

Wohin wird dieses Gefahrengut ausgelagert? Die ursprünglich dafür reservierten E-Deponien sind nahezu voll, neue Anlieferungen zum Teil nicht mehr erwünscht. «Wir waren gezwungen, nach Alternativen zu suchen.» Aus diesem Grund startete die Menz AG Versuche, Asbest mit Zement und weiteren Zuschlagsstoffen zu verfestigen. Nach erfolgreich verlaufenen Tests entwickelte sie zusammen mit externen Konstrukteuren eine neue Anlage zur Verarbeitung dieser Schadstoffe. Sie benötigte dafür eine Ausnahmebewilligung des Bundesamts für Umwelt. Die Investition im Betrag von rund 2,5 Millionen Franken habe sich bewährt, freut sich Christoph Menz, «heute können wir die jährlich anfallenden 6000 Tonnen Material problemlos in B-Deponien entsorgen.»

«MEIN VATER HAT MIR EINE SUPERAUSBILDUNG VERMITTELT» 

Schon der Grossvater und der Vater von Felix Hotz pflegten das traditionelle Bildhauer- und Steinmetzhandwerk. Als Jugendlicher habe er im Betrieb mitgeholfen und sich deshalb entschlossen, Steinbildhauer zu werden. «Mein Vater hat mir eine Superausbildung vermittelt», freut sich unser Gastgeber. Nach dem Lehrabschluss begab er sich auf Wanderjahre, absolvierte zwischendurch bei Bildhauermeister Jörg Hutter im solothurnischen Feldbrunnen-St. Niklaus ein einjähriges Bildhauerpraktikum. Er war 25 Jahre jung, als sein Papa im Alter von 63 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts verstarb. Unterwegs in der Türkei, erhielt er einen Anruf: «Du musst nachhause kommen und das Geschäft übernehmen.»

Damals ebenfalls 63-jährig, hat Felix Hotz, Mitglied des RC Weinfelden (seit 1995), seine Hotz Bildhauer GmbH 2018 an Silvano Crameri weitergegeben, ist aber immer noch beruflich tätig, so oft das passt. «Ich will noch etwas arbeiten, möchte gebraucht werden», erklärt er. Sein Nachfolger ziehe ihn bei, wenn komplexe Aufgaben wie beispielsweise Kalkulationen oder Beurteilungen bei grösseren Projekten anstehen.  

Rot. Hotz bezeichnet sich als Kunsthandwerker. Dass die Nachfrage nach Grabmälern früher bedeutend grösser war als heute, verursacht manchen seiner Berufskollegen schlaflose Nächte. Nicht Felix Hotz: «Wir waren schon immer breitgefächert, haben drei Viertel unseres Umsatzes aus Restaurierungen generiert.» Die Renovation von grösseren Objekten erfordert einiges an Kompetenz. Hotz verweist auf das Thurgauer Regierungsgebäude und die Stadtkirche in Frauenfeld, die er und seine Mitarbeiter im Verlauf der letzten Jahre repariert haben. «Die ganzen Aussenfassaden waren aus Naturstein. Man wusste nicht zum vornherein, was man da antrifft und wie man Schäden beheben kann.» 

«Nichts ist in Stein gemeisselt», heisst eine Redewendung. «Doch, vieles, aber nicht alles, zum Glück», kontert Felix Hotz. «Schauen Sie, die alten Griechen und Römer haben mit Steinen gearbeitet. Holz verfault, Eisen rostet.» Er selbst war während acht Jahren über die Sommermonate im Auftrag des Deutschen archäologischen Instituts an Ausgrabungen in der Türkei beteiligt. Das Ziel war, einen römischen Tempel mit den vorhandenen Säulen, Trommeln, Kapitellen, Architraven teilweise zu rekonstruieren. «Ich hatte die höchste Ehrfurcht vor diesen alten Steinen.» 

Woher nimmt er die Intuition für seine Bildhauereien? Er habe meistens Aufträge ausgeführt. «Der Kunde kommt mit einer konkreten Vorstellung zu mir. Daraus entwickeln sich Ideen. Man erstellt ein dreidimensionales Modell aus Ton. Gefällt dieses, kann am gewählten Stein die Arbeit mit Hammer und Meissel in Angriff genommen werden.» Letztes Jahr habe er für das katholische Pfarramt in Weinfelden eine anderthalb Meter grosse Figur, die «Maria Magdalena», geschaffen. «Solche oder ähnliche Werke würde ich gerne wieder kreieren, zumal ich nicht mehr unter Zeitdruck stehe.» 

«GÄBE ES UNS NICHT, WÄREN WOHNUNGEN HÖHLEN»

In Münchenbuchsee ist der Name Hegg seit fünf Generationen Inbegriff für das Spengler- und Sanitärgewerbe. Auch Rot. Balz Hegg erschien es als naheliegend, in die Fussstapfen seiner Vorfahren einzutreten. Die dreijährige Lehre als Spengler und die einjährige Zusatzlehre als Sanitärinstallateur machte er in der Lehrwerkstatt «Lädere» in Bern. Nächster Meilenstein auf Heggs beruflichem Weg war die Ausbildung zum Spenglermeister, ehe er von seinem Vater mit Führungsaufgaben betraut wurde.  

Mittlerweile sind aus der vormaligen Familiendynastie drei separate Betriebe mit 45 Mitarbeitenden – davon sieben Lernende – entstanden: die Hegg Spenglerei AG, die Hegg Sanitär AG und die Swiss Frame AG. Die Spenglerei befindet sich im Besitz ihrer beiden Geschäftsführer. Der am 17. Januar 1972 geborene Balz Hegg hält fünfzig Prozent des Aktienkapitals der Sanitärfirma, die 2008 gegründete Swiss Frame AG gehört ihm alleine. 

Irgendwann behagte es dem Mitglied des RC Bern-Münchenbuchsee (seit 2013) nicht mehr, im Wohnungsbau «nur Wände aufzuspitzen, Röhrchen einzupflastern und Gestelle zu montieren». Da müsse die Effizienz wesentlich erhöht werden. Also entschied er sich, modulare Einbausysteme mit der Marke «Swissframe» zu entwickeln. Ganz der Tüftler, konstruierte er unter anderem spezielle Kombinationslösungen für Minergiestandard-Badezimmer inklusive individueller Lüftung für die ganze Wohnung mit Wärerückgewinnung und dezentraler Warmwasserproduktion. Damit setzte er vor allem für Grossbauten neue Massstäbe.   

Bieten Spengler- und Sanitärunternehmungen als tragende Säulen im Baunebengewerbe ihren Exponenten auch eine solide Existenzgrundlage? «Jein», erwidert Hegg, «wenn du deinen Job nicht gut machst, Misswirtschaft betreibst oder eine halbherzige Qualität lieferst, wirst du daran sterben». Ein tadelloser Kundendienst, wenn möglich rund um die Uhr, ist das «A» und das «O» für jeden Dienstleister seiner Branche. 

«Wir sind jene Leute, die Technik, Wasser und Hygiene ins Haus bringen, gäbe es uns nicht, wären Wohnungen Höhlen», beschreibt Balz Hegg seine Berufsgattung. Natürlich unterliegt auch diese dem Wandel. «Sie muss Prozesse erneuern, die Digitalisierung mitnehmen». Er erwähnt den Begriff «selbstredende Haustechnik», erinnert an den Nachholbedarf im Bereich der Energieeffizienz, der auch seinem Gewerbe neue Potenziale eröffne. Weil der Bedarf an Gebäudesanierungen hoch ist, mangelt es der Branche nicht an Aufträgen. «Wir haben keinen Grund, zu klagen». 

«ICH BIN STOLZ DARAUF, METZGER ZU SEIN»

Als Inhaber der Bertiswil Metzg AG in Rothenburg setzt Rot. Richard Stutz die Familientradition in dritter Generation fort. Die Metzger-Lehre absolvierte er im Nachbardorf, sammelte danach an verschiedenen Orten praktische Erfahrungen, unter anderem ein Jahr lang in Schweden. Zurück in der Heimat, schloss er die Metzgerfachschule mit der Höheren Fachprüfung ab, erwarb sich anschliessend in einer Handelsschule betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Später übernahm er die Führung des elterlichen Geschäfts.    

Wenn er aufzählt, wie vielseitig sein Beruf ist, funkelt’s in seinen Augen: «Wir schlachten, verarbeiten, produzieren Würste, bieten wunderschön gestaltete Fleischplatten an, führen Kundengespräche.» Er finde es spannend, was man aus einem Tier alles verwerten könne. «Das Tier gibt uns wertvolle Nahrung», erklärt er. «Natürlich respektieren wir bei unserer Arbeit, dass wir uns mit lebendigen Wesen auseinanderzusetzen haben.» 

Seit ein paar Jahren heissen die Berufsleute seiner Branche Fleischfachfrau oder Fleischfachmann. «Ich bin stolz darauf, Metzger zu sein», sagt Richard Stutz. «Ein Metzger muss handwerklich begabt und auch physisch robust sein», umschreibt er die Anforderungen an sein Metier. Die Erstausbildung ist in drei Fachrichtungen möglich: Fleischgewinnung, Fleischverarbeitung, Feinkost und Veredelung. Genügend Nachwuchs zu rekrutieren, bezeichnet er als Challenge. «Glücklicherweise darf ich derzeit zwei Lernende im ersten und zweiten Lehrjahr ausbilden.» 

Vegetarische und vegane Ernährung sind trendig geworden. Gewisse Kreise beurteilen den Fleischkonsum als klimaschädigend. Richard Stutz kontert die Kritik: «Die Schweiz besteht zu siebzig Prozent aus Weideflächen. Fleisch von einheimischen Weidetieren, die ohne importiertes Kraftfutter aufgezogen worden sind zu geniessen, ist ökologisch vertretbar. Diese Weidetiere liefern uns hochprozentiges Eiweiss, Spurenelemente, Mineralstoffe, Eisen.» Eher problematisch dünkt ihn, wenn man ausschliesslich vegan esse, gleichzeitig jedoch, teils erst noch auf ärztlichen Rat, Ergänzungsprodukte aus der Pharmaindustrie konsumiere. «Es ist alles eine Frage des Masses», meint er und ergänzt: «Die Nachfrage nach Fleisch ist nach wie vor gross. Wir sind zufrieden, wie unser Geschäft läuft.»

Das Mitglied des RC Luzern-Seetal (seit 2019) offeriert zusammen mit seiner Schwester auch Party-Services. «Wir kochen fast alles bei uns selbst, idealerweise für Gesellschaften von 50 bis 100 Personen». Stutz erfüllt es mit Genugtuung, dass seine Kundinnen und Kunden bereit sind, für eine erstklassige Qualität einen angemessenen Preis zu bezahlen. Zu seinen Pluspunkten gehört eine Reihe von Haus-Spezialitäten. Zum Beispiel «Knabberfleisch». Das ist gegartes, gesalzenes und geräuchertes Rindfleisch. Aus seinem Sortiment an Wurstwaren hebt er die «Rothenburgerli, Füürtüfeli und Grillträumli» hervor. «Jede Wurst hat eine besondere Nuance, auch eine Cervelat oder eine Bratwurst», bemerkt er, «denn jede Metzgerei arbeitet nach eigenen Rezepten.» Je mehr wir miteinander reden, umso höher steigt der Appetit nach einem zart gebratenen Entrecôte…

Rot. Felix Hotz