Feuchte Augen

woensdag 14 december 2022

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Ein Ereignis voller Emotionen, unvergesslicher Momente, sportlicher Höhepunkte und logistischer Meisterleistungen: «Wir haben es förmlich gespürt: Die Coronakrise ist vorbei, die Leute haben wieder Lust, gemeinsam zu feiern, fröhlich zu sein», sagt Rot. Thomas Weber, der Baselbieter Regierungsrat und OK-Präsident des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfestes, das Ende August in Pratteln durchgeführt wurde. 

Der Alltag eines Berufspolitikers ist nicht mit Glückgefühlen angereichert. Wie gut hat es Ihnen getan, als OK-Präsident des ESAF 2022 amtieren zu dürfen?

Thomas Weber: Sehr gut. Eine solche Aufgabe übernehmen zu dürfen, ist eine einmalige Gelegenheit. Rein statistisch gesehen, findet alle 45 Jahre einmal ein Eidgenössisches Schwingfest in den beiden Basel statt. Dass ich vom Trägerverein der Schwinger das Vertrauen erhalten habe und zusammen mit einer grossen Milizorganisation diese Veranstaltung durchziehen durfte, war für mich ein unvergleichliches Erlebnis.   

Das Schwingen wird als Schweizer Nationalsport bezeichnet. Welche Bedeutung messen Sie diesem Sport zu?

Eine hohe. Früher hat man das Schwingen als etwas Exklusives, Abgeschottetes wahrgenommen. Diese Wahrnehmung hat sich im Verlauf der letzten Jahre nicht zuletzt dank der Live-Übertragungen durch das Fernsehen wesentlich verändert. Der Schwingsport geniesst heute sowohl bei bestandenen Jahrgängen als auch unter jungen Leuten, Frauen und Männern, eine immense Popularität. Das spürt man besonders in jenen Jahren, in welchen ein «Eidgenössisches» durchgeführt wird. Das Schwingen verbindet alle Schichten. Tradition und Moderne liegen auf einer Linie. 

Nennen Sie uns die Eckdaten zum Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest 2022 in Pratteln.

Das sind: sechs Jahre Vorbereitungszeit, 42 Millionen Franken Budget, rund 400000 Besucher an allen drei Festtagen, davon 50900 Zuschauer in der Arena, ein Gelände mit einer Fläche von über 70 Hektaren. Sämtliche Versorgungs- und Entsorgungsleitungen mussten auf der grünen Wiese extra installiert werden. Der Bahnhof Pratteln musste ausgebaut werden, um Schnellzugshalte zu ermöglichen. Unser Nachhaltigkeitsziel, möglichst viele Leute mit dem ÖV ans Fest zu holen, haben wir erreicht, die Auto-Parkplätze waren bloss zur Hälfte belegt.

«WIR HABEN VON ANFANG AN AUF SOGENANNTE EDELRENTNER GESETZT.» 

Wie viele Personen waren an der Vorbereitung und Durchführung Ihres Fests beteiligt?

Im Organisationskomitee und seinen je acht Abteilungen und Stabsstellen haben 153 Personen mitgewirkt, fast alle ehrenamtlich. Lediglich die Geschäftsstelle mit dem Geschäftsführer Matthias Hubeli sowie zwei Teilzeit- Mitarbeiter in den Monaten vor dem Fest war durch angestellte Kräfte besetzt. Am Anlass selbst standen mehr als 6000 Helfer im Einsatz.

Wie anspruchsvoll war es, all diese Leute zu rekrutieren?

Für die meisten Chargen war das relativ einfach. Wir haben von Anfang an auf sogenannte «Edelrentner» gesetzt, auf Freiwillige, welche frisch nach ihrer Pensionierung motiviert waren, etwas Sinnvolles zu tun, fachliche Kompetenzen ausgewiesen und auch über die nötigen Zeitreserven verfügten.    

Diese grossartige Veranstaltung war von vielen Emotionen geprägt. Was hat Sie im Verlauf dieser Tage am meisten beeindruckt?

Zu sehen, wie sich während der Wochen und Tage vor dem Fest die positive Stimmung laufend weiterentwickelt hat, hat meine Vorfreude gestärkt. Wir haben es förmlich gespürt: Die Coronakrise ist vorbei, die Leute haben wieder Lust, gemeinsam zu feiern, fröhlich zu sein. Besonders bewegend war der Einmarsch der Aktiven am Samstagmorgen vor voll besetzten Zuschauertribünen. Alle haben die Nationalhymne gesungen, auch das war ein «Hühnerhaut-Moment». Im Festakt vor 50000 Menschen reden zu dürfen, kommt nicht alle Tage vor. Da ist es um meine Augen schon etwas feucht geworden. Während des Schlussganges hatte ich die Ehre, den Kampf zwischen Matthias Aeschbacher und Joel Wicki zuvorderst am Schwingplatz 7 verfolgen zu dürfen. Wie sich der Berner und der Luzerner gegenseitig gefordert haben, war etwas vom Faszinierendsten an diesem Schwingfest. 

«LETZTLICH BRAUCHT ES ABER AUCH EINE GROSSE PORTION GLÜCK ODER BESSER GESAGT: VORSEHUNG, DAMIT ALLES RUND LÄUFT.»

Wie gross war Ihre Erleichterung am Schluss des Anlasses, der ohne gravierende Zwischenfälle abgelaufen ist?

Sehr gross. Zwar kann man vieles planen, Szenarien simulieren. Letztlich braucht es aber auch eine grosse Portion Glück oder besser gesagt: Vorsehung, damit alles rund läuft. Eine gewisse Leere in den Tagen danach will ich nicht bestreiten. Man hat sich während Jahren auf ein grosses Ereignis fokussiert, eine hohe Dosis Adrenalin und Endorphine mobilisiert, Spannung aufgebaut. Da braucht es schon einige Zeit, um wieder herunterzufahren.

Mitte November wurde bekannt, das ESAF 2022 werde allenfalls rote Zahlen in Kauf nehmen müssen. 

Wir sahen in der Hochrechnung eine Diskrepanz zwischen dem Aufwand und dem Ertrag in der Höhe von fünf bis zehn Prozent. Es gab Faktoren, die im Voraus nicht ersichtlich waren oder die wir unterschätzt hatten. Zum Beispiel musste für die Sicherheit mehr aufgewendet werden, als ursprünglich vorgesehen war. Mehr als budgetiert mussten wir in die Infrastruktur auf dem Festgelände und dem Bahnhof investieren. Anderseits blieben die Einnahmen in einzelnen Bereichen unter unseren Erwartungen, obwohl sie nach dem Fest fast genauso hoch waren, wie diejenigen am ESAF 2019 in Zug. Diese Situation wirkte bedrückend, sie ärgerte uns. Wir waren und sind stark gefordert, aber auch zuversichtlich, bis im März eine ausgeglichene Rechnung vorzulegen. Zu diesem Zweck führen wir Verhandlungen mit den Lieferanten, mit den Sponsoren, mit Privatpersonen, mit dem Kanton und mit dem Eidgenössischen Schwingerverband, um eine für alle faire, solidarische Lösung zu finden. 

Ein Anlass wie das ESAF 2022 hat einen bedeutenden volkswirtschaftlichen Stellenwert für eine ganze Region.

Dem ist so. Rund um ein solche Veranstaltung generiert das Gewerbe zusätzliche Umsätze. Das Baselbiet konnte sich als touristisches Entdeckerland profilieren. Viele Gäste aus der Ostschweiz oder aus dem Bernbiet haben mir erklärt, Pratteln und seine Umgebung bisher nicht gekannt zu haben und bei anderen Gelegenheiten unsere Region wieder besuchen zu wollen. Überdies beweist auch eine hohe Leistungsfähigkeit, Offenheit und Innovationskraft, wem es gelingt, einen Anlass wie das «Eidgenössische» zur Zufriedenheit aller Beteiligter durchzuführen.  

Vor etwas mehr als 25 Jahren sind in den RC Sissach-Oberbaselbiet Rotarier aufgenommen worden. Wie wichtig ist es für Sie, Rotarier zu sein?

Die damalige Anfrage dieses Clubs hat mich sehr gefreut, ich habe das Rotary-Rädchen mit Stolz entgegengenommen. Rotary ist international aktiv, verbindet Berufe und Generationen, öffnet Türen. Das halte ich für wichtig und wertvoll. Als Clubmitglied und langjähriger Vizepräsident der clubeigenen Stiftung Oedenburg, welche als Symbol für Zusammenhalt und «Hands on» steht, leiste ich gerne meinen rotarischen Beitrag. Und ich hoffe, ab Juli 2023 wieder etwas mehr Zeit für Clubaktivitäten und die Teilnahme an Clubmeetings reservieren zu können. 

 

PEOPLE OF ACTION

Thomas Weber, geboren am 23. November 1961, ist diplomierter Bauingenieur ETH. An der Fachhochschule Aargau bildete er sich zum Mediator in Wirtschaft, Umwelt und Verwaltung weiter. Seine Berufskarriere startete er als Assistent von Professor Christian Menn. Anschliessend war er in Ingenieurbüros in Zermatt und Muttenz, in einer Bauunternehmung in Zofingen sowie beim Tiefbauamt Basel-Landschaft und ab 2007 beim Bund als Filialchef für die Autobahn-Infrastruktur Nordwestschweiz und Zentralschweiz tätig. Er ist seit 1997 Mitglied des RC Sissach-Oberbaselbiet. Rot. Weber wurde 2011 als Vertreter der SVP in den Landrat, 2013 in den Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft gewählt. In der kantonalen Exekutive, der er 2016/17 und 2021/22 als Regierungspräsident vorstand, amtiert er als Vorsteher der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion. 2017 wurde er zum Präsidenten des Organisationskomitees des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests 2022 Pratteln im Baselbiet ernannt. Der Oberst i. Gst. wohnt in Buus, ist seit 1987 mit Edith Weber-Thommen verheiratet, hat drei erwachsene Söhne und vier Grosskinder.

Rot. Thomas Weber, der OK-Präsident des ESAF 2022 in Pratteln, zusammen mit dem frisch gekürten Schwingerkönig Joel Wicki