Am Dirigentenpult stehen noch immer weitgehend Männer. Doch es tut sich etwas, auch dank Künstlerinnen wie Lena-Lisa Wüstendörfer. Die 42-jährige Schweizerin, Mitglied im RC Üetliberg, setzt nicht nur musikalisch Akzente, sondern auch gesellschaftlich: Im März 2026 leitet sie in der Andermatt Konzerthalle ein Benefizkonzert zugunsten der SAO Association. Die Organisation wurde von Clubfreundin Raquel Herzog gegründet und unterstützt geflüchtete Frauen in Griechenland. Ein Gespräch über Verantwortung, Klangfarben und gelebte Solidarität.
Lena-Lisa, du dirigierst am 14. März 2026 das Benefizkonzert Dances and Dreams in der Andermatt Konzerthalle, zugunsten der SAO Association. Was bedeutet dir dieses Projekt?
Musik besitzt die Kraft, Menschen zu verbinden, zu berühren und inspirieren. Das Benefizkonzert, das ich gemeinsam mit dem Swiss Orchestra, dem renommierten Schweizer Geiger Sebastian Bohren und dem virtuosen Harfenisten Alexander Boldachev im Rahmen von Andermatt Music für SAO geben darf, ist mir aus zwei Gründen wichtig: Einerseits können hier Mittel gesammelt werden, die die Lebensumstände von Menschen in einer vulnerablen Lage verbessern helfen, und andererseits fördert der Anlass auch die Gemeinschaft unter Rotariern und macht auf den Gemeindienst des Serviceclubs aufmerksam.
SAO wurde 2016 von Raquel Herzog, deiner Clubfreundin, gegründet. Die Organisation betreibt heute Tageszentren für geflüchtete Frauen in Athen und auf Lesbos. Wie passt dein Engagement als Musikerin zu diesem Einsatz?
Bezeichnend für Rotary ist der Dienst an der Gemeinschaft, die Förderung von Frieden, Verständigung und humanitärem Engagement. Als Rotarierin bin ich überzeugt, dass gemeinnützige Projekte, die Missstände beheben helfen, wichtig sind. Im RC Üetliberg dürfen wir die Aktivitäten von SAO seit mehreren Jahren durch Informationen aus erster Hand mitverfolgen und sind überzeugt, dass Raquels Einsatz effektiv und bedeutsam ist. Es freut mich umso mehr, dass ich nun bei diesem Benefizkonzert meine Fähigkeiten als Musikerin und Intendantin zur Förderung dieses Projekts einbringen kann.
Du hast dich früh in einer klassischen Männerdomäne durchgesetzt – als Dirigentin, künstlerische Leiterin und öffentliche Stimme. Was waren die wichtigsten Stationen auf deinem Weg? Und welche Erfahrungen gibst du jungen Musikerinnen heute weiter?
Nach meinem Studium in Violine und Dirigieren an der Hochschule für Musik in Basel sowie Musikwissenschaft und Wirtschaft an der Universität Basel waren für mich als nächste Schritte besonders die Erfahrungen als Assistenzdirigentin von Claudio Abbado sowie die Zusammenarbeit mit Sir Roger Norrington bedeutsam. Ein Meilenstein für mich war dann natürlich auch die Gründung des Swiss Orchestra im Jahr 2018: Zusammen mit dem Swiss Orchestra setze ich mich dafür ein, die in Vergessenheit geratene Sinfonik der Schweizer Klassik und Romantik wiederzubeleben und einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Dazu sind wir als Sinfonieorchester regelmässig national aktiv, zeigen die Musik aus Schweizer Feder im Kontext mit berühmten Zeitgenossen wie Vivaldi, Beethoven, Brahms & Co und bespielen ausserdem als Residenzorchester die Andermatt Konzerthalle.
Ich bin überzeugt davon, dass das Geschlecht für das Dirigat unerheblich ist und es vielmehr auf Persönlichkeit, Können und Sozialkompetenz ankommt. Herausforderungen und Vorurteilen habe ich immer sehr pragmatisch zu begegnen versucht, ohne mich grundsätzlich von meinem Weg abbringen zu lassen.
Pro verkauftem Ticket fliessen 50 Franken an SAO. Der RC Üetliberg trägt das Projekt mit, Andermatt Music öffnet den Raum. Was kann Musik in einem solchen Kontext leisten, ganz konkret?
Die Andermatt Konzerthalle ist ein ganz besonderer alpiner Begegnungsort. Das musikalische Programm kombiniert Schweizer Trouvaillen mit sehr bekannter klassischer Musik. Traumhafte Melodien für einen guten Zweck erklingen zu lassen, ist schön. Der Abend soll aber auch zu einem Erlebnis werden, bei dem die Musik die Zuhörer ganz unmittelbar und emotional anspricht und für ein humanitäres Anliegen aktiv werden lässt. Und natürlich kann der musikalische Genuss bei einem Besuch in Andermatt auch auf engstem Raum noch mit weiteren Aktivitäten etwa auf der Skipiste, im Wellness oder Gourmet-Restaurant ergänzt werden.
Und zum Schluss: Was bedeutet für dich ganz persönlich Empowerment – im Leben, im Beruf, in der Musik?
Empowerment bedeutet für mich, Verantwortung zu übernehmen und sich nicht davon abhalten zu lassen, wofür man brennt. Ich sehe mich in meiner Aufgabe als Dirigentin als Impulsgeberin und Verantwortliche, die optimale Bedingungen für ein kreatives und harmonisches Miteinander im Orchester schafft.
Liebe Lena-Lisa, wir danken dir herzlich für dieses Gespräch.
Zur Person Die Schweizer Dirigentin Lena-Lisa Wüstendörfer, geboren 1983 in Zürich, ist Intendantin von Andermatt Music und künstlerische Leiterin des Swiss Orchestra. Nach Studien in Basel – unter anderem in Violine, Dirigieren und Musikwissenschaft – promovierte sie zur Mahler-Rezeption. Gastdirigate führten sie nach Frankfurt, Krakau, Thailand und auf zahlreichen weitere Bühnen im In- und Ausland. Seit 2023 ist Lena-Lisa Mitglied im RC Üetliberg. |