Richtig angepackt, bieten sich in der Nachhaltigkeitstransformation für innovative, schnelle und mutige Unternehmen grosse Chancen. Doch wie lässt sich Nachhaltigkeit systematisch auf- und umsetzen? Rot. Vladimir Preveden, der sich in seinem aktuellen Buch genau mit diesem Thema beschäftigt, gibt Aufschluss.
Beim Thema Nachhaltigkeit geht es darum, die Lebensgrundlage der Menschen zu erhalten und Herausforderungen in den Bereichen Umwelt und Gesellschaft gemeinsam zu lösen. Unternehmen spielen dabei eine wesentliche Rolle, liefern sie doch Produkte und Dienstleistungen, die bewusst oder unbewusst unter Ausbeutung natürlicher Ressourcen erstellt wurden. Während das Nachhaltigkeitsthema von Führungskräften allerdings oft mit schwierigen Vorgaben der Regulative in Verbindung gebracht wird, ist es als strategisches Wachstumsfeld für Unternehmen voller Chancen. Dies als Führungskraft zu begreifen und sich an Chancen auszurichten und das Thema Nachhaltigkeit positiv zu besetzen, anstatt sich auf die Erfüllung von regulativen Vorgaben zu fokussieren, ist ein wesentlicher strategischer Wettbewerbsvorteil.
Nicht nur das. Die Ausrichtung auf Chancen ist auch eine absolute Notwendigkeit zur Sicherung der Überlebensfähigkeit von Unternehmen geworden: Kunden verlangen zunehmend nachhaltige Angebote, die auf eine transparente und unabhängig validierbare Weise hergestellt werden. Dafür ist ein immer grösser werdender Teil der Kundschaft bereit, höhere Preise als für vergleichbare, allerdings herkömmlich erzeugte Angebote zu bezahlen. Dies belegen zahlreiche Studien aus unterschiedlichen Branchen. Das bedeutet, dass das Thema Nachhaltigkeit direkt mit dem Thema Innovation verbunden sein muss: Investitionen in neuartige, authentische Angebote schaffen eine klare Differenzierung am sich rasant entwickelnden Nachhaltigkeitsmarkt – im Inland, aber vor allem in Exportmärkten. Da sich diese Entwicklungen entlang einer exponentiell verlaufenden Lebenszykluskurve entwickeln, haben es Nachzügler schwer, aufzuholen. Keine Zeit zu verlieren, ist daher ein weiterer strategischer Wettbewerbsvorteil.
Damit nicht genug, ist das Thema Nachhaltigkeit auch für Mitarbeitende und für die Attraktivität des Unternehmens als arbeitgebende Instanz überlebenswichtig. Das Anbieten sinnstiftender Arbeit ist ein entscheidender Differenzierungsfaktor am Recruitingmarkt und zur Sicherung der Loyalität bestehender Mitarbeitender geworden. Auch diese Tatsache bestätigen zahlreiche Studien. Glaubt man Prognosen, wonach sich der Mangel an Fachkräften und Mitarbeitenden weiter verstärken wird, so ist die strategische Ausrichtung des Unternehmens auf einen authentischen Unternehmenszweck, der zu Lösungen für Herausforderungen des Planeten beiträgt, unumgänglich. Es reicht allerdings nicht, dieses Werteversprechen nach aussen zu tragen – es muss im Unternehmen erkennbar sein: im Führungsstil, in den Abläufen, den Räumlichkeiten und Anlagen, den Produkten und Dienstleistungen und letztlich auch im Beitrag zur lokalen Gesellschaft, in der man als Unternehmen tätig ist. Arbeitgeber erster Wahl in seiner Branche und Lokalität zu werden, ist ebenso ein strategischer Wettbewerbsvorteil.
Letztlich ist die Transformation des eigenen Geschäftsmodells hin zu einem gesunden Geschäftsmodell erforderlich. Solch ein gesundes Geschäftsmodell greift nicht negativ in die Umwelt und Gesellschaft ein, sondern gibt so viel zurück, wie es entnimmt. Dabei geht es um die vollständige Dekarbonisierung der Geschäftstätigkeit über den gesamten Lebenszyklus der Produkte und Dienstleistungen hinweg. Es geht auch um geschlossene Ressourcenkreisläufe, um die Verantwortung für die in Anspruch genommene Lieferkette sowie um das Wohl und Fairness für die Mitarbeitenden. Das bewusste Management eines solchen Transformationsprogramms in einem partizipativen, positiv behafteten Umfeld ist mitunter eine Kunst im Bereich der Führung, aber sicherlich auch ein strategischer Wettbewerbsvorteil. Auch hier gilt: Je früher man einen klaren Unternehmenszweck und strategische Ziele entwickelt und mit der Transformation anfängt, desto besser, da man Aktivitäten und Investitionen zeitlich strecken kann.
Zu guter Letzt möchte ich noch darauf hinweisen, dass sich neue Chancen an der Schnittstelle von Nachhaltigkeit zu den sich entfaltenden digitalen Technologien, wie etwa die der generativen künstlichen Intelligenz, auftun. Diese gilt es, im Sinne des Aufbaus strategischer Wettbewerbsvorteile vorausschauend und mit Mut zu neuen Ideen zu erschliessen.
Nachhaltigkeit ist also ein essenzielles und durchwegs positives Thema, mit dem Unternehmen sich mit den genannten fünf strategischen Wettbewerbsvorteilen positionieren und einen grossen Sprung nach vorne schaffen können, wenn sie sich rechtzeitig darauf einlassen wollen.
Zur Person Dr. Vladimir Preveden, Mitglied im RC Wien-Connect, ist internationaler Strategieberater, Autor und Dozent. Nach 20 Jahren bei Roland Berger, einem Grossteil davon in unterschiedlichen Managementfunktionen, leitet er nun sein eigenes Unternehmen. Kürzlich erschien sein Buch «Nachhaltigkeit als strategischer Wettbewerbsvorteil» bei Springer Gabler. |