Nach fast 30 Jahren als Pfarrer entschied sich Michel Muller, Mitglied des RC Morges, mit 57 Jahren für eine berufliche Veränderung: Mit einem Diplom in Nachhaltigkeitsmanagement in der Tasche gründete er im Frühjahr 2020 die Firma Durabilité Conseils. Er ist glücklich darüber, zumal die Begleitung von Menschen eine Konstante in seinem Berufsleben bleibt.
Michel Mullers Büro befindet sich in einem Komplex aus kleineren Gebäuden in einem ruhigen Industriegebiet in Lonay in der Nähe von Morges. Hier empfängt er die Korrespondentin des Rotary-Magazins zu einem Gespräch über Nachhaltigkeit, am Blazer steckt der Rotary-Pin. Neben den Ordnern und Büchern über Nachhaltigkeit, die den Raum füllen, gibt es noch weitere rotarische Symbole: In einer Ecke hängt das Vier-Fragen-Kriterium unter Glas, darunter die Paul Harris Fellow-Auszeichnung, und am Lampengestell hängt die Flagge des Rotary Clubs Morges. In diesen Club wurde Michel Muller im Frühjahr 2013 berufen. Er war zu diesem Zeitpunkt noch Pfarrer und hatte sich durch die Qualität seiner Begleitung hervorgetan. „Ich habe 2012 die Beerdigung von Jean-Jacques Bolle geleitet, einem Gründungsmitglied des RC Morges“, erklärt er.
Theologie und Sozialpolitik
Für Michel Muller, der fast drei Jahrzehnte lang als Pfarrer in der evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Waadt gearbeitet hat, war diese erste Berufswahl eine Selbstverständlichkeit. „Ich bin seit der Konfirmandenzeit gläubig. Ich mochte die Bibel, ich mochte es, mit den Leuten darüber zu sprechen.“ Schnell wurde er auch mit Fragen aus der Arbeitswelt konfrontiert, insbesondere durch den Kontakt mit Arbeitslosen im Rahmen eines Hilfsvereins. Der Wunsch zu verstehen, warum die Identifikation mit der Arbeit in unserer Gesellschaft so stark ist, führte ihn dann dazu, sein Theologiestudium durch ein Nachdiplomstudium in Sozialpolitik an der Universität Genf zu ergänzen und 1999 ein Unternehmen zu gründen, das sich mit Fragen der Arbeitsethik befasst. Die Begleitung von Menschen tritt deutlich als gemeinsames Merkmal des Pfarrberufs und dieser mit der Wirtschaft verbundenen Tätigkeit hervor. In dieser menschlichen Dimension, die er heute bei den Firmenchefs wieder an Bedeutung gewinnen sieht, hat Michel Muller immer den Sinn seiner Arbeit erkannt. Doch seine Vorliebe für das Projektmanagement konnte er in der Kirche nicht ausreichend verwirklichen. So musste er eine mutige Entscheidung treffen: im Alter von 57 Jahren den Beruf zu wechseln. Mit einem Diplom in Nachhaltigkeitsmanagement in der Tasche machte sich Michel Muller mit „Durabilité Conseils Michel Muller“ selbstständig.
Seit 2020 bietet er Beratung, Diagnose und Begleitung an, die auf drei Achsen ausgerichtet sind: Nachhaltigkeit von Organisationen, Nachhaltigkeit von Teams und Nachhaltigkeit von Führungskräften.
Er wurde nicht enttäuscht. Neben dem Projektmanagement ist die Begleitung von Menschen eine Konstante in seiner Arbeit. Er liebt vor allem den Moment, in dem aus einer professionellen Beziehung eine freundschaftliche wird. Wie bei dem CEO, der ihm kurz vor seiner Abreise in die Ferien gesagt hatte, dass er ihn während seiner Abwesenheit vertreten könne, da er nun „Teil des Teams“ sei. Diese Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit. „Ich kann einem Unternehmen bei der Lösung eines Problems helfen, sie selbst ist für diese Begleitung dankbar.“ Laut Michel Muller gilt dies insbesondere für KMU, die nicht über die Mittel verfügen, Nachhaltigkeitsspezialisten in ihrer Firma zu beschäftigen.
Den Wandel mit den KMU gemeinsam angehen
Ist Nachhaltigkeit vielleicht einfach nur ein Modewort, um sich besser zu verkaufen? Der Berater schüttelt den Kopf. Er erzählt, dass er oft von KMU angesprochen wird, die gerne „etwas für die Nachhaltigkeit tun“ würden, aber nicht wissen, wo sie anfangen sollen. „Ihr Wunsch, sich zu engagieren, ist jedoch ernst gemeint.“ Michel Muller nennt das Beispiel seines Kunden Friderici Spécial, eines in der Nähe von Morges ansässigen Transportunternehmens, das national und international tätig ist. Um auf die Anfrage eines Kunden zu reagieren, investierte Friderici Spécial in einen 40-Tonnen-Elektro-Lkw, der in der Schweiz entwickelt und 2021 in Luzern eingeweiht wurde. „Sie hätten es dabei belassen können“, sagt Michel Muller. Doch Friderici Spécial zog langfristiges Denken vor. Heute besitzt das Unternehmen nicht nur mehrere Elektro-Lkw - trotz eines fünf- bis sechsmal höheren Preises als ein Diesel-Lkw -, sondern hat auch eine ESG2GO-Analyse durchgeführt, einen Schweizer Standard für Nachhaltigkeitsrating und -reporting speziell für KMU, hat eine Ecovadis-Zertifizierung erhalten und erfüllt die ISO-Norm 140001. „ Allein wird die Firma nicht den Lauf der Welt verändern, aber sie trägt dazu bei, den Wandel in Gang zu setzen“, bemerkt der Berater.
Das ist auch sein persönliches Credo. Sein Engagement für Nachhaltigkeit zeigt sich im Alltag: Sowohl auf dem Weg ins Büro als auch zu Kunden, Interessenten und Veranstaltungen nutzt er das klassische Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel. „Ich habe seit zwei Jahren kein Auto mehr“, bestätigt er.
Gemeinsame Werte mit Rotary
Der Gründer von Durabilité Conseils nennt weiter das Beispiel einer Schreinerei, die rund 20 Mitarbeiter beschäftigt. Sie wollte eine Nachhaltigkeitsstrategie, die auf eine DIN-A4-Seite passt. Diese Schreinerei sammelt Holzabfälle in der Werkstatt und verbrennt sie an Ort und Stelle. Mit der Wärme des Ofens wird die Werkstatt beheizt und die neuen Holzteile werden getrocknet - ein gutes Beispiel für eine Kreislaufwirtschaft im kleinen Stil. Es ist nicht verboten, darüber zu reden", ergänzt Michel Muller, “vorausgesetzt, die Kommunikation ist wahr. Und so schliesst sich ein weiterer Kreis, wir sind im Einklang mit der ersten der vier Fragen von Rotary. Rotary setzt sich ja auch für den Schutz der Umwelt ein und kümmert sich um soziale Belange auf lokaler und internationaler Ebene, betont Michel Muller. „Wir sind Schnittstellen“, sagt er. "Als Vertreter von Rotary in unserem Beruf und als Vertreter unseres Berufes in Rotary.“ Er sieht darin Überzeugung, gegenseitiges Vertrauen, offene menschliche Beziehungen und das Teilen ethischer Grundsätze, die mit der beruflichen Richtung, die er eingeschlagen hat, übereinstimmen. Natürlich schwankt das Auftragsvolumen. Manchmal arbeitet er 150 Prozent, manchmal weit unter 100; als Selbstständiger ist Flexibilität gefragt. Michel Muller würde jedoch nicht zögern, wenn er es noch einmal tun müsste: „Ich bin glücklich mit dem, was ich tue, und ich finde darin einen Sinn.“
Nachhaltigkeitslabels
EcoEntreprise: Die Zertifizierung EcoEntreprise ist die Schweizer Referenzzertifizierung im Bereich der nachhaltigen Entwicklung und der sozialen Verantwortung. Diese Zertifizierung wird insbesondere bei öffentlichen Ausschreibungen anerkannt.
ESG2GO: ESG2GO ist ein Instrument, das KMU die Möglichkeit bietet, ihre Nachhaltigkeit genau zu messen, um ein ESG-Rating zu erhalten. Das ESG-Rating ist ein Maßstab, der die Bemühungen eines Unternehmens in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance bewertet. Es ist ein Schweizer Standard für Nachhaltigkeitsrating und -berichterstattung, der speziell auf KMU ausgerichtet ist und auf quantitativen Daten basiert.
ISO 14001: ISO 14001 ist eine freiwillige internationale Norm zur Einführung eines Umweltmanagementsystems in Unternehmen und Organisationen jeder Grösse und in allen Wirtschaftszweigen.